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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Neue Ziele, neue Wege

standsfähigkeit in diesem Weltkriege gezeigt hat, daß wir innerpolitisch im
Kerne gesund sind und voraussichtlich nicht imstande wären, die gegenwärtige
Widerstandsfähigkeit zu bekunden, wenn wir uns tatsächlich innerpolitisch durch
die Tat zu den politischen Idealen unserer Feinde bekannt hätten, die sie jetzt
ihrer Niederlage entgegenführen. Denn nachahmen sollte man doch nur das,
was sich bewährt, nicht aber, was sich so überzeugend als verkehrt und mangel¬
haft herausgestellt hat, wie der innerpolitische Ausbau unserer Feinde. Es ist
schwer verständlich, daß dieser naheliegende Gedanke in den Parlamentsver¬
handlungen der zweieinhalb Jahre Kriegszeit, die hinter uns liegen, nicht öfter
und schärfer zum Ausdruck gekommen ist, und daß stattdessen immer
wieder der Gedanke geäußert werden konnte, die zutage getretene Feindschaft
der Welt durch ein Entgegenkommen gegen unsere Feinde in innerpolitischer
Hinsicht zu besänftigen, obwohl die Bekämpfung des Teufels durch freundliches
Entgegenkommen sich bisher in der Welt nur wenig bewährt hat. Wenn uns
der Krieg auf innerpolitischem Gebiete etwas klar gezeigt hat. so ist es die
Überlegenheit der deutschen Methode, und diese Erkenntnis sollte uns nicht
wieder verloren gehen und auch bezüglich der Frage der Neuorientierung immer
an erster Stelle stehen. Ansätze in dieser Hinsicht sind auch erfreulicherweise
bereits vorhanden, so bei den Sozialdemokraten z. B. in den Büchern von
Lensch und Hänisch, die in ehrlicher, nicht genug anzuerkennender Begeisterung
mit einer ganzen Reihe von alten Vorurteilen über Deutschland und Preußen
gebrochen haben und ebenso auch auf der anderen Seite, wo man den Leistungen
der organisierten Demokratie, die sich in diesem Kriege so glänzend bewährt
hat, ebenfalls gerecht geworden ist und freudig anerkennt, daß die früher als
staatsfeindlich und staatszersetzend bekämpfte Sozialdemokratie sich große Ver¬
dienste um die Hebung des Arbeiterstandes und um das Durchhalten im jetzigen Kriege
erworben hat. Hier ist der Punkt, wo die sogenannte Neuorientierung einsetzen sollte;
nicht die urteilslose Nachahmung der entarteten und abgewirtschafteten westlichen De¬
mokratie mit ihren Exporten nach Rußland muß unser Ziel sein, sondern die Vereini¬
gung der bewährten überlieferten reichsdeutschen und bundesstaatlichen Methoden, in
erster Linie auch der viel angefeindeten preußischen Methoden, die ihre Goldechtheit
in dem Läuterungsfeuer des Weltkrieges klar bewiesen haben, mit den
Methoden der Organisationen der deutschen Demokratie, die im Gegensatz
zu der rein negativen westlichen Demokratie durchaus positiv geartet ist, zu
einer höheren harmonischen Einheit in der Weise, daß sie in Zukunft nicht
mehr gegeneinander, sondern miteinander zu arbeiten berufen sind. Denn
wenn auch jeder staatliche Fortschritt nur aus dem Kampfe der widerstreitenden
Meinungen im Innern erwachsen kann, so liegt doch auf der Hand, daß ein
jedes Staatswesen dann auf der höchsten Höhe steht und die größte Kraft
nach innen und außen entfalten kann, wenn der Kampf der Meinungen als
solcher auf ein Mindestmaß zurückgeführt ist und durch ein gemeinsames Zu¬
sammenarbeiten nach den gleichen Zielen ersetzt worden ist.


