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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Englischer Postraub

Es ist bezeichnend, daß dieser Antrag allgemeine Zustimmung fand. Eng¬
land machte nur geltend, daß die Unverletzlichkeit der Briefpostsendungen keines¬
wegs auch die Unverletzlichkeit der Postdampfer als solcher bedeute und Rußland
erklärte sich dagegen, daß auch die auf feindlichen Schiffen beförderte Briefpost
unverletzlich sein sollte. Schließlich wurde der deutsche Antrag mit einigen
redaktionellen Änderungen, die nicht wesentlich sind, angenommen. Darnach
bezieht sich der Schutz ganz allgemein auf die Briefpost, nicht dagegen auch auf
die Paketpost. Die letztere unterliegt nach wie vor der Untersuchung und Weg¬
nahme, falls sie Bannware enthält. Mit diesem Abkommen glaubte man einen
bedeutenden Fortschritt im Interesse des Verkehrs erzielt zu haben. Nach der
Haltung der Mächte auf der Haager Konferenz durfte man wirklich erwarten, daß
die Kriegführenden künftig die Briefpost im Seekriege nicht mehr antasten
würden.

Darin hat man sich gründlich geirrt. Der gegenwärtige Krieg hat uns in
diesem Punkte weit zurückgeworfen. Allerdings will die englische Presse jetzt er¬
kannt haben, daß die ganzen Haager Abmachungen von Deutschland veranlaßt
worden sind, um die britische Vorherrschaft auf See gründlich zu brechen; die
britischen Delegierten hätten das nicht durchschaut, sondern wären ahnungslos
in die Falle gegangen. Früher hat man freilich von derselben Seite Deutsch¬
land nicht genug schelten können, weil es nicht auf alle Vorschläge unserer
jetzigen Gegner auf den Friedenskonferenzen eingegangen sei und sich dort
überhaupt sehr zurückhaltend verhalten habe. Jedenfalls ist die Tatsache nicht
aus der Welt zu schaffen, daß die britische Regierung das Abkommen über
den Schutz der Briefpostsendungeu nicht nur im Haag angenommen, sondern
auch nachher formell genehmigt hat.

Die Rechtfertigung, die unsere Gegner ihrem jetzigen mit dem Haager Ab¬
kommen im schärfsten Widerspruch stehenden Verhalten zu geben versuchen, be¬
steht nur aus Wortklaubereien. In erster Linie muß auch hier die sogenannte
Allbeteiligungsklausel herhalten, nach der das Abkommen nur gelten soll
zwischen Vertragsparteien und wenn alle Kriegführende Vertragsparteien sind.
Nun haben die Balkanstaaten dieses wie die anderen Abkommen der zweiten
H'aager Konferenz nicht genehmigt, und Rußland hat seine Genehmigung aus
dem oben mitgeteilten Grunde versagt; es hat sich aber vollkommen damit
einverstanden erklärt, daß die aus neutralen Schiffen beförderte Briefpost un¬
verletzlich sein soll. Über diese Klausel, die nach ihrem Wortlaute die Geltung
aller Haager Abkommen für den gegenwärtigen Krieg ausschalten müßte, ist
in den letzten zwei Jahren schon soviel geredet und geschrieben worden, daß
man wohl als die allgemeine Ansicht der kriegführenden Regierungen wie der
Völkerrechtssachverständigen feststellen darf, daß diese Klausel nicht wörtlich zu
nehmen ist. Vor allem aber haben auch England und Frankreich in einem
Memorandum vom 15. Februar 1916 sich ausdrücklich an dieses Haager Ab¬
kommen gebunden erklärt.


Englischer Postraub

Es ist bezeichnend, daß dieser Antrag allgemeine Zustimmung fand. Eng¬
land machte nur geltend, daß die Unverletzlichkeit der Briefpostsendungen keines¬
wegs auch die Unverletzlichkeit der Postdampfer als solcher bedeute und Rußland
erklärte sich dagegen, daß auch die auf feindlichen Schiffen beförderte Briefpost
unverletzlich sein sollte. Schließlich wurde der deutsche Antrag mit einigen
redaktionellen Änderungen, die nicht wesentlich sind, angenommen. Darnach
bezieht sich der Schutz ganz allgemein auf die Briefpost, nicht dagegen auch auf
die Paketpost. Die letztere unterliegt nach wie vor der Untersuchung und Weg¬
nahme, falls sie Bannware enthält. Mit diesem Abkommen glaubte man einen
bedeutenden Fortschritt im Interesse des Verkehrs erzielt zu haben. Nach der
Haltung der Mächte auf der Haager Konferenz durfte man wirklich erwarten, daß
die Kriegführenden künftig die Briefpost im Seekriege nicht mehr antasten
würden.

Darin hat man sich gründlich geirrt. Der gegenwärtige Krieg hat uns in
diesem Punkte weit zurückgeworfen. Allerdings will die englische Presse jetzt er¬
kannt haben, daß die ganzen Haager Abmachungen von Deutschland veranlaßt
worden sind, um die britische Vorherrschaft auf See gründlich zu brechen; die
britischen Delegierten hätten das nicht durchschaut, sondern wären ahnungslos
in die Falle gegangen. Früher hat man freilich von derselben Seite Deutsch¬
land nicht genug schelten können, weil es nicht auf alle Vorschläge unserer
jetzigen Gegner auf den Friedenskonferenzen eingegangen sei und sich dort
überhaupt sehr zurückhaltend verhalten habe. Jedenfalls ist die Tatsache nicht
aus der Welt zu schaffen, daß die britische Regierung das Abkommen über
den Schutz der Briefpostsendungeu nicht nur im Haag angenommen, sondern
auch nachher formell genehmigt hat.

