Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.Holland -- Belgien--Deutschland Unter diesen Umständen würden wir also in keiner Hinsicht zu befürchten Es wird nun bei uns gesagt, daß eine Annexion Belgiens von Seiten Asquith einverstanden zu sein ausdrücklich bejahte. Es ist der ausgezeichnete Politiker
Dr. Baron van Vredenburch gewesen, der auf diese Holland wenig Gutes verheißenden Worte der maßgeblichsten Engländer wiederholt warnend hingewiesen hat. Am Ende könne, so schreibt der Genannte in "De Toekomst", die Lage des neutralen und Deutschlands Flanke deckenden ganzen Holland der englischen Regierung eines Tages ein "unnatürlicher Zustand" sein .... "sowohl vom geographischen wie auch vom militärischen Standpunkt angesehen", und die Natur der Dinge, wie England sie sehe, werde Wohl nicht eher als wiederhergestellt gelten, bis Holland in irgendeiner Form einen Teil ausmachen dürfe ok bis Uaje8tys Lmpiro . . . ." Hienach scheinen doch nicht alle Holländer dem Frieden Englands und Belgiens zu trauen. In der Tat bilden die belgischen Annexionsabsichten für den unangetastetsten Fort¬ bestand Hollands unseres Erachtens eine ernsthafte Gefahr. Die Sache Hollands wie die Sache Flanderns dürfte bei einer Besiegung Deutschlands verloren sein. Holland — Belgien—Deutschland Unter diesen Umständen würden wir also in keiner Hinsicht zu befürchten Es wird nun bei uns gesagt, daß eine Annexion Belgiens von Seiten Asquith einverstanden zu sein ausdrücklich bejahte. Es ist der ausgezeichnete Politiker
Dr. Baron van Vredenburch gewesen, der auf diese Holland wenig Gutes verheißenden Worte der maßgeblichsten Engländer wiederholt warnend hingewiesen hat. Am Ende könne, so schreibt der Genannte in „De Toekomst", die Lage des neutralen und Deutschlands Flanke deckenden ganzen Holland der englischen Regierung eines Tages ein „unnatürlicher Zustand" sein .... „sowohl vom geographischen wie auch vom militärischen Standpunkt angesehen", und die Natur der Dinge, wie England sie sehe, werde Wohl nicht eher als wiederhergestellt gelten, bis Holland in irgendeiner Form einen Teil ausmachen dürfe ok bis Uaje8tys Lmpiro . . . ." Hienach scheinen doch nicht alle Holländer dem Frieden Englands und Belgiens zu trauen. In der Tat bilden die belgischen Annexionsabsichten für den unangetastetsten Fort¬ bestand Hollands unseres Erachtens eine ernsthafte Gefahr. Die Sache Hollands wie die Sache Flanderns dürfte bei einer Besiegung Deutschlands verloren sein. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331482"/> <fw type="header" place="top"> Holland — Belgien—Deutschland</fw><lb/> <p xml:id="ID_208"> Unter diesen Umständen würden wir also in keiner Hinsicht zu befürchten<lb/> haben, ganz oder teilweise annektiert zu werden. Alle jene Äußerungen, die<lb/> sich auf eine zukünftige Annexion von Teilen der Niederlande entweder durch<lb/> Belgien oder durch die Entente beziehen, sind denn auch wohl nicht in der Ab¬<lb/> sicht getan, um uns klar zu machen,- daß wir darüber besorgt zu sein hätten:<lb/> vielmehr wollen jene Äußerungen erzieherisch wirken: sie wollen dazu beitragen,<lb/> daß wir als neutrale Zuschauer unsern gesunden Menschenverstand bewahren,<lb/> wenn beim kommenden Friedensschluß Belgien seine Unabhängigkeit ganz oder<lb/> teilweise aufgeben muß, und wenn dann Blätter wie „De Telegraaf",<lb/> „Algemeen Handelsblad", „Het Nieuws van den Dag" und „De Amster-<lb/> dammer" vor Gefahren zu warnen beginnen, die nur in ihrer Einbildung<lb/> vorhanden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_209" next="#ID_210"> Es wird nun bei uns gesagt, daß eine Annexion Belgiens von Seiten<lb/> Deutschlands notwendigerweise zu einer Annexion Hollands durch Deutschland<lb/> führen müsse. Die für diese These angeführten Gründe stehen indessen auf fehr<lb/> schwachen Füßen. So wenn behauptet wird, der Besitz von Antwerpen werde<lb/> für Deutschland keine Bedeutung haben, solange es nicht im Besitze der<lb/> Scheldemündungen sei, und Deutschland werde infolgedessen von selber dahin<lb/> gedrängt werden, sich eines Teiles der holländischen Provinz Zeeland zu be¬<lb/> mächtigen. Hiergegen ist in erster Linie zu bemerken, daß Antwerpen auf alle<lb/> Fälle schon als Handelshafen für Deutschland eine große Bedeutung haben<lb/> würde. Der Umstand, daß die Schelde durch Holland laufend ins Meer ein¬<lb/> mündet, erhöht viel eher den Wert Antwerpens als eines Handelshafens, als<lb/> daß es ihn mindert. Man könnte also höchstens mit gutem Grund behaupten,<lb/> daß Antwerpen bei den einmal bestehenden Grenzverhältnissen leine Bedeutung<lb/> als Kriegshafen für Deutschland besitzen würde. Allein auch gegen diese These<lb/> könnte man geltend machen, daß Deutschland aus Antwerpen ohne Besitz¬<lb/> ergreifung der