Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutschland und England in Afrika

Abschluß eines deutschen Protektoratsvertrages über Uganda zu begegnen
suchte.

Von diesem Augenblick an kann die innerafrikanische Frage als gelöst
betrachtet werden. Deutschland konnte mit dem Ergebnis zufrieden sein: das
hauptsächlich umstrittene Gebiet westlich vom Viktoriasee bis zur Grenze des
Kongostaates und zum Tanjanjika wurde deutsch (1888). Damit schwand für
England auch die letzte Hoffnung auf einen innerafrikanischen Besitz zur künftigen
Verbindung seiner nord- und südafrikanischen Interessengebiete. Alle späteren
deutsch-englischen Verhandlungen, vor allem der unmittelbar folgende Vertrag
von 1890, der ja England das Witugebiet, die Inseln Sansibar und Pemba
endgültig zusprach, und der in England als eine schwere diplomatische Nieder¬
lage Deutschlands bejubelt wurde, konnten an der erreichten und ausschlag¬
gebenden Tatsache der Verdrängung Englands aus Jnnerafrika nichts ändern.
Es darf unumwunden zugestanden werden, daß Deutschland -- freilich un¬
beabsichtigt --, das Verdienst hat, dem im Laufe der letzten Jahrzehnte immer
stärker hervortretenden Drang Englands, ein großes britisches Afrikareich als
Stütze seines "Jndiameerreiches" (Kjellön) zu gründen, schon damals einen
starken Riegel vorgeschoben zu haben. Aber auch nirgends sonst in Afrika hat
Deutschland so glücklich jeden englischen Einspruch von sich abschütteln können,
nirgends sonst ist Deutschland so beharrlich seinen Weg zum Ziel gegangen
wie in Ostafrika. Allerdings muß hinzugefügt werden, daß dieses Ergebnis
neben dem hohen Verdienst Peters' den glücklichen Zeitumständen zu danken ist.

Wie weit deutsche Interessen im übrigen Afrika, d. h. außerhalb der
deutschen Kolonialgrenzen, mit englischen zusammenstießen, braucht nicht näher
erörtert zu werden. Es sind unerhebliche Zwischenspiele, die auf die Ent¬
wicklung der afrikanischen Kolonialpolitik beider Mächte ohne großen Einfluß
geblieben find. Weder in Ägypten noch in Abessynien ist es zu ernsteren Aus¬
einandersetzungen zwischen beiden gekommen, und wie weit die portugiesischen
Kolonien in geheimen Verhandlungen zwischen beiden Mächten eine Rolle ge¬
spielt haben, wird erst eine spätere Zeit erfahren. Nur die 1910 auftauchende
Marokkofrage führte England gegen Deutschland auf den Plan, das darin so¬
fort eine Gefährdung seiner Mittelmeerstellung witterte, vor allem wohl eine
Gefährdung seiner "Verschlußstellung" an der Straße von Gibraltar. Wir
können wohl mit gutem Gewissen sagen, daß wir so ausschweifende und un¬
sinnige Pläne mit unsern berechtigten Wünschen nach gewissen Rechten in
Marokko niemals verknüpft haben, wie sie im Hirne gebildeter Engländer da¬
mals entstanden. strebten wir doch angeblich nach nichts Geringerem als
nach der Herrschaft im Mittelmeer!

Die Gesamtheit des Verhältnißes deutscher und englischer Interessen in
Afrika stellt sich also ungefähr so dar:

Deutschlands Kolonien sind vermöge der im ganzen glücklich, aber rück¬
sichtslos arbeitenden englischen Politik untereinander getrennte Gebilde. Sie


Grenzboten I 1917 22
Deutschland und England in Afrika

Abschluß eines deutschen Protektoratsvertrages über Uganda zu begegnen
suchte.