Die Rechtfertigung, die unsere Gegner ihrem jetzigen mit dem Haager Ab¬
kommen im schärfsten Widerspruch stehenden Verhalten zu geben versuchen, be¬
steht nur aus Wortklaubereien. In erster Linie muß auch hier die sogenannte
Allbeteiligungsklausel herhalten, nach der das Abkommen nur gelten soll
zwischen Vertragsparteien und wenn alle Kriegführende Vertragsparteien sind.
Nun haben die Balkanstaaten dieses wie die anderen Abkommen der zweiten
H'aager Konferenz nicht genehmigt, und Rußland hat seine Genehmigung aus
dem oben mitgeteilten Grunde versagt; es hat sich aber vollkommen damit
einverstanden erklärt, daß die aus neutralen Schiffen beförderte Briefpost un¬
verletzlich sein soll. Über diese Klausel, die nach ihrem Wortlaute die Geltung
aller Haager Abkommen für den gegenwärtigen Krieg ausschalten müßte, ist
in den letzten zwei Jahren schon soviel geredet und geschrieben worden, daß
man wohl als die allgemeine Ansicht der kriegführenden Regierungen wie der
Völkerrechtssachverständigen feststellen darf, daß diese Klausel nicht wörtlich zu
nehmen ist. Vor allem aber haben auch England und Frankreich in einem
Memorandum vom 15. Februar 1916 sich ausdrücklich an dieses Haager Ab¬
kommen gebunden erklärt.


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[0039] Englischer Postraub Es ist bezeichnend, daß dieser Antrag allgemeine Zustimmung fand. Eng¬ land machte nur geltend, daß die Unverletzlichkeit der Briefpostsendungen keines¬ wegs auch die Unverletzlichkeit der Postdampfer als solcher bedeute und Rußland erklärte sich dagegen, daß auch die auf feindlichen Schiffen beförderte Briefpost unverletzlich sein sollte. Schließlich wurde der deutsche Antrag mit einigen redaktionellen Änderungen, die nicht wesentlich sind, angenommen. Darnach bezieht sich der Schutz ganz allgemein auf die Briefpost, nicht dagegen auch auf die Paketpost. Die letztere unterliegt nach wie vor der Untersuchung und Weg¬ nahme, falls sie Bannware enthält. Mit diesem Abkommen glaubte man einen bedeutenden Fortschritt im Interesse des Verkehrs erzielt zu haben. Nach der Haltung der Mächte auf der Haager Konferenz durfte man wirklich erwarten, daß die Kriegführenden künftig die Briefpost im Seekriege nicht mehr antasten würden. Darin hat man sich gründlich geirrt. Der gegenwärtige Krieg hat uns in diesem Punkte weit zurückgeworfen. Allerdings will die englische Presse jetzt er¬ kannt haben, daß die ganzen Haager Abmachungen von Deutschland veranlaßt worden sind, um die britische Vorherrschaft auf See gründlich zu brechen; die britischen Delegierten hätten das nicht durchschaut, sondern wären ahnungslos in die Falle gegangen. Früher hat man freilich von derselben Seite Deutsch¬ land nicht genug schelten können, weil es nicht auf alle Vorschläge unserer jetzigen Gegner auf den Friedenskonferenzen eingegangen sei und sich dort überhaupt sehr zurückhaltend verhalten habe. Jedenfalls ist die Tatsache nicht aus der Welt zu schaffen, daß die britische Regierung das Abkommen über den Schutz der Briefpostsendungeu nicht nur im Haag angenommen, sondern auch nachher formell genehmigt hat. Die Rechtfertigung, die unsere Gegner ihrem jetzigen mit dem Haager Ab¬ kommen im schärfsten Widerspruch stehenden Verhalten zu geben versuchen, be¬ steht nur aus Wortklaubereien. In erster Linie muß auch hier die sogenannte Allbeteiligungsklausel herhalten, nach der das Abkommen nur gelten soll zwischen Vertragsparteien und wenn alle Kriegführende Vertragsparteien sind. Nun haben die Balkanstaaten dieses wie die anderen Abkommen der zweiten H'aager Konferenz nicht genehmigt, und Rußland hat seine Genehmigung aus dem oben mitgeteilten Grunde versagt; es hat sich aber vollkommen damit einverstanden erklärt, daß die aus neutralen Schiffen beförderte Briefpost un¬ verletzlich sein soll. Über diese Klausel, die nach ihrem Wortlaute die Geltung aller Haager Abkommen für den gegenwärtigen Krieg ausschalten müßte, ist in den letzten zwei Jahren schon soviel geredet und geschrieben worden, daß man wohl als die allgemeine Ansicht der kriegführenden Regierungen wie der Völkerrechtssachverständigen feststellen darf, daß diese Klausel nicht wörtlich zu nehmen ist. Vor allem aber haben auch England und Frankreich in einem Memorandum vom 15. Februar 1916 sich ausdrücklich an dieses Haager Ab¬ kommen gebunden erklärt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/39>, abgerufen am 23.07.2024.