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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Auslandsstudium und Kulturpolitik

hat, als literarisch-künstlerische Bildung zu pflegen und pflichtgetreue Beamte
und tapfere Soldaten zu erziehen. Weimar und Potsdam sollen auch weiter¬
hin nach der Auffassung der Unterrichtsverwaltung unsere Grundlagen bilden;
aber darüber hinaus wird als Losung bezeichnet: "Unser Feld ist die Welt."
Deshalb haben alle Akademiker sich mehr als bisher mit den Problemen der
Weltpolitik und Weltwirtschaft zu befassen, eine Forderung, die durchaus im
Interesse unserer Zukunft liegt und die wärmste Unterstützung aller Freunde
des Auslandsstudiums verdient.

Naturgemäß soll nicht jeder sich mit allen Problemen des Auslandes be¬
schäftigen. Notwendig ist, daß er die Zusammenhänge kennen lernt, daß er
politisch fühlt und empfindet. Die Kenntnis der Auslandsverhältnisse soll die
Grundlage für die politische Weltanschauung bilden, und um das zu ermög¬
lichen, soll in der Heimat alles getan werden, was das Studium ausländischer
Verhältnisse erleichtert. Dann wird das, was die Unterrichtsverwaltung an¬
strebt, verwirklicht werden, nämlich: eine erfolgreiche deutsche Kulturpolitik im
Auslande.

Wie schon erwähnt, ist die Unterrichts-Verwaltung eine Gegnerin einer
Auslandshochschule. Dort wird es nur wenigen möglich sein, sich zu belehren.
Es werden nur ein paar hundert Bevorzugte hiervon Nutzen haben. Die
Aufgabe des Preußischen Kultusministeriums ist aber nicht beschränkt auf einige
Hundert, sondern sie wendet sich an die ganze akademische Jugend Deutschlands
und darüber hinaus an die weiten Schichten der deutschen Intelligenz. Sie
alle sollen teilhaftig werden der Vorteile einer gehobenen Ausbildung; sie alle
sollen die Früchte ernten, die jetzt gesät werden. Deshalb verlangt die Unter¬
richtsverwaltung nicht Zentralisation, sondern Dezentralisation mit dem Ziele
wissenschaftlicher Arbeit, Schulung der Beamten und Interessenten und
politischer Erziehung der Bevölkerung.

Sehr treffend verlangt der Referent des Preußischen Kultusministeriums
ein langsames organisches Wachstum, ein Sichanpassen an die erst allmählich
entstehenden Bedürfnisse und "kein Prunken mit weithin sichtbaren Organisations¬
formen und voll klingenden Namen, sondern eine bewußte Förderung des
Willens zur Sache". Hierin wird man durchaus zustimmen müssen. Nicht
auf die Form kommt es an, sondern auf den Inhalt, und nach der ganzen
Fassung der Denkschrift kann man das Vertrauen haben, daß das, was jetzt
erstrebt wird, das Richtige trifft. Ob man die Institute, die jetzt geschaffen
werden, mit einem besonderen Namen belegt oder nicht,' das tut nichts zur
Sache. Mit Recht hat schon am 3. August 1909 der damalige Rektor der
Berliner Universität, Geheimrat Kahl, in seiner Gedächtnisrede die Worte aus¬
gesprochen: "Zurück von der Äußerlichkeit zur Innerlichkeit." Und dieser Ge¬
danke wird auch jetzt festgehalten. Es wird verlangt, daß die "aus den
Schützengräben heimkehrende akademische Jugend die Ursachen des Weltkrieges,
seine weltgeschichtliche Bedeutung in wissenschaftlich vertiefter Form vorgetragen


Auslandsstudium und Kulturpolitik

hat, als literarisch-künstlerische Bildung zu pflegen und pflichtgetreue Beamte
und tapfere Soldaten zu erziehen. Weimar und Potsdam sollen auch weiter¬
hin nach der Auffassung der Unterrichtsverwaltung unsere Grundlagen bilden;
aber darüber hinaus wird als Losung bezeichnet: „Unser Feld ist die Welt."
Deshalb haben alle Akademiker sich mehr als bisher mit den Problemen der
Weltpolitik und Weltwirtschaft zu befassen, eine Forderung, die durchaus im
Interesse unserer Zukunft liegt und die wärmste Unterstützung aller Freunde
des Auslandsstudiums verdient.

Naturgemäß soll nicht jeder sich mit allen Problemen des Auslandes be¬
schäftigen. Notwendig ist, daß er die Zusammenhänge kennen lernt, daß er
politisch fühlt und empfindet. Die Kenntnis der Auslandsverhältnisse soll die
Grundlage für die politische Weltanschauung bilden, und um das zu ermög¬
lichen, soll in der Heimat alles getan werden, was das Studium ausländischer
Verhältnisse erleichtert. Dann wird das, was die Unterrichtsverwaltung an¬
strebt, verwirklicht werden, nämlich: eine erfolgreiche deutsche Kulturpolitik im
Auslande.

