Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.Das alte deutsche "Reichsland" in Galizien hier einsetzenden steten Germanisation*) lösten sich aber die schlesischen Fürsten Ebenso bemerkenswert ist, daß das Gebiet dieser Fürstentümer auch nach Der einstigen Zugehörigkeit der Herzogtümer zu Schlesien ist es auch zu¬ Der älteste Ort, der in diesem Gebiete mit deutschem Rechte bestiftet er¬ *) Vgl. auch Kaindl, Polen und die Polnisch-ruthenische Frage. Leipzig.
Das alte deutsche „Reichsland" in Galizien hier einsetzenden steten Germanisation*) lösten sich aber die schlesischen Fürsten Ebenso bemerkenswert ist, daß das Gebiet dieser Fürstentümer auch nach Der einstigen Zugehörigkeit der Herzogtümer zu Schlesien ist es auch zu¬ Der älteste Ort, der in diesem Gebiete mit deutschem Rechte bestiftet er¬ *) Vgl. auch Kaindl, Polen und die Polnisch-ruthenische Frage. Leipzig.
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Das alte deutsche „Reichsland" in Galizien
hier einsetzenden steten Germanisation*) lösten sich aber die schlesischen Fürsten
allmählich von Polen los und schlossen sich immer inniger an die böhmischen
Länder und somit ans Deutsche Reich an. König Johann von Böhmen er¬
scheint 1327 schon als Lehensherr über die schlesischen Gebiete mit Auschwitz
und Zator. Sein Nachfolger Karl der Vierte hat 1343 und später auch als
deutscher Kaiser 1355 die Angliederung Schlesiens an Böhmen ausgesprochen;
die deutschen Kurfürsten billigten diesen Schritt. Anderseits haben die polnischen
Könige mehrmals ihr ausdrückliches Einverständnis zu dieser Einverleibung
gegeben. So Kasimir der Große schon 1335 und 1339, ebenso Ludwig der
Große 1372. Schlesien und damit Auschwitz und Zator waren also staats¬
rechtlich gültig mit Böhmen und dem Deutschen Reiche vereint. Dagegen er¬
folgte die Lostrennung und Wiedervereinigung mit Polen in ganz anderer
Weise. Während der Wirren, die in Böhmen zur Zeit des ränkesüchtigen
Georg Podtebrad und des schwachen Wladislaus herrschten, erwarb Polen
durch Kauf von den schlesischen Fürsten Auschwitz (1457) und Zator (1494).
Ein staatsrechtlich gültiger dauernder Verzicht Böhmens auf diese Gebiete
zugunsten Polens ist aber niemals erfolgt. Daher hat auch — wie schon er¬
wähnt — nach der Besitzergreifung Böhmens (1526) durch die Habsburger
Ferdinand der Erste sofort die Ansprüche auf Auschwitz-Zator erhoben und
diese Ansprüche sind auch niemals aufgegeben worden.
Ebenso bemerkenswert ist, daß das Gebiet dieser Fürstentümer auch nach
seiner Verbindung mit Polen stets seine Sonderstellung bewahrt hat, die be¬
sonders in dem Auschwitzer Sonderlandtag zum Ausdruck kam.
Der einstigen Zugehörigkeit der Herzogtümer zu Schlesien ist es auch zu¬
zuschreiben, daß deutsches Recht und deutsche Besiedlung hier eine so weite
Verbreitung gefunden hatten, wie sie nur noch in wenigen Teilen Galiziens
anzutreffen war. Als Beweis dafür soll hier wenigstens ein Teil der urkund¬
lichen Nachrichten über dieses reiche deutsche Leben gebracht werden.
Der älteste Ort, der in diesem Gebiete mit deutschem Rechte bestiftet er¬
scheint, ist Kenty. im gleichnamigen Bezirke. Nach einer Urkunde von 1277
hatte Kenty damals bereits Löwenberger Recht, das auf galizischen Boden über¬
haupt nur im Herzogtum Auschwitz-Zator erscheint und den schlesischen Einfluß
dartut. Als Vögte (Stadtrichter) des Ortes erscheinen drei Brüder: Arnold,
Rüdiger und Peter, die zu den rührigsten „Lokatoren" (Gründern von Orten
mit deutschem Recht) in dieser Gegend zählen; wir werden ihnen später auch
in Zator begegnen. Sehr interessante Nachrichten über Kenty bringt auch eine
Urkunde vom 25. Mai 1391. In derselben erscheint nämlich der Ort unter
dem Namen „Libenwerde." Offenbar deutet Libenwerde auf Löwenberg in
Schlesien. Der Name Libenwerde erscheint auch noch in späteren Urkunden
von 1445, 1454 und 1519. Schon aus diesem Festhalten an dem deutschen
*) Vgl. auch Kaindl, Polen und die Polnisch-ruthenische Frage. Leipzig.
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