Von diesem Augenblick an kann die innerafrikanische Frage als gelöst
betrachtet werden. Deutschland konnte mit dem Ergebnis zufrieden sein: das
hauptsächlich umstrittene Gebiet westlich vom Viktoriasee bis zur Grenze des
Kongostaates und zum Tanjanjika wurde deutsch (1888). Damit schwand für
England auch die letzte Hoffnung auf einen innerafrikanischen Besitz zur künftigen
Verbindung seiner nord- und südafrikanischen Interessengebiete. Alle späteren
deutsch-englischen Verhandlungen, vor allem der unmittelbar folgende Vertrag
von 1890, der ja England das Witugebiet, die Inseln Sansibar und Pemba
endgültig zusprach, und der in England als eine schwere diplomatische Nieder¬
lage Deutschlands bejubelt wurde, konnten an der erreichten und ausschlag¬
gebenden Tatsache der Verdrängung Englands aus Jnnerafrika nichts ändern.
Es darf unumwunden zugestanden werden, daß Deutschland — freilich un¬
beabsichtigt —, das Verdienst hat, dem im Laufe der letzten Jahrzehnte immer
stärker hervortretenden Drang Englands, ein großes britisches Afrikareich als
Stütze seines „Jndiameerreiches" (Kjellön) zu gründen, schon damals einen
starken Riegel vorgeschoben zu haben. Aber auch nirgends sonst in Afrika hat
Deutschland so glücklich jeden englischen Einspruch von sich abschütteln können,
nirgends sonst ist Deutschland so beharrlich seinen Weg zum Ziel gegangen
wie in Ostafrika. Allerdings muß hinzugefügt werden, daß dieses Ergebnis
neben dem hohen Verdienst Peters' den glücklichen Zeitumständen zu danken ist.

Wie weit deutsche Interessen im übrigen Afrika, d. h. außerhalb der
deutschen Kolonialgrenzen, mit englischen zusammenstießen, braucht nicht näher
erörtert zu werden. Es sind unerhebliche Zwischenspiele, die auf die Ent¬
wicklung der afrikanischen Kolonialpolitik beider Mächte ohne großen Einfluß
geblieben find. Weder in Ägypten noch in Abessynien ist es zu ernsteren Aus¬
einandersetzungen zwischen beiden gekommen, und wie weit die portugiesischen
Kolonien in geheimen Verhandlungen zwischen beiden Mächten eine Rolle ge¬
spielt haben, wird erst eine spätere Zeit erfahren. Nur die 1910 auftauchende
Marokkofrage führte England gegen Deutschland auf den Plan, das darin so¬
fort eine Gefährdung seiner Mittelmeerstellung witterte, vor allem wohl eine
Gefährdung seiner „Verschlußstellung" an der Straße von Gibraltar. Wir
können wohl mit gutem Gewissen sagen, daß wir so ausschweifende und un¬
sinnige Pläne mit unsern berechtigten Wünschen nach gewissen Rechten in
Marokko niemals verknüpft haben, wie sie im Hirne gebildeter Engländer da¬
mals entstanden. strebten wir doch angeblich nach nichts Geringerem als
nach der Herrschaft im Mittelmeer!

Die Gesamtheit des Verhältnißes deutscher und englischer Interessen in
Afrika stellt sich also ungefähr so dar:

Deutschlands Kolonien sind vermöge der im ganzen glücklich, aber rück¬
sichtslos arbeitenden englischen Politik untereinander getrennte Gebilde. Sie


