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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Die Deutsch-Russischen Handelsverträge

ist richtig, daß ihr Wert, ähnlich wie das für die mittelalterlichen deutsch-
russischen Handelsverträge gilt, mehr negativ war als positiv, daß sie weniger
die Förderung des Warenaustausches als die Unterlassung einer Hinderung des
Handelsverkehrs in Auge hatten.

Eine große Erweiterung des deutsch-russischen Handels tritt dann bei der
bedeutungsvollen Neugestaltung und Umbildung Rußlands unter der Allein¬
herrschaft Peters des Großen (1689 bis 1725) ein; sie läuft parallel dem Be¬
streben Peters, Rußland in Industrie und Gewerbe auch durch Hinzuziehung aus¬
ländischer Kräfte zu heben. Verträge werden geschlossen nicht nur mit Preußen,
sondern auch mit den Hansestädten, an Stelle von Archangelsk als Haupt¬
einfuhrhafen tritt jetzt 1703 Peters Neugründung Petersburg, dann durch den
Frieden von Nyftadt im Jahre 1721 Riga; zum nordrussischen Handel der
Deutschen kommt allmählich der südrussische hinzu.

Als Peter im Jahre 1696 seine Europareise antrat, traf er sich in Königs¬
berg mit Friedrich dem Dritten; dort wurde auch über einen Allianz¬
vertrag verhandelt und dieser am 22. Juni 1697 abgeschlossen. Er bewilligt
den Russen unter Bezahlung des "gebührenden Zolls" Reise und Handel in
Memel, Königsberg, Berlin und anderen Städten, ebenso Durchzug und Rück¬
reise nach und von anderen deutschen Gebieten. Andererseits gewährt er
den Preußen den Verkehr nach Archangelsk, Pskow, Nowgorod. Smolensk,
Moskau, Kiew und anderen Städten, ferner den Durchzug nach Astrachan,
Persien und China "nechst Erlegung der Verordneten Zölle und gebräuchlichen
Fracht und Kontribution".

Der preußisch-russische Offensiv- und Defensivvertrag gegen Schweden vom
Jahre 1709 spricht, im Gegensatz zu späteren derartigen preußisch-russischen Ver¬
trägen, über den Handel gar nicht.

Die alten Handelsverbindungen der Hansestädte mit Rußland fanden
ebenfalls unter Peter ihre vertragliche Erneuerung; vielfach bot die Stellung
der Städte zu Schweden, dem Feind Peters, diesem Anlaß zu mancherlei Klagen.

Hamburg, das seit Beginn des siebzehnten Jahrhunderts am russischen
Handel stärker beteiligt war und russische Residenten in seinen Mauern sah,
verpflichtete sich in der mit Fürst Menschikow am 11. Juni 1713 abgeschlossenen
Konvention zur Abstellung der russischen Klagen, Zahlung einer Summe von
200000 Reichstalern und erhielt dafür die Versicherung, daß alle russischen Be¬
schwerden völlig abgetan sein und bleiben sollten, sowie daß Hamburg alle
alten Handelsvorrechte in Rußland wiedererlangen, daß auch die Handelsfahrt
nach feindlichen Ländern (d. h. Schweden), soweit sie nicht mit Konterbande
geschehe, ohne Hindernisse zugelassen werden solle.

Auch gegenüber Lübeck ergaben sich sür Peter wegen Begünstigung der
Schweden und Belästigung der Russen in Lübeck "einige Diffikultäten". Sie
sind beseitigt in der ebenfalls von Menschikow abgeschlossenen Konvention vom
26. Juni 1713. Lübeck wurde gleichfalls die Handelsfreiheit zur See bestätigt.


Die Deutsch-Russischen Handelsverträge

ist richtig, daß ihr Wert, ähnlich wie das für die mittelalterlichen deutsch-
russischen Handelsverträge gilt, mehr negativ war als positiv, daß sie weniger
die Förderung des Warenaustausches als die Unterlassung einer Hinderung des
Handelsverkehrs in Auge hatten.

Eine große Erweiterung des deutsch-russischen Handels tritt dann bei der
bedeutungsvollen Neugestaltung und Umbildung Rußlands unter der Allein¬
herrschaft Peters des Großen (1689 bis 1725) ein; sie läuft parallel dem Be¬
streben Peters, Rußland in Industrie und Gewerbe auch durch Hinzuziehung aus¬
ländischer Kräfte zu heben. Verträge werden geschlossen nicht nur mit Preußen,
sondern auch mit den Hansestädten, an Stelle von Archangelsk als Haupt¬
einfuhrhafen tritt jetzt 1703 Peters Neugründung Petersburg, dann durch den
Frieden von Nyftadt im Jahre 1721 Riga; zum nordrussischen Handel der
Deutschen kommt allmählich der südrussische hinzu.

Als Peter im Jahre 1696 seine Europareise antrat, traf er sich in Königs¬
berg mit Friedrich dem Dritten; dort wurde auch über einen Allianz¬
vertrag verhandelt und dieser am 22. Juni 1697 abgeschlossen. Er bewilligt
den Russen unter Bezahlung des „gebührenden Zolls" Reise und Handel in
Memel, Königsberg, Berlin und anderen Städten, ebenso Durchzug und Rück¬
reise nach und von anderen deutschen Gebieten. Andererseits gewährt er
den Preußen den Verkehr nach Archangelsk, Pskow, Nowgorod. Smolensk,
Moskau, Kiew und anderen Städten, ferner den Durchzug nach Astrachan,
Persien und China „nechst Erlegung der Verordneten Zölle und gebräuchlichen
Fracht und Kontribution".

Der preußisch-russische Offensiv- und Defensivvertrag gegen Schweden vom
Jahre 1709 spricht, im Gegensatz zu späteren derartigen preußisch-russischen Ver¬
trägen, über den Handel gar nicht.

Die alten Handelsverbindungen der Hansestädte mit Rußland fanden
ebenfalls unter Peter ihre vertragliche Erneuerung; vielfach bot die Stellung
der Städte zu Schweden, dem Feind Peters, diesem Anlaß zu mancherlei Klagen.

Hamburg, das seit Beginn des siebzehnten Jahrhunderts am russischen
Handel stärker beteiligt war und russische Residenten in seinen Mauern sah,
verpflichtete sich in der mit Fürst Menschikow am 11. Juni 1713 abgeschlossenen
Konvention zur Abstellung der russischen Klagen, Zahlung einer Summe von
200000 Reichstalern und erhielt dafür die Versicherung, daß alle russischen Be¬
schwerden völlig abgetan sein und bleiben sollten, sowie daß Hamburg alle
alten Handelsvorrechte in Rußland wiedererlangen, daß auch die Handelsfahrt
nach feindlichen Ländern (d. h. Schweden), soweit sie nicht mit Konterbande
geschehe, ohne Hindernisse zugelassen werden solle.

Auch gegenüber Lübeck ergaben sich sür Peter wegen Begünstigung der
Schweden und Belästigung der Russen in Lübeck „einige Diffikultäten". Sie
sind beseitigt in der ebenfalls von Menschikow abgeschlossenen Konvention vom
26. Juni 1713. Lübeck wurde gleichfalls die Handelsfreiheit zur See bestätigt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/60>, abgerufen am 23.07.2024.