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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Sie Deutsch-Russischen Handelsverträge

210 Liter) Roggen zum Preis von je 1 Rubel überlassen und hoffe, dies in
Zukunft noch reicher bewilligen zu können. Wie weit dieser Handel ausgeführt
wurde, ist nicht bekannt. Jedenfalls begannen damit erneute Beziehungen
zwischen Brandenburg und Rußland, bei denen es sich freilich für Moskau be¬
zeichnenderweise zunächst um Bewilligung der richtigen Titel für die beiden
Fürsten handelte. Der Gegensatz beider Staaten gegen Schweden ließ dann
1656 den Zaren dem Großen Kurfürsten ein Offensiv- und Defensivbündnis
gegen Schweden vorschlagen; es kam am 22. September 1656 zu Stande. In
ähnlicher Weise wie der Bund von 1517 sichert auch dieser zweite Vertrag
Brandenburgs mit Rußland den Kaufleuten zu Wasser und zu Lande unge¬
hinderten Verkehr, daß "die commercien sollen von beyden seiten frey getrieben
und dieses in allem steiff undt unbeweglich von nun an biß in ewigkeit ge¬
halten werden". Die über die brandenburgisch-russischen Verhandlungen des
Jahres 1673, welche die polnische Frage betrafen, gemachten Aufzeichnungen
bieten nichts über den Handelsverkehr. Auch der Berliner Vertrag von 1687
über die wechselseitige Behandlung der Gesandten sagt nichts von den Reisen
der Kaufleute im fremden Land, die doch in früheren Verträgen und noch in
den von 1517 immer gemeinsam mit den Gesandten genannt werden.

Drei Verträge vom Januar-Februar 1689 bilden dann die Grundlage
für alle folgenden Handelsbeziehungen zwischen Brandenburg - Preußen und
Rußland. Kurfürst Friedrich Wilhelm der Dritte hatte 1686 seinen Geheimrat
Chaplitz nach Moskau zur Anzeige seiner Thronbesteigung wie zum Abschluß
eines Handelsvertrages geschickt; die Sendung hatte vollen Erfolg. Chaplitz
erlangte Erfüllung feines Begehrens, daß die brandenburgischen Kaufleute in
Rußland die gleichen Rechte wie die Konkurrenten der Deutschen, die Engländer
und Holländer, erhielten. Die Urkunden gestatten den beiderseitigen Untertanen
in beiden Reichen "zu handeln mit allerley freyheit undt ohne Vervortheilung,
vornemlich aber unter aller beschützung und verthäydigung". Die Erlaubnis,
nach Archangelsk zum Handel zu kommen, wurde im zweiten Vertrag speziell
auf die französischen reformierten Emigranten angewendet. Der dritte Vertrag
bewilligt den Untertanen des Kurfürsten Reise und Handel in Smolensk und
Pskow, unter gebührender Zollzahlung "gleich alß anderer Herrschafften auß-
länder, so in Außer Zaarischer Majestät Groß-Reußische Reiche ankommen undt
von langer Zeit hero ihren Handel treiben".

Daß auf dieser nun festen Grundlage für weitere Entwicklung des
preußisch-russischen Handels den Russen in Brandenburg-Preußen dieselben
Handelsrechte wie den Deutschen in Rußland zugeschrieben waren, hatte, wie die
ähnlichen Zusagen in den älteren Hanseverträgen, mehr den theoretischen Wert
der Anerkennung voller Gegenseitigkeit, als praktische Bedeutung für einen
wirklich vorhandenen russischen Außenhandel. Die Aktivität war im deutsch¬
russischen Handel von jeher auf deutscher Seite. Und auch die weitere Be¬
urteilung, die die deutsch-russischen Handelsverträge jener Zeit gefunden haben,


Sie Deutsch-Russischen Handelsverträge

210 Liter) Roggen zum Preis von je 1 Rubel überlassen und hoffe, dies in
Zukunft noch reicher bewilligen zu können. Wie weit dieser Handel ausgeführt
wurde, ist nicht bekannt. Jedenfalls begannen damit erneute Beziehungen
zwischen Brandenburg und Rußland, bei denen es sich freilich für Moskau be¬
zeichnenderweise zunächst um Bewilligung der richtigen Titel für die beiden
Fürsten handelte. Der Gegensatz beider Staaten gegen Schweden ließ dann
1656 den Zaren dem Großen Kurfürsten ein Offensiv- und Defensivbündnis
gegen Schweden vorschlagen; es kam am 22. September 1656 zu Stande. In
ähnlicher Weise wie der Bund von 1517 sichert auch dieser zweite Vertrag
Brandenburgs mit Rußland den Kaufleuten zu Wasser und zu Lande unge¬
hinderten Verkehr, daß „die commercien sollen von beyden seiten frey getrieben
und dieses in allem steiff undt unbeweglich von nun an biß in ewigkeit ge¬
halten werden". Die über die brandenburgisch-russischen Verhandlungen des
Jahres 1673, welche die polnische Frage betrafen, gemachten Aufzeichnungen
bieten nichts über den Handelsverkehr. Auch der Berliner Vertrag von 1687
über die wechselseitige Behandlung der Gesandten sagt nichts von den Reisen
der Kaufleute im fremden Land, die doch in früheren Verträgen und noch in
den von 1517 immer gemeinsam mit den Gesandten genannt werden.

Drei Verträge vom Januar-Februar 1689 bilden dann die Grundlage
für alle folgenden Handelsbeziehungen zwischen Brandenburg - Preußen und
Rußland. Kurfürst Friedrich Wilhelm der Dritte hatte 1686 seinen Geheimrat
Chaplitz nach Moskau zur Anzeige seiner Thronbesteigung wie zum Abschluß
eines Handelsvertrages geschickt; die Sendung hatte vollen Erfolg. Chaplitz
erlangte Erfüllung feines Begehrens, daß die brandenburgischen Kaufleute in
Rußland die gleichen Rechte wie die Konkurrenten der Deutschen, die Engländer
und Holländer, erhielten. Die Urkunden gestatten den beiderseitigen Untertanen
in beiden Reichen „zu handeln mit allerley freyheit undt ohne Vervortheilung,
vornemlich aber unter aller beschützung und verthäydigung". Die Erlaubnis,
nach Archangelsk zum Handel zu kommen, wurde im zweiten Vertrag speziell
auf die französischen reformierten Emigranten angewendet. Der dritte Vertrag
bewilligt den Untertanen des Kurfürsten Reise und Handel in Smolensk und
Pskow, unter gebührender Zollzahlung „gleich alß anderer Herrschafften auß-
länder, so in Außer Zaarischer Majestät Groß-Reußische Reiche ankommen undt
von langer Zeit hero ihren Handel treiben".

Daß auf dieser nun festen Grundlage für weitere Entwicklung des
preußisch-russischen Handels den Russen in Brandenburg-Preußen dieselben
Handelsrechte wie den Deutschen in Rußland zugeschrieben waren, hatte, wie die
ähnlichen Zusagen in den älteren Hanseverträgen, mehr den theoretischen Wert
der Anerkennung voller Gegenseitigkeit, als praktische Bedeutung für einen
wirklich vorhandenen russischen Außenhandel. Die Aktivität war im deutsch¬
russischen Handel von jeher auf deutscher Seite. Und auch die weitere Be¬
urteilung, die die deutsch-russischen Handelsverträge jener Zeit gefunden haben,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/59>, abgerufen am 23.07.2024.