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Neue Ziele, neue Wege

standsfähigkeit in diesem Weltkriege gezeigt hat, daß wir innerpolitisch im
Kerne gesund sind und voraussichtlich nicht imstande wären, die gegenwärtige
Widerstandsfähigkeit zu bekunden, wenn wir uns tatsächlich innerpolitisch durch
die Tat zu den politischen Idealen unserer Feinde bekannt hätten, die sie jetzt
ihrer Niederlage entgegenführen. Denn nachahmen sollte man doch nur das,
was sich bewährt, nicht aber, was sich so überzeugend als verkehrt und mangel¬
haft herausgestellt hat, wie der innerpolitische Ausbau unserer Feinde. Es ist
schwer verständlich, daß dieser naheliegende Gedanke in den Parlamentsver¬
handlungen der zweieinhalb Jahre Kriegszeit, die hinter uns liegen, nicht öfter
und schärfer zum Ausdruck gekommen ist, und daß stattdessen immer
wieder der Gedanke geäußert werden konnte, die zutage getretene Feindschaft
der Welt durch ein Entgegenkommen gegen unsere Feinde in innerpolitischer
Hinsicht zu besänftigen, obwohl die Bekämpfung des Teufels durch freundliches
Entgegenkommen sich bisher in der Welt nur wenig bewährt hat. Wenn uns
der Krieg auf innerpolitischem Gebiete etwas klar gezeigt hat. so ist es die
Überlegenheit der deutschen Methode, und diese Erkenntnis sollte uns nicht
wieder verloren gehen und auch bezüglich der Frage der Neuorientierung immer
an erster Stelle stehen. Ansätze in dieser Hinsicht sind auch erfreulicherweise
bereits vorhanden, so bei den Sozialdemokraten z. B. in den Büchern von
Lensch und Hänisch, die in ehrlicher, nicht genug anzuerkennender Begeisterung
mit einer ganzen Reihe von alten Vorurteilen über Deutschland und Preußen
gebrochen haben und ebenso auch auf der anderen Seite, wo man den Leistungen
der organisierten Demokratie, die sich in diesem Kriege so glänzend bewährt
hat, ebenfalls gerecht geworden ist und freudig anerkennt, daß die früher als
staatsfeindlich und staatszersetzend bekämpfte Sozialdemokratie sich große Ver¬
dienste um die Hebung des Arbeiterstandes und um das Durchhalten im jetzigen Kriege
erworben hat. Hier ist der Punkt, wo die sogenannte Neuorientierung einsetzen sollte;
nicht die urteilslose Nachahmung der entarteten und abgewirtschafteten westlichen De¬
mokratie mit ihren Exporten nach Rußland muß unser Ziel sein, sondern die Vereini¬
gung der bewährten überlieferten reichsdeutschen und bundesstaatlichen Methoden, in
erster Linie auch der viel angefeindeten preußischen Methoden, die ihre Goldechtheit
in dem Läuterungsfeuer des Weltkrieges klar bewiesen haben, mit den
Methoden der Organisationen der deutschen Demokratie, die im Gegensatz
zu der rein negativen westlichen Demokratie durchaus positiv geartet ist, zu
einer höheren harmonischen Einheit in der Weise, daß sie in Zukunft nicht
mehr gegeneinander, sondern miteinander zu arbeiten berufen sind. Denn
wenn auch jeder staatliche Fortschritt nur aus dem Kampfe der widerstreitenden
Meinungen im Innern erwachsen kann, so liegt doch auf der Hand, daß ein
jedes Staatswesen dann auf der höchsten Höhe steht und die größte Kraft
nach innen und außen entfalten kann, wenn der Kampf der Meinungen als
solcher auf ein Mindestmaß zurückgeführt ist und durch ein gemeinsames Zu¬
sammenarbeiten nach den gleichen Zielen ersetzt worden ist.


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[0399] Neue Ziele, neue Wege standsfähigkeit in diesem Weltkriege gezeigt hat, daß wir innerpolitisch im Kerne gesund sind und voraussichtlich nicht imstande wären, die gegenwärtige Widerstandsfähigkeit zu bekunden, wenn wir uns tatsächlich innerpolitisch durch die Tat zu den politischen Idealen unserer Feinde bekannt hätten, die sie jetzt ihrer Niederlage entgegenführen. Denn nachahmen sollte man doch nur das, was sich bewährt, nicht aber, was sich so überzeugend als verkehrt und mangel¬ haft herausgestellt hat, wie der innerpolitische Ausbau unserer Feinde. Es ist schwer verständlich, daß dieser naheliegende Gedanke in den Parlamentsver¬ handlungen der zweieinhalb Jahre Kriegszeit, die hinter uns liegen, nicht öfter und schärfer zum Ausdruck gekommen ist, und daß stattdessen immer wieder der Gedanke geäußert werden konnte, die zutage getretene Feindschaft der Welt durch ein Entgegenkommen gegen unsere Feinde in innerpolitischer Hinsicht zu besänftigen, obwohl die Bekämpfung des Teufels durch freundliches Entgegenkommen sich bisher in der Welt nur wenig bewährt hat. Wenn uns der Krieg auf innerpolitischem Gebiete etwas klar gezeigt hat. so ist es die Überlegenheit der deutschen Methode, und diese Erkenntnis sollte uns nicht wieder verloren gehen und auch bezüglich der Frage der Neuorientierung immer an erster Stelle stehen. Ansätze in dieser Hinsicht sind auch erfreulicherweise bereits vorhanden, so bei den Sozialdemokraten z. B. in den Büchern von Lensch und Hänisch, die in ehrlicher, nicht genug anzuerkennender Begeisterung mit einer ganzen Reihe von alten Vorurteilen über Deutschland und Preußen gebrochen haben und ebenso auch auf der anderen Seite, wo man den Leistungen der organisierten Demokratie, die sich in diesem Kriege so glänzend bewährt hat, ebenfalls gerecht geworden ist und freudig anerkennt, daß die früher als staatsfeindlich und staatszersetzend bekämpfte Sozialdemokratie sich große Ver¬ dienste um die Hebung des Arbeiterstandes und um das Durchhalten im jetzigen Kriege erworben hat. Hier ist der Punkt, wo die sogenannte Neuorientierung einsetzen sollte; nicht die urteilslose Nachahmung der entarteten und abgewirtschafteten westlichen De¬ mokratie mit ihren Exporten nach Rußland muß unser Ziel sein, sondern die Vereini¬ gung der bewährten überlieferten reichsdeutschen und bundesstaatlichen Methoden, in erster Linie auch der viel angefeindeten preußischen Methoden, die ihre Goldechtheit in dem Läuterungsfeuer des Weltkrieges klar bewiesen haben, mit den Methoden der Organisationen der deutschen Demokratie, die im Gegensatz zu der rein negativen westlichen Demokratie durchaus positiv geartet ist, zu einer höheren harmonischen Einheit in der Weise, daß sie in Zukunft nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander zu arbeiten berufen sind. Denn wenn auch jeder staatliche Fortschritt nur aus dem Kampfe der widerstreitenden Meinungen im Innern erwachsen kann, so liegt doch auf der Hand, daß ein jedes Staatswesen dann auf der höchsten Höhe steht und die größte Kraft nach innen und außen entfalten kann, wenn der Kampf der Meinungen als solcher auf ein Mindestmaß zurückgeführt ist und durch ein gemeinsames Zu¬ sammenarbeiten nach den gleichen Zielen ersetzt worden ist. W»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/399>, abgerufen am 23.07.2024.