Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.Bilder aus dem Liebesleb^n gekrönter Häupter die Gräfin Esterhazy-Roisin I-l beautö 6tonnantö, die Gräfin Julie Zichy Bilder aus dem Liebesleb^n gekrönter Häupter die Gräfin Esterhazy-Roisin I-l beautö 6tonnantö, die Gräfin Julie Zichy <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332005"/> <fw type="header" place="top"> Bilder aus dem Liebesleb^n gekrönter Häupter</fw><lb/> <p xml:id="ID_426" prev="#ID_425" next="#ID_427"> die Gräfin Esterhazy-Roisin I-l beautö 6tonnantö, die Gräfin Julie Zichy<lb/> la beautö eüleste, die Gräfin Saurma la bsautö an äiable und die Fürstin<lb/> Auersperg la beautö qui in8pire 8ente an vrai sentiment, womit natürlich<lb/> keineswegs gesagt sein soll, daß nicht noch andere Huldinnen wärmere Gefühle<lb/> in ihm wachgerufen hätten. Eine oder die andere von ihnen meinte wohl<lb/> gar, der „Friedensengel von der Newa" sei ernstlich in sie verliebt, aber bald<lb/> erkannten alle, daß er nur spiele. Der Anregung und Zerstreuung suchende<lb/> Fürst flatterte eben, seiner Natur nachgebend, gern von Blume zu Blume;<lb/> daher hieß es von ihm auf einer die Monarchen des Kongresses karikierender<lb/> Darstellung: „Er liebt für alle." Und, man muß es ihm lassen, er zeigte sich<lb/> als guter Gesellschafter, obgleich er schwer hörte und seine Konversation keines-<lb/> wegs für besonders geistvoll gelten konnte. Die Damen umschwärmten ihn<lb/> förmlich; solch ein halbasiatischer Purpurträger war doch ein gar zu interessantes<lb/> Phänomen und immer hochwillkomner in dem Kreise der Aristokratinnen, wo<lb/> er ganz westeuropäisch kultiviert um Pfänder spielte und zur Klavierbegleitung<lb/> meisterhaft zu pfeifen verstand. Ja dieser gekrönte Spielmann aus der<lb/> sarmatischen Welt übte schließlich eine ähnliche Anziehungskraft aus wie vor<lb/> Zeiten sein vagierender Kollege, der zauberkundige Rattenfänger von Hameln.<lb/> Auf tieferes musikalisches Verständnis seitens des Zaren dürfen wir freilich aus<lb/> dessen labialem Virtuosentum nicht schließen: seine Lieblingspolonaise, die der<lb/> Nachwelt erhalten ist, war ein außerordentlich triviales Machwerk. Aber aller¬<lb/> hand originelle Scherze trieb er mit den Damen; so wettete er eines Tages<lb/> mit der Gräfin Flora Wrbna, einer gefeierten Schönheit, wer sich schneller<lb/> umkleiden könne, ein Herr oder eine Dame, harmloserweise übrigens in ge¬<lb/> sonderten Gemächern, und war höflich genug — König Friedrich Wilhelm der<lb/> Dritte von Preußen figurierte als Schiedsrichter —, seine Partnerin gewinnen<lb/> zu lassen, der er dann als Siegespreis einen kostbaren Schal übersandte. Vor<lb/> allem war Alexander aber ein ebenso vorzüglicher wie unermüdlicher Tänzer.<lb/> Offiziell wurden bei den Kongreßfesten allerdings meist Polonaisen gegangen<lb/> — auf dem Hofbälle am 1. Februar 1815 wohlgezählte achtundvierzig I —,<lb/> aber der Zar beteiligte sich, wenn er es haben konnte, auch mit Vorliebe am<lb/> Walzer, und so leidenschaftlich, daß man wohl sagte, er leide an der<lb/> „aan8ouarie". Er war der geborene Nachtfalter, der beispielsweise auf einem<lb/> Balle bei der Fürstin Bagration erst um ^11 Uhr auftauchte, dann aber bis<lb/> 4 Uhr flott durchtanzte, bei solchen Gelegenheiten stets im einfachen Frack ohne<lb/> Orden. Nicht immer freilich zeigte sich Alexander als harmloser Kavalier; ab<lb/> und an liebte er es auch, den Don Juan zu spielen. Als Ende Oktober 1814<lb/> die Monarchen für ein paar Tage nach Ungarn gereist waren, verließ er einen<lb/> offiziellen Ball bei der Gräfin sartor, um auf irgendeiner Redoute die Nacht<lb/> durch mit der hübschen Tochter eines Apothekers zu tanzen, und ebenfalls in<lb/> Budapest war es, wo er der Gräfin Orcsy zuflüsterte, er bedaure, daß sich<lb/> die Gelegenheit nicht böte, ein belastetes Gewissen davonzutragen. Und auch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0163]
