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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Die Deutsch-Russischen Handelsverträge

nungen und ihrem Ankämpfen gegen die Tätigkeit der Fremden, ihres Kapitals,
ihres Handels in Rußland. Auch war die Gestaltung und der Abschluß von
Handelsverträgen manchmal mit verursacht durch die einseitig von einem Land
betriebene Zolltarifpolitik. Freilich behandeln die tatsächlich abgeschlossenen
Handelsverträge vorwiegend die äußeren Bedingungen und Formen, unter
denen sich der Handel vollziehen soll. Alle jene inneren Momente bei den
deutsch-russischen Handelsverträgen können hier, da es sich lediglich um eine
knappe Übersicht über ihre Entstehung und Reihenfolge handelt, eben nur
einleitungsweise kurz gestreift werden..

Die erste amtliche Handelsbeziehung zwischen Brandenburg-Preußen und
Rußland fällt in den Anfang des sechszehnten Jahrhunderts. Es war der
politische Gegensatz zu Polen, der 1516 den Markgraf und Hochmeister des
Deutschen Ordens, Albrecht, bewog, eine Anknüpfung mit Moskau zu suchen;
später, im siebzehnten Jahrhundert, kam die Verwandtschaft brandenburgischer
und russischer Interessen gegenüber Schweden im Kampf um die Ostsee als
Förderung der brandenburgisch-russischen Handelsbeziehungen hinzu. Der erste
Staatsvertrag zwischen Brandenburg und Rußland, vom 10. März 1517,
spricht nur ganz allgemein und kurz vom Handel, indem er den Kaufleuten
und den Gesandten Albrechts nach Moskau freie und ungehinderte Reise in der Art
zusichert, wie es auch in früheren Beifrieden und Frieden zwischen dem
Deutschen Orden und den Fürsten Rußlands geschehen war. Weiter besitzen
wir aus dem sechszehnten und der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts
keine Urkunden über politische und Handelsverträge zwischen Brandenburg und
Rußland. In diese Zeit fallen, wie schon erwähnt, noch einige der Hanse
oder einzelnen deutschen Kaufleuten ausgestellte Handelsprivilegien in Rußland.
Zu den schon angeführten kann noch der Vertrag des Jahres 1634 hinzugefügt
werden, der einer holsteinischen Kaufmannsgesellschaft das Recht des Transit¬
handels (mit Bernstein) durch das Moskaner Gebiet nach Persien und Indien
verlieh.

Erst aus dem Jahre 1650 haben wir wieder Nachrichten über staatliche
Handelsbeziehungen zwischen Brandenburg und Rußland. Der Große Kurfürst,
Friedrich Wilhelm, schickte 1649 seinen Gesandten Heinrich Reiff an den Zaren
Alexej Michailowitsch, um nach den Nöten des Dreißigjährigen Krieges die Er¬
laubnis zur Ausfuhr russischen Getreides zu erwirken. Unter der in Moskau
besonders üblichen Überreichung reicher Geschenke, zumal von Bernstein, sowie
von drei Hengsten, "so den Kopf hübsch tragen, auch sich zierlich und wohl
zäumen," brachte Reiff das Gesuch vor. Alexej möge den Verkauf von Getreide
an den Großen Kurfürsten gestatten, oder aus seinen Kornmagazinen in
Archangelsk auf vier oder sechs Jahre jährlich 2000 Lasten billig überlassen.
Alexej erklärte 1650, dies wegen ähnlicher Forderungen und Verkäufe an Däne¬
mark, Schweden und Holland nicht bewilligen zu können. Aber zum Zeichen
der Freundschaft wolle er dem Großen Kurfürsten 5000 Tschetwert (heute gleich


Die Deutsch-Russischen Handelsverträge

nungen und ihrem Ankämpfen gegen die Tätigkeit der Fremden, ihres Kapitals,
ihres Handels in Rußland. Auch war die Gestaltung und der Abschluß von
Handelsverträgen manchmal mit verursacht durch die einseitig von einem Land
betriebene Zolltarifpolitik. Freilich behandeln die tatsächlich abgeschlossenen
Handelsverträge vorwiegend die äußeren Bedingungen und Formen, unter
denen sich der Handel vollziehen soll. Alle jene inneren Momente bei den
deutsch-russischen Handelsverträgen können hier, da es sich lediglich um eine
knappe Übersicht über ihre Entstehung und Reihenfolge handelt, eben nur
einleitungsweise kurz gestreift werden..

Die erste amtliche Handelsbeziehung zwischen Brandenburg-Preußen und
Rußland fällt in den Anfang des sechszehnten Jahrhunderts. Es war der
politische Gegensatz zu Polen, der 1516 den Markgraf und Hochmeister des
Deutschen Ordens, Albrecht, bewog, eine Anknüpfung mit Moskau zu suchen;
später, im siebzehnten Jahrhundert, kam die Verwandtschaft brandenburgischer
und russischer Interessen gegenüber Schweden im Kampf um die Ostsee als
Förderung der brandenburgisch-russischen Handelsbeziehungen hinzu. Der erste
Staatsvertrag zwischen Brandenburg und Rußland, vom 10. März 1517,
spricht nur ganz allgemein und kurz vom Handel, indem er den Kaufleuten
und den Gesandten Albrechts nach Moskau freie und ungehinderte Reise in der Art
zusichert, wie es auch in früheren Beifrieden und Frieden zwischen dem
Deutschen Orden und den Fürsten Rußlands geschehen war. Weiter besitzen
wir aus dem sechszehnten und der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts
keine Urkunden über politische und Handelsverträge zwischen Brandenburg und
Rußland. In diese Zeit fallen, wie schon erwähnt, noch einige der Hanse
oder einzelnen deutschen Kaufleuten ausgestellte Handelsprivilegien in Rußland.
Zu den schon angeführten kann noch der Vertrag des Jahres 1634 hinzugefügt
werden, der einer holsteinischen Kaufmannsgesellschaft das Recht des Transit¬
handels (mit Bernstein) durch das Moskaner Gebiet nach Persien und Indien
verlieh.

Erst aus dem Jahre 1650 haben wir wieder Nachrichten über staatliche
Handelsbeziehungen zwischen Brandenburg und Rußland. Der Große Kurfürst,
Friedrich Wilhelm, schickte 1649 seinen Gesandten Heinrich Reiff an den Zaren
Alexej Michailowitsch, um nach den Nöten des Dreißigjährigen Krieges die Er¬
laubnis zur Ausfuhr russischen Getreides zu erwirken. Unter der in Moskau
besonders üblichen Überreichung reicher Geschenke, zumal von Bernstein, sowie
von drei Hengsten, „so den Kopf hübsch tragen, auch sich zierlich und wohl
zäumen," brachte Reiff das Gesuch vor. Alexej möge den Verkauf von Getreide
an den Großen Kurfürsten gestatten, oder aus seinen Kornmagazinen in
Archangelsk auf vier oder sechs Jahre jährlich 2000 Lasten billig überlassen.
Alexej erklärte 1650, dies wegen ähnlicher Forderungen und Verkäufe an Däne¬
mark, Schweden und Holland nicht bewilligen zu können. Aber zum Zeichen
der Freundschaft wolle er dem Großen Kurfürsten 5000 Tschetwert (heute gleich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/58>, abgerufen am 23.07.2024.