Scheldemündung einen Kriegshafen machen könnte (wenn es das<lb/> wollte), indem es einen breiten und tiefen Kanal nach dem naheliegenden<lb/> Zeebrügge ziehen würde. Wenn Deutschland dies täte, würde sicherlich</p><lb/> <note xml:id="FID_13" prev="#FID_12" place="foot"> <p xml:id="ID_210" prev="#ID_209"> Asquith einverstanden zu sein ausdrücklich bejahte. Es ist der ausgezeichnete Politiker<lb/> Dr. Baron van Vredenburch gewesen, der auf diese Holland wenig Gutes verheißenden<lb/> Worte der maßgeblichsten Engländer wiederholt warnend hingewiesen hat. Am Ende könne,<lb/> so schreibt der Genannte in „De Toekomst", die Lage des neutralen und Deutschlands<lb/> Flanke deckenden ganzen Holland der englischen Regierung eines Tages ein „unnatürlicher<lb/> Zustand" sein .... „sowohl vom geographischen wie auch vom militärischen Standpunkt<lb/> angesehen", und die Natur der Dinge, wie England sie sehe, werde Wohl nicht eher als<lb/> wiederhergestellt gelten, bis Holland in irgendeiner Form einen Teil ausmachen dürfe ok<lb/> bis Uaje8tys Lmpiro . . . ."</p> <p xml:id="ID_211" next="#ID_212"> Hienach scheinen doch nicht alle Holländer dem Frieden Englands und Belgiens zu<lb/> trauen. In der Tat bilden die belgischen Annexionsabsichten für den unangetastetsten Fort¬<lb/> bestand Hollands unseres Erachtens eine ernsthafte Gefahr. Die Sache Hollands wie die<lb/> Sache Flanderns dürfte bei einer Besiegung Deutschlands verloren sein.</p> </note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
Holland — Belgien—Deutschland
Unter diesen Umständen würden wir also in keiner Hinsicht zu befürchten
haben, ganz oder teilweise annektiert zu werden. Alle jene Äußerungen, die
sich auf eine zukünftige Annexion von Teilen der Niederlande entweder durch
Belgien oder durch die Entente beziehen, sind denn auch wohl nicht in der Ab¬
sicht getan, um uns klar zu machen,- daß wir darüber besorgt zu sein hätten:
vielmehr wollen jene Äußerungen erzieherisch wirken: sie wollen dazu beitragen,
daß wir als neutrale Zuschauer unsern gesunden Menschenverstand bewahren,
wenn beim kommenden Friedensschluß Belgien seine Unabhängigkeit ganz oder
teilweise aufgeben muß, und wenn dann Blätter wie „De Telegraaf",
„Algemeen Handelsblad", „Het Nieuws van den Dag" und „De Amster-
dammer" vor Gefahren zu warnen beginnen, die nur in ihrer Einbildung
vorhanden sind.
Es wird nun bei uns gesagt, daß eine Annexion Belgiens von Seiten
Deutschlands notwendigerweise zu einer Annexion Hollands durch Deutschland
führen müsse. Die für diese These angeführten Gründe stehen indessen auf fehr
schwachen Füßen. So wenn behauptet wird, der Besitz von Antwerpen werde
für Deutschland keine Bedeutung haben, solange es nicht im Besitze der
Scheldemündungen sei, und Deutschland werde infolgedessen von selber dahin
gedrängt werden, sich eines Teiles der holländischen Provinz Zeeland zu be¬
mächtigen. Hiergegen ist in erster Linie zu bemerken, daß Antwerpen auf alle
Fälle schon als Handelshafen für Deutschland eine große Bedeutung haben
würde. Der Umstand, daß die Schelde durch Holland laufend ins Meer ein¬
mündet, erhöht viel eher den Wert Antwerpens als eines Handelshafens, als
daß es ihn mindert. Man könnte also höchstens mit gutem Grund behaupten,
daß Antwerpen bei den einmal bestehenden Grenzverhältnissen leine Bedeutung
als Kriegshafen für Deutschland besitzen würde. Allein auch gegen diese These
könnte man geltend machen, daß Deutschland aus Antwerpen ohne Besitz¬
ergreifung der Scheldemündung einen Kriegshafen machen könnte (wenn es das
wollte), indem es einen breiten und tiefen Kanal nach dem naheliegenden
Zeebrügge ziehen würde. Wenn Deutschland dies täte, würde sicherlich
Asquith einverstanden zu sein ausdrücklich bejahte. Es ist der ausgezeichnete Politiker
Dr. Baron van Vredenburch gewesen, der auf diese Holland wenig Gutes verheißenden
Worte der maßgeblichsten Engländer wiederholt warnend hingewiesen hat. Am Ende könne,
so schreibt der Genannte in „De Toekomst", die Lage des neutralen und Deutschlands
Flanke deckenden ganzen Holland der englischen Regierung eines Tages ein „unnatürlicher
Zustand" sein .... „sowohl vom geographischen wie auch vom militärischen Standpunkt
angesehen", und die Natur der Dinge, wie England sie sehe, werde Wohl nicht eher als
wiederhergestellt gelten, bis Holland in irgendeiner Form einen Teil ausmachen dürfe ok
bis Uaje8tys Lmpiro . . . ."
Hienach scheinen doch nicht alle Holländer dem Frieden Englands und Belgiens zu
trauen. In der Tat bilden die belgischen Annexionsabsichten für den unangetastetsten Fort¬
bestand Hollands unseres Erachtens eine ernsthafte Gefahr. Die Sache Hollands wie die
Sache Flanderns dürfte bei einer Besiegung Deutschlands verloren sein.
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