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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

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Griechenland

land ist wirtschaftsgeographisch ungemein stark auf die Umwelt angewiesen, und
aller Frachtoerkehr mußte bis vor kurzer Zeit fast ausschließlich über See gehen.
Bet kaum einem Gebiet, das noch zu einer größeren Festlcmdsmasse gehört,
kaun daher eine Blockade furchtbarer und zerrüttender auf die Wirtschaft wirken
als bei Griechenland. Die Gründe für diese Zustände wurzeln in den physisch"
geographischen Verhältnissen. Trotz seiner weit vorgeschobenen Lage im M'ttel-
meer erfreuen sich doch nur schmale randliche Gürtel der unmittelbaren Ein"
Wirkung des Meeres auf das Klima und geben Anbauflächen für Südfrüchte,
den Ölbaum und vor allem für die Korinthenzucht ab, in der Griechenland
eine Monopolstellung einnimmt, und von deren Gedeihen aber auch recht wesent¬
lich die jährliche Wirtschafts bilanz abhängt. Die gebirgigen Teile des Innern
scheiden dagegen für diese echt mediterrane Landwirtschaft aus. Nur der Wein-
stock erreicht noch bedeutende Meereshöhen. Aber im allgemeinen tragen die
meisten dem Einfluß des Meeres entzogenen Landschaften mehr mitteleuropäischen
Charakter. Doch auch hier hindern ausgedehnte, von jeglicher Bodenkrume
entblößte Gebiete, in denen der zu bizarren Kleinformen herauspräparierte Kalkstein
(Karst) weite, völlig unfruchtbare und wasserlose Oberflächen bildet, jeglichen
Anbau. So reichen die vorhandenen Anbauflächen, die nur in Böotien.
Thessalien und den mazedonischen Becken und Niederlanden einen erheblichen
Umfang annehmen, nicht zur Produktion des nötigen Brotgetreides aus. Da
der Getreidebau durch verfügbare größere Flächen und reichliche sommerliche
Niederschläge in den nördlichen Randgebieten eine auffällige Begünstigung er¬
fährt, erhellt daraus der große Wert des allerdings augenblicklich völlig illu¬
sorischen Besitzes von Südmazedonien und einer künftigen Erwerbung Süd-
albanicns. Auch der Wald vermag vor allem wegen der immer noch an¬
dauernden Waldverwüstung durch den Menschen das Land nicht zur Genüge
mit Holz zu versorgen. Die Viehzucht, die infolge des Mangels an Weiden
nur als Kleinviehzucht entwickelt ist, reicht im großen und ganzen aus.
Als weiterer Wirischaftsquelle erfreut sich Griechenland wohl reicher Boden¬
schätze, doch läßt der Mangel an Kohlen und Wasserkräften den Gedanken
an eine bedeutendere industrielle Entwicklung für ganz Altgriechenland nicht
aufkomme". Dagegen blickt Mazedonien im Besitz reicher Erzvorkommen und
ansehnlichrr Wasserkräfte einer industriellen Zukunft entgegen und kennzeichnet
auch darin wiederum seinen großen Wert für das Gesamtgebiet. Aus dieser
durch die natürlichen Verhältnisse bedingten Wirtschaftsstruktur ergeben sich
notwendigerweise die Verkettungen mit den übrigen Wirtschaftsgebieten der Welt.
Griechenland ist einmal auf Länder angewiesen, die ihm Getreide und Holz
(Rußland, im Krieg bis zur Seesperre Nordamerika) und dann Kohle (Eng¬
land bzw. Nordamerika) liefern. In gleichem Maße ist es von den west. und
mitteleuropäischen Industriestaaten abhängig; seine Ausfuhr geht ebenfalls dort¬
hin. Daß bei der fast ausschließlichen Geltung des Seeverkehrs im griechischen
Handel England unter den griechischen Verkehrslünder" an erster Stelle stand,.


