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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Das Vermächtnis Brucks

vor dem Kriege hatten. Vor allem aber müssen wir gegen den deutschfeind¬
lichen Liberalismus in Rom und Mailand den b.isher im Schmollwinkel ver¬
harrenden italienischen Katholizismus mobilisieren. Voraussetzung dafür ist die
Versöhnung des heiligen Stuhls mit dem Königreiche Italien. Die Wieder¬
herstellung des Kirchenstaates könnte uns ganz recht sein, wenn sie möglich wäre.
Da man sich diese Möglichkeit aber nicht vorstellen kann, und die römische Kirche
auch selber sehr genau weiß, daß sie durch den Verlust des weltlichen Patrimoniums
gewiß nicht an Macht eingebüßt hat, so wird sich ihre Versöhnung auch ohne
Zerschlagung der italienischen Einheit erreichen lassen.

Das jetzige italienische Garantiegesetz hat vollkommen versagt. Die Klage
des Papstes über seine Gefangenschaft im Vatikan war nicht unberechtigt. Es
hat sich gezeigt, wie es mit der Freiheit seines diplomatischen Verkehrs mit den
Gegnern Italiens bestellt ist. Die Behandlung des Oberhauptes der rö¬
mischen Kirche darf in Zukunft lerne italienische Angelegenheit mehr sein. Wir
müssen durchsetzen, daß der heilige Stuhl unter internationale Garantie gestellt
wird. Es ist zu hoffen, daß die Kirche dann zu Gegendiensten bereit sein und
den Katholiken die Teilnahme an der inneren Politik Italiens gestatten wird
Hat in Rom erst einmal der dem Engländer- und Franzosentum mit Haut und
Haaren verschriebene Garibaldiliberalismus abgewirtschaftet, dann wird es auch
möglich sein, die politische Kultur Italiens nicht bloß innerhalb des Katholizis¬
mus stärker mit dem deutschen politischen und geistigen Leben zu verbinden.

Uns Deutsche erwarten nach dem Kriege riesengroße politische Qrganisa-
tionsaufgaben in und außer unserem Vaterlande. Wir brauchen zu ihrer Lö¬
sung klare Gedanken und ein großes Herz. Möchte sich beides aus dem Ver¬
mächtnis der großen Staatsmäner unsrer Vergangenheit auf uns vererben!




Das Vermächtnis Brucks

vor dem Kriege hatten. Vor allem aber müssen wir gegen den deutschfeind¬
lichen Liberalismus in Rom und Mailand den b.isher im Schmollwinkel ver¬
harrenden italienischen Katholizismus mobilisieren. Voraussetzung dafür ist die
Versöhnung des heiligen Stuhls mit dem Königreiche Italien. Die Wieder¬
herstellung des Kirchenstaates könnte uns ganz recht sein, wenn sie möglich wäre.
Da man sich diese Möglichkeit aber nicht vorstellen kann, und die römische Kirche
auch selber sehr genau weiß, daß sie durch den Verlust des weltlichen Patrimoniums
gewiß nicht an Macht eingebüßt hat, so wird sich ihre Versöhnung auch ohne
Zerschlagung der italienischen Einheit erreichen lassen.

Das jetzige italienische Garantiegesetz hat vollkommen versagt. Die Klage
des Papstes über seine Gefangenschaft im Vatikan war nicht unberechtigt. Es
hat sich gezeigt, wie es mit der Freiheit seines diplomatischen Verkehrs mit den
Gegnern Italiens bestellt ist. Die Behandlung des Oberhauptes der rö¬
mischen Kirche darf in Zukunft lerne italienische Angelegenheit mehr sein. Wir
müssen durchsetzen, daß der heilige Stuhl unter internationale Garantie gestellt
wird. Es ist zu hoffen, daß die Kirche dann zu Gegendiensten bereit sein und
den Katholiken die Teilnahme an der inneren Politik Italiens gestatten wird
Hat in Rom erst einmal der dem Engländer- und Franzosentum mit Haut und
Haaren verschriebene Garibaldiliberalismus abgewirtschaftet, dann wird es auch
möglich sein, die politische Kultur Italiens nicht bloß innerhalb des Katholizis¬
mus stärker mit dem deutschen politischen und geistigen Leben zu verbinden.

Uns Deutsche erwarten nach dem Kriege riesengroße politische Qrganisa-
tionsaufgaben in und außer unserem Vaterlande. Wir brauchen zu ihrer Lö¬
sung klare Gedanken und ein großes Herz. Möchte sich beides aus dem Ver¬
mächtnis der großen Staatsmäner unsrer Vergangenheit auf uns vererben!




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[0391] Das Vermächtnis Brucks vor dem Kriege hatten. Vor allem aber müssen wir gegen den deutschfeind¬ lichen Liberalismus in Rom und Mailand den b.isher im Schmollwinkel ver¬ harrenden italienischen Katholizismus mobilisieren. Voraussetzung dafür ist die Versöhnung des heiligen Stuhls mit dem Königreiche Italien. Die Wieder¬ herstellung des Kirchenstaates könnte uns ganz recht sein, wenn sie möglich wäre. Da man sich diese Möglichkeit aber nicht vorstellen kann, und die römische Kirche auch selber sehr genau weiß, daß sie durch den Verlust des weltlichen Patrimoniums gewiß nicht an Macht eingebüßt hat, so wird sich ihre Versöhnung auch ohne Zerschlagung der italienischen Einheit erreichen lassen. Das jetzige italienische Garantiegesetz hat vollkommen versagt. Die Klage des Papstes über seine Gefangenschaft im Vatikan war nicht unberechtigt. Es hat sich gezeigt, wie es mit der Freiheit seines diplomatischen Verkehrs mit den Gegnern Italiens bestellt ist. Die Behandlung des Oberhauptes der rö¬ mischen Kirche darf in Zukunft lerne italienische Angelegenheit mehr sein. Wir müssen durchsetzen, daß der heilige Stuhl unter internationale Garantie gestellt wird. Es ist zu hoffen, daß die Kirche dann zu Gegendiensten bereit sein und den Katholiken die Teilnahme an der inneren Politik Italiens gestatten wird Hat in Rom erst einmal der dem Engländer- und Franzosentum mit Haut und Haaren verschriebene Garibaldiliberalismus abgewirtschaftet, dann wird es auch möglich sein, die politische Kultur Italiens nicht bloß innerhalb des Katholizis¬ mus stärker mit dem deutschen politischen und geistigen Leben zu verbinden. Uns Deutsche erwarten nach dem Kriege riesengroße politische Qrganisa- tionsaufgaben in und außer unserem Vaterlande. Wir brauchen zu ihrer Lö¬ sung klare Gedanken und ein großes Herz. Möchte sich beides aus dem Ver¬ mächtnis der großen Staatsmäner unsrer Vergangenheit auf uns vererben!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/391>, abgerufen am 25.08.2024.