Bilder aus dem Liebesleb^n gekrönter Häupter
die Gräfin Esterhazy-Roisin I-l beautö 6tonnantö, die Gräfin Julie Zichy
la beautö eüleste, die Gräfin Saurma la bsautö an äiable und die Fürstin
Auersperg la beautö qui in8pire 8ente an vrai sentiment, womit natürlich
keineswegs gesagt sein soll, daß nicht noch andere Huldinnen wärmere Gefühle
in ihm wachgerufen hätten. Eine oder die andere von ihnen meinte wohl
gar, der „Friedensengel von der Newa" sei ernstlich in sie verliebt, aber bald
erkannten alle, daß er nur spiele. Der Anregung und Zerstreuung suchende
Fürst flatterte eben, seiner Natur nachgebend, gern von Blume zu Blume;
daher hieß es von ihm auf einer die Monarchen des Kongresses karikierender
Darstellung: „Er liebt für alle." Und, man muß es ihm lassen, er zeigte sich
als guter Gesellschafter, obgleich er schwer hörte und seine Konversation keines-
wegs für besonders geistvoll gelten konnte. Die Damen umschwärmten ihn
förmlich; solch ein halbasiatischer Purpurträger war doch ein gar zu interessantes
Phänomen und immer hochwillkomner in dem Kreise der Aristokratinnen, wo
er ganz westeuropäisch kultiviert um Pfänder spielte und zur Klavierbegleitung
meisterhaft zu pfeifen verstand. Ja dieser gekrönte Spielmann aus der
sarmatischen Welt übte schließlich eine ähnliche Anziehungskraft aus wie vor
Zeiten sein vagierender Kollege, der zauberkundige Rattenfänger von Hameln.
Auf tieferes musikalisches Verständnis seitens des Zaren dürfen wir freilich aus
dessen labialem Virtuosentum nicht schließen: seine Lieblingspolonaise, die der
Nachwelt erhalten ist, war ein außerordentlich triviales Machwerk. Aber aller¬
hand originelle Scherze trieb er mit den Damen; so wettete er eines Tages
mit der Gräfin Flora Wrbna, einer gefeierten Schönheit, wer sich schneller
umkleiden könne, ein Herr oder eine Dame, harmloserweise übrigens in ge¬
sonderten Gemächern, und war höflich genug — König Friedrich Wilhelm der
Dritte von Preußen figurierte als Schiedsrichter —, seine Partnerin gewinnen
zu lassen, der er dann als Siegespreis einen kostbaren Schal übersandte. Vor
allem war Alexander aber ein ebenso vorzüglicher wie unermüdlicher Tänzer.
Offiziell wurden bei den Kongreßfesten allerdings meist Polonaisen gegangen
— auf dem Hofbälle am 1. Februar 1815 wohlgezählte achtundvierzig I —,
aber der Zar beteiligte sich, wenn er es haben konnte, auch mit Vorliebe am
Walzer, und so leidenschaftlich, daß man wohl sagte, er leide an der
„aan8ouarie". Er war der geborene Nachtfalter, der beispielsweise auf einem
Balle bei der Fürstin Bagration erst um ^11 Uhr auftauchte, dann aber bis
4 Uhr flott durchtanzte, bei solchen Gelegenheiten stets im einfachen Frack ohne
Orden. Nicht immer freilich zeigte sich Alexander als harmloser Kavalier; ab
und an liebte er es auch, den Don Juan zu spielen. Als Ende Oktober 1814
die Monarchen für ein paar Tage nach Ungarn gereist waren, verließ er einen
offiziellen Ball bei der Gräfin sartor, um auf irgendeiner Redoute die Nacht
durch mit der hübschen Tochter eines Apothekers zu tanzen, und ebenfalls in
Budapest war es, wo er der Gräfin Orcsy zuflüsterte, er bedaure, daß sich
die Gelegenheit nicht böte, ein belastetes Gewissen davonzutragen. Und auch
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