Wie schon erwähnt, ist die Unterrichts-Verwaltung eine Gegnerin einer
Auslandshochschule. Dort wird es nur wenigen möglich sein, sich zu belehren.
Es werden nur ein paar hundert Bevorzugte hiervon Nutzen haben. Die
Aufgabe des Preußischen Kultusministeriums ist aber nicht beschränkt auf einige
Hundert, sondern sie wendet sich an die ganze akademische Jugend Deutschlands
und darüber hinaus an die weiten Schichten der deutschen Intelligenz. Sie
alle sollen teilhaftig werden der Vorteile einer gehobenen Ausbildung; sie alle
sollen die Früchte ernten, die jetzt gesät werden. Deshalb verlangt die Unter¬
richtsverwaltung nicht Zentralisation, sondern Dezentralisation mit dem Ziele
wissenschaftlicher Arbeit, Schulung der Beamten und Interessenten und
politischer Erziehung der Bevölkerung.

Sehr treffend verlangt der Referent des Preußischen Kultusministeriums
ein langsames organisches Wachstum, ein Sichanpassen an die erst allmählich
entstehenden Bedürfnisse und „kein Prunken mit weithin sichtbaren Organisations¬
formen und voll klingenden Namen, sondern eine bewußte Förderung des
Willens zur Sache". Hierin wird man durchaus zustimmen müssen. Nicht
auf die Form kommt es an, sondern auf den Inhalt, und nach der ganzen
Fassung der Denkschrift kann man das Vertrauen haben, daß das, was jetzt
erstrebt wird, das Richtige trifft. Ob man die Institute, die jetzt geschaffen
werden, mit einem besonderen Namen belegt oder nicht,' das tut nichts zur
Sache. Mit Recht hat schon am 3. August 1909 der damalige Rektor der
Berliner Universität, Geheimrat Kahl, in seiner Gedächtnisrede die Worte aus¬
gesprochen: „Zurück von der Äußerlichkeit zur Innerlichkeit." Und dieser Ge¬
danke wird auch jetzt festgehalten. Es wird verlangt, daß die „aus den
Schützengräben heimkehrende akademische Jugend die Ursachen des Weltkrieges,
seine weltgeschichtliche Bedeutung in wissenschaftlich vertiefter Form vorgetragen


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[0373] Auslandsstudium und Kulturpolitik hat, als literarisch-künstlerische Bildung zu pflegen und pflichtgetreue Beamte und tapfere Soldaten zu erziehen. Weimar und Potsdam sollen auch weiter¬ hin nach der Auffassung der Unterrichtsverwaltung unsere Grundlagen bilden; aber darüber hinaus wird als Losung bezeichnet: „Unser Feld ist die Welt." Deshalb haben alle Akademiker sich mehr als bisher mit den Problemen der Weltpolitik und Weltwirtschaft zu befassen, eine Forderung, die durchaus im Interesse unserer Zukunft liegt und die wärmste Unterstützung aller Freunde des Auslandsstudiums verdient. Naturgemäß soll nicht jeder sich mit allen Problemen des Auslandes be¬ schäftigen. Notwendig ist, daß er die Zusammenhänge kennen lernt, daß er politisch fühlt und empfindet. Die Kenntnis der Auslandsverhältnisse soll die Grundlage für die politische Weltanschauung bilden, und um das zu ermög¬ lichen, soll in der Heimat alles getan werden, was das Studium ausländischer Verhältnisse erleichtert. Dann wird das, was die Unterrichtsverwaltung an¬ strebt, verwirklicht werden, nämlich: eine erfolgreiche deutsche Kulturpolitik im Auslande. Wie schon erwähnt, ist die Unterrichts-Verwaltung eine Gegnerin einer Auslandshochschule. Dort wird es nur wenigen möglich sein, sich zu belehren. Es werden nur ein paar hundert Bevorzugte hiervon Nutzen haben. Die Aufgabe des Preußischen Kultusministeriums ist aber nicht beschränkt auf einige Hundert, sondern sie wendet sich an die ganze akademische Jugend Deutschlands und darüber hinaus an die weiten Schichten der deutschen Intelligenz. Sie alle sollen teilhaftig werden der Vorteile einer gehobenen Ausbildung; sie alle sollen die Früchte ernten, die jetzt gesät werden. Deshalb verlangt die Unter¬ richtsverwaltung nicht Zentralisation, sondern Dezentralisation mit dem Ziele wissenschaftlicher Arbeit, Schulung der Beamten und Interessenten und politischer Erziehung der Bevölkerung. Sehr treffend verlangt der Referent des Preußischen Kultusministeriums ein langsames organisches Wachstum, ein Sichanpassen an die erst allmählich entstehenden Bedürfnisse und „kein Prunken mit weithin sichtbaren Organisations¬ formen und voll klingenden Namen, sondern eine bewußte Förderung des Willens zur Sache". Hierin wird man durchaus zustimmen müssen. Nicht auf die Form kommt es an, sondern auf den Inhalt, und nach der ganzen Fassung der Denkschrift kann man das Vertrauen haben, daß das, was jetzt erstrebt wird, das Richtige trifft. Ob man die Institute, die jetzt geschaffen werden, mit einem besonderen Namen belegt oder nicht,' das tut nichts zur Sache. Mit Recht hat schon am 3. August 1909 der damalige Rektor der Berliner Universität, Geheimrat Kahl, in seiner Gedächtnisrede die Worte aus¬ gesprochen: „Zurück von der Äußerlichkeit zur Innerlichkeit." Und dieser Ge¬ danke wird auch jetzt festgehalten. Es wird verlangt, daß die „aus den Schützengräben heimkehrende akademische Jugend die Ursachen des Weltkrieges, seine weltgeschichtliche Bedeutung in wissenschaftlich vertiefter Form vorgetragen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/373>, abgerufen am 23.07.2024.