Griechenland

land ist wirtschaftsgeographisch ungemein stark auf die Umwelt angewiesen, und
aller Frachtoerkehr mußte bis vor kurzer Zeit fast ausschließlich über See gehen.
Bet kaum einem Gebiet, das noch zu einer größeren Festlcmdsmasse gehört,
kaun daher eine Blockade furchtbarer und zerrüttender auf die Wirtschaft wirken
als bei Griechenland. Die Gründe für diese Zustände wurzeln in den physisch»
geographischen Verhältnissen. Trotz seiner weit vorgeschobenen Lage im M'ttel-
meer erfreuen sich doch nur schmale randliche Gürtel der unmittelbaren Ein»
Wirkung des Meeres auf das Klima und geben Anbauflächen für Südfrüchte,
den Ölbaum und vor allem für die Korinthenzucht ab, in der Griechenland
eine Monopolstellung einnimmt, und von deren Gedeihen aber auch recht wesent¬
lich die jährliche Wirtschafts bilanz abhängt. Die gebirgigen Teile des Innern
scheiden dagegen für diese echt mediterrane Landwirtschaft aus. Nur der Wein-
stock erreicht noch bedeutende Meereshöhen. Aber im allgemeinen tragen die
meisten dem Einfluß des Meeres entzogenen Landschaften mehr mitteleuropäischen
Charakter. Doch auch hier hindern ausgedehnte, von jeglicher Bodenkrume
entblößte Gebiete, in denen der zu bizarren Kleinformen herauspräparierte Kalkstein
(Karst) weite, völlig unfruchtbare und wasserlose Oberflächen bildet, jeglichen
Anbau. So reichen die vorhandenen Anbauflächen, die nur in Böotien.
Thessalien und den mazedonischen Becken und Niederlanden einen erheblichen
Umfang annehmen, nicht zur Produktion des nötigen Brotgetreides aus. Da
der Getreidebau durch verfügbare größere Flächen und reichliche sommerliche
Niederschläge in den nördlichen Randgebieten eine auffällige Begünstigung er¬
fährt, erhellt daraus der große Wert des allerdings augenblicklich völlig illu¬
sorischen Besitzes von Südmazedonien und einer künftigen Erwerbung Süd-
albanicns. Auch der Wald vermag vor allem wegen der immer noch an¬
dauernden Waldverwüstung durch den Menschen das Land nicht zur Genüge
mit Holz zu versorgen. Die Viehzucht, die infolge des Mangels an Weiden
nur als Kleinviehzucht entwickelt ist, reicht im großen und ganzen aus.
Als weiterer Wirischaftsquelle erfreut sich Griechenland wohl reicher Boden¬
schätze, doch läßt der Mangel an Kohlen und Wasserkräften den Gedanken
an eine bedeutendere industrielle Entwicklung für ganz Altgriechenland nicht
aufkomme». Dagegen blickt Mazedonien im Besitz reicher Erzvorkommen und
ansehnlichrr Wasserkräfte einer industriellen Zukunft entgegen und kennzeichnet
auch darin wiederum seinen großen Wert für das Gesamtgebiet. Aus dieser
durch die natürlichen Verhältnisse bedingten Wirtschaftsstruktur ergeben sich
notwendigerweise die Verkettungen mit den übrigen Wirtschaftsgebieten der Welt.
Griechenland ist einmal auf Länder angewiesen, die ihm Getreide und Holz
(Rußland, im Krieg bis zur Seesperre Nordamerika) und dann Kohle (Eng¬
land bzw. Nordamerika) liefern. In gleichem Maße ist es von den west. und
mitteleuropäischen Industriestaaten abhängig; seine Ausfuhr geht ebenfalls dort¬
hin. Daß bei der fast ausschließlichen Geltung des Seeverkehrs im griechischen
Handel England unter den griechischen Verkehrslünder» an erster Stelle stand,.


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[0093] Griechenland land ist wirtschaftsgeographisch ungemein stark auf die Umwelt angewiesen, und aller Frachtoerkehr mußte bis vor kurzer Zeit fast ausschließlich über See gehen. Bet kaum einem Gebiet, das noch zu einer größeren Festlcmdsmasse gehört, kaun daher eine Blockade furchtbarer und zerrüttender auf die Wirtschaft wirken als bei Griechenland. Die Gründe für diese Zustände wurzeln in den physisch» geographischen Verhältnissen. Trotz seiner weit vorgeschobenen Lage im M'ttel- meer erfreuen sich doch nur schmale randliche Gürtel der unmittelbaren Ein» Wirkung des Meeres auf das Klima und geben Anbauflächen für Südfrüchte, den Ölbaum und vor allem für die Korinthenzucht ab, in der Griechenland eine Monopolstellung einnimmt, und von deren Gedeihen aber auch recht wesent¬ lich die jährliche Wirtschafts bilanz abhängt. Die gebirgigen Teile des Innern scheiden dagegen für diese echt mediterrane Landwirtschaft aus. Nur der Wein- stock erreicht noch bedeutende Meereshöhen. Aber im allgemeinen tragen die meisten dem Einfluß des Meeres entzogenen Landschaften mehr mitteleuropäischen Charakter. Doch auch hier hindern ausgedehnte, von jeglicher Bodenkrume entblößte Gebiete, in denen der zu bizarren Kleinformen herauspräparierte Kalkstein (Karst) weite, völlig unfruchtbare und wasserlose Oberflächen bildet, jeglichen Anbau. So reichen die vorhandenen Anbauflächen, die nur in Böotien. Thessalien und den mazedonischen Becken und Niederlanden einen erheblichen Umfang annehmen, nicht zur Produktion des nötigen Brotgetreides aus. Da der Getreidebau durch verfügbare größere Flächen und reichliche sommerliche Niederschläge in den nördlichen Randgebieten eine auffällige Begünstigung er¬ fährt, erhellt daraus der große Wert des allerdings augenblicklich völlig illu¬ sorischen Besitzes von Südmazedonien und einer künftigen Erwerbung Süd- albanicns. Auch der Wald vermag vor allem wegen der immer noch an¬ dauernden Waldverwüstung durch den Menschen das Land nicht zur Genüge mit Holz zu versorgen. Die Viehzucht, die infolge des Mangels an Weiden nur als Kleinviehzucht entwickelt ist, reicht im großen und ganzen aus. Als weiterer Wirischaftsquelle erfreut sich Griechenland wohl reicher Boden¬ schätze, doch läßt der Mangel an Kohlen und Wasserkräften den Gedanken an eine bedeutendere industrielle Entwicklung für ganz Altgriechenland nicht aufkomme». Dagegen blickt Mazedonien im Besitz reicher Erzvorkommen und ansehnlichrr Wasserkräfte einer industriellen Zukunft entgegen und kennzeichnet auch darin wiederum seinen großen Wert für das Gesamtgebiet. Aus dieser durch die natürlichen Verhältnisse bedingten Wirtschaftsstruktur ergeben sich notwendigerweise die Verkettungen mit den übrigen Wirtschaftsgebieten der Welt. Griechenland ist einmal auf Länder angewiesen, die ihm Getreide und Holz (Rußland, im Krieg bis zur Seesperre Nordamerika) und dann Kohle (Eng¬ land bzw. Nordamerika) liefern. In gleichem Maße ist es von den west. und mitteleuropäischen Industriestaaten abhängig; seine Ausfuhr geht ebenfalls dort¬ hin. Daß bei der fast ausschließlichen Geltung des Seeverkehrs im griechischen Handel England unter den griechischen Verkehrslünder» an erster Stelle stand,.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/93>, abgerufen am 12.01.2025.