Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.Das alte deutsche "Reichsland" in Galizien der damalige Grundbesitzer des Ortes Rybinski Wojwode von Kulm war und Ebenso wie Biala dürfte Andrichau (Andrychöw) eine ältere deutsche Sied¬ Wie aus dem Vorstehenden zu ersehen ist, war das Gebiet der Herzog¬ ") über Abstammung und Mundart der Ansiedler vgl. die Literaturangaben in "Ge¬
schichte der Deutschen in den Karpathenländern", III, S. 437. Dazu auch Latosinski, Hiolio^rskia miasteclca ^ilamowic, Krakau 1910. Schilderungen des Lebens in den westgalizischen deutschen Orten am Ende des Mittelalters bietet mein Roman aus KrakauS deutscher Zeit "Die Tochter des Erbvogts." Stuttgart. Das alte deutsche „Reichsland" in Galizien der damalige Grundbesitzer des Ortes Rybinski Wojwode von Kulm war und Ebenso wie Biala dürfte Andrichau (Andrychöw) eine ältere deutsche Sied¬ Wie aus dem Vorstehenden zu ersehen ist, war das Gebiet der Herzog¬ ") über Abstammung und Mundart der Ansiedler vgl. die Literaturangaben in „Ge¬
schichte der Deutschen in den Karpathenländern", III, S. 437. Dazu auch Latosinski, Hiolio^rskia miasteclca ^ilamowic, Krakau 1910. Schilderungen des Lebens in den westgalizischen deutschen Orten am Ende des Mittelalters bietet mein Roman aus KrakauS deutscher Zeit „Die Tochter des Erbvogts." Stuttgart. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331914"/> <fw type="header" place="top"> Das alte deutsche „Reichsland" in Galizien</fw><lb/> <p xml:id="ID_172" prev="#ID_171"> der damalige Grundbesitzer des Ortes Rybinski Wojwode von Kulm war und<lb/> dieses Recht kannte. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Mehrzahl der<lb/> gewerbe- und handeltreibenden Bevölkerung dieses Ortes Deutsche waren. Als<lb/> im Jahre 1766 zur Hebung der „commercia" eine „Kongregation" der Kauf¬<lb/> leute errichtet wurde, erscheinen als ihre Ältesten Simon Merkt und Balthasar<lb/> Schindler.</p><lb/> <p xml:id="ID_173"> Ebenso wie Biala dürfte Andrichau (Andrychöw) eine ältere deutsche Sied¬<lb/> lung sein, obwohl es erst 1767 unter Verleihung des Magdeburger Rechtes in<lb/> eine Stadt umgestaltet wurde. Aber auch andere Orte wie Mückendorf<lb/> (Komarowice) und Drosseldorf (Straconka) haben damals oder doch bald darauf<lb/> Deutsche aufgenommen. Der eine oder andere dieser Orte hat sicher kleine<lb/> Nachschübe erhalten, als die deutsche Ansiedlung unter Maria Theresia und<lb/> Josef den Zweiten wieder aufgenommen wurde. Zu diesen Orten gehört auch<lb/> Brzezinka.</p><lb/> <p xml:id="ID_174" next="#ID_175"> Wie aus dem Vorstehenden zu ersehen ist, war das Gebiet der Herzog¬<lb/> tümer gegen das Ende des Mittelalters überaus dicht mit Deutschen besiedelt*).<lb/> Durch den Anfall von Polen war seine vollständige Eindeutschung behindert,<lb/> weil seit dem sechzehnten Jahrhundert das Deutschtum in Polen überhaupt<lb/> in Rückgang begriffen war. Aber auch bei der Erwerbung Galiziens durch<lb/> Osterreich war dieser Teil des Landes noch durch seine Deutschen und die von<lb/> ihnen betriebene Tuchmachern eine Oase in dem sonst überaus herabgekommenen<lb/> Lande. Nach den Berichten der österreichischen Behörden waren die deutschen<lb/> Bewohner dieser Gegend arbeitsam; die Weiber beschäftigten sich meistens mit<lb/> Wollspinnen und Krempeln, die Männer mit Tuch- und Leinwandfabrikation.<lb/> „Diese nützlichen Untertanen sind meistens des Lesens und Schreibens kundig,<lb/> meist nüchtern, reinlich in der Kleidung und erziehen ihre Kinder anständig aus<lb/> ihre Art". König Friedrich der Zweite suchte sie in seine Länder zu ziehen;<lb/> daher kam die österreichische Negierung ihnen entgegen, um sie festzuhalten.<lb/> Sy lange Galizien von Wien aus zentralistisch regiert wurde, stärkte sich auch<lb/> in diesem Teile Galiziens das Deutschtum. Erst in der zweiten Hälfte des<lb/> neunzehnten Jahrhunderts, besonders seitdem nach der Niederlage von 1866<lb/> Galizien den Polen überlassen wurde, begann der Niedergang. So kämpft<lb/> die Stadt Biala seit Jahren einen schweren Kampf gegen die Polen, die alle<lb/> Mittel anwenden, um in dieser Stadt zur Herrschaft zu gelangen und den<lb/> durch seine jetzt modern entwickelte Tuch- und Maschinenfabrikation bedeutenden<lb/> Ort zu polonisieren. Doch hat sich bisher Biala erfolgreich verteidigt. Das<lb/> konnte man bei der vierten Tagung der Karpathendeutschen kurz vor dem</p><lb/> <note xml:id="FID_9" place="foot"> ") über Abstammung und Mundart der Ansiedler vgl. die Literaturangaben in „Ge¬<lb/> schichte der Deutschen in den Karpathenländern", III, S. 437. Dazu auch Latosinski,<lb/> Hiolio^rskia miasteclca ^ilamowic, Krakau 1910. Schilderungen des Lebens in den<lb/> westgalizischen deutschen Orten am Ende des Mittelalters bietet mein Roman aus KrakauS<lb/> deutscher Zeit „Die Tochter des Erbvogts." Stuttgart.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
Das alte deutsche „Reichsland" in Galizien
der damalige Grundbesitzer des Ortes Rybinski Wojwode von Kulm war und
dieses Recht kannte. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Mehrzahl der
gewerbe- und handeltreibenden Bevölkerung dieses Ortes Deutsche waren. Als
im Jahre 1766 zur Hebung der „commercia" eine „Kongregation" der Kauf¬
leute errichtet wurde, erscheinen als ihre Ältesten Simon Merkt und Balthasar
Schindler.
Ebenso wie Biala dürfte Andrichau (Andrychöw) eine ältere deutsche Sied¬
lung sein, obwohl es erst 1767 unter Verleihung des Magdeburger Rechtes in
eine Stadt umgestaltet wurde. Aber auch andere Orte wie Mückendorf
(Komarowice) und Drosseldorf (Straconka) haben damals oder doch bald darauf
Deutsche aufgenommen. Der eine oder andere dieser Orte hat sicher kleine
Nachschübe erhalten, als die deutsche Ansiedlung unter Maria Theresia und
Josef den Zweiten wieder aufgenommen wurde. Zu diesen Orten gehört auch
Brzezinka.
Wie aus dem Vorstehenden zu ersehen ist, war das Gebiet der Herzog¬
tümer gegen das Ende des Mittelalters überaus dicht mit Deutschen besiedelt*).
Durch den Anfall von Polen war seine vollständige Eindeutschung behindert,
weil seit dem sechzehnten Jahrhundert das Deutschtum in Polen überhaupt
in Rückgang begriffen war. Aber auch bei der Erwerbung Galiziens durch
Osterreich war dieser Teil des Landes noch durch seine Deutschen und die von
ihnen betriebene Tuchmachern eine Oase in dem sonst überaus herabgekommenen
Lande. Nach den Berichten der österreichischen Behörden waren die deutschen
Bewohner dieser Gegend arbeitsam; die Weiber beschäftigten sich meistens mit
Wollspinnen und Krempeln, die Männer mit Tuch- und Leinwandfabrikation.
„Diese nützlichen Untertanen sind meistens des Lesens und Schreibens kundig,
meist nüchtern, reinlich in der Kleidung und erziehen ihre Kinder anständig aus
ihre Art". König Friedrich der Zweite suchte sie in seine Länder zu ziehen;
daher kam die österreichische Negierung ihnen entgegen, um sie festzuhalten.
Sy lange Galizien von Wien aus zentralistisch regiert wurde, stärkte sich auch
in diesem Teile Galiziens das Deutschtum. Erst in der zweiten Hälfte des
neunzehnten Jahrhunderts, besonders seitdem nach der Niederlage von 1866
Galizien den Polen überlassen wurde, begann der Niedergang. So kämpft
die Stadt Biala seit Jahren einen schweren Kampf gegen die Polen, die alle
Mittel anwenden, um in dieser Stadt zur Herrschaft zu gelangen und den
durch seine jetzt modern entwickelte Tuch- und Maschinenfabrikation bedeutenden
Ort zu polonisieren. Doch hat sich bisher Biala erfolgreich verteidigt. Das
konnte man bei der vierten Tagung der Karpathendeutschen kurz vor dem
") über Abstammung und Mundart der Ansiedler vgl. die Literaturangaben in „Ge¬
schichte der Deutschen in den Karpathenländern", III, S. 437. Dazu auch Latosinski,
Hiolio^rskia miasteclca ^ilamowic, Krakau 1910. Schilderungen des Lebens in den
westgalizischen deutschen Orten am Ende des Mittelalters bietet mein Roman aus KrakauS
deutscher Zeit „Die Tochter des Erbvogts." Stuttgart.
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