Grenzboten I 1917 22
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0349" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331757"/>
          <fw type="header" place="top"> Deutschland und England in Afrika</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1146" prev="#ID_1145"> Abschluß eines deutschen Protektoratsvertrages über Uganda zu begegnen<lb/>
suchte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1147"> Von diesem Augenblick an kann die innerafrikanische Frage als gelöst<lb/>
betrachtet werden. Deutschland konnte mit dem Ergebnis zufrieden sein: das<lb/>
hauptsächlich umstrittene Gebiet westlich vom Viktoriasee bis zur Grenze des<lb/>
Kongostaates und zum Tanjanjika wurde deutsch (1888). Damit schwand für<lb/>
England auch die letzte Hoffnung auf einen innerafrikanischen Besitz zur künftigen<lb/>
Verbindung seiner nord- und südafrikanischen Interessengebiete. Alle späteren<lb/>
deutsch-englischen Verhandlungen, vor allem der unmittelbar folgende Vertrag<lb/>
von 1890, der ja England das Witugebiet, die Inseln Sansibar und Pemba<lb/>
endgültig zusprach, und der in England als eine schwere diplomatische Nieder¬<lb/>
lage Deutschlands bejubelt wurde, konnten an der erreichten und ausschlag¬<lb/>
gebenden Tatsache der Verdrängung Englands aus Jnnerafrika nichts ändern.<lb/>
Es darf unumwunden zugestanden werden, daß Deutschland &#x2014; freilich un¬<lb/>
beabsichtigt &#x2014;, das Verdienst hat, dem im Laufe der letzten Jahrzehnte immer<lb/>
stärker hervortretenden Drang Englands, ein großes britisches Afrikareich als<lb/>
Stütze seines &#x201E;Jndiameerreiches" (Kjellön) zu gründen, schon damals einen<lb/>
starken Riegel vorgeschoben zu haben. Aber auch nirgends sonst in Afrika hat<lb/>
Deutschland so glücklich jeden englischen Einspruch von sich abschütteln können,<lb/>
nirgends sonst ist Deutschland so beharrlich seinen Weg zum Ziel gegangen<lb/>
wie in Ostafrika. Allerdings muß hinzugefügt werden, daß dieses Ergebnis<lb/>
neben dem hohen Verdienst Peters' den glücklichen Zeitumständen zu danken ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1148"> Wie weit deutsche Interessen im übrigen Afrika, d. h. außerhalb der<lb/>
deutschen Kolonialgrenzen, mit englischen zusammenstießen, braucht nicht näher<lb/>
erörtert zu werden. Es sind unerhebliche Zwischenspiele, die auf die Ent¬<lb/>
wicklung der afrikanischen Kolonialpolitik beider Mächte ohne großen Einfluß<lb/>
geblieben find. Weder in Ägypten noch in Abessynien ist es zu ernsteren Aus¬<lb/>
einandersetzungen zwischen beiden gekommen, und wie weit die portugiesischen<lb/>
Kolonien in geheimen Verhandlungen zwischen beiden Mächten eine Rolle ge¬<lb/>
spielt haben, wird erst eine spätere Zeit erfahren. Nur die 1910 auftauchende<lb/>
Marokkofrage führte England gegen Deutschland auf den Plan, das darin so¬<lb/>
fort eine Gefährdung seiner Mittelmeerstellung witterte, vor allem wohl eine<lb/>
Gefährdung seiner &#x201E;Verschlußstellung" an der Straße von Gibraltar. Wir<lb/>
können wohl mit gutem Gewissen sagen, daß wir so ausschweifende und un¬<lb/>
sinnige Pläne mit unsern berechtigten Wünschen nach gewissen Rechten in<lb/>
Marokko niemals verknüpft haben, wie sie im Hirne gebildeter Engländer da¬<lb/>
mals entstanden. strebten wir doch angeblich nach nichts Geringerem als<lb/>
nach der Herrschaft im Mittelmeer!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1149"> Die Gesamtheit des Verhältnißes deutscher und englischer Interessen in<lb/>
Afrika stellt sich also ungefähr so dar:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1150" next="#ID_1151"> Deutschlands Kolonien sind vermöge der im ganzen glücklich, aber rück¬<lb/>
sichtslos arbeitenden englischen Politik untereinander getrennte Gebilde. Sie</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1917 22</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0349] Deutschland und England in Afrika Abschluß eines deutschen Protektoratsvertrages über Uganda zu begegnen suchte. Von diesem Augenblick an kann die innerafrikanische Frage als gelöst betrachtet werden. Deutschland konnte mit dem Ergebnis zufrieden sein: das hauptsächlich umstrittene Gebiet westlich vom Viktoriasee bis zur Grenze des Kongostaates und zum Tanjanjika wurde deutsch (1888). Damit schwand für England auch die letzte Hoffnung auf einen innerafrikanischen Besitz zur künftigen Verbindung seiner nord- und südafrikanischen Interessengebiete. Alle späteren deutsch-englischen Verhandlungen, vor allem der unmittelbar folgende Vertrag von 1890, der ja England das Witugebiet, die Inseln Sansibar und Pemba endgültig zusprach, und der in England als eine schwere diplomatische Nieder¬ lage Deutschlands bejubelt wurde, konnten an der erreichten und ausschlag¬ gebenden Tatsache der Verdrängung Englands aus Jnnerafrika nichts ändern. Es darf unumwunden zugestanden werden, daß Deutschland — freilich un¬ beabsichtigt —, das Verdienst hat, dem im Laufe der letzten Jahrzehnte immer stärker hervortretenden Drang Englands, ein großes britisches Afrikareich als Stütze seines „Jndiameerreiches" (Kjellön) zu gründen, schon damals einen starken Riegel vorgeschoben zu haben. Aber auch nirgends sonst in Afrika hat Deutschland so glücklich jeden englischen Einspruch von sich abschütteln können, nirgends sonst ist Deutschland so beharrlich seinen Weg zum Ziel gegangen wie in Ostafrika. Allerdings muß hinzugefügt werden, daß dieses Ergebnis neben dem hohen Verdienst Peters' den glücklichen Zeitumständen zu danken ist. Wie weit deutsche Interessen im übrigen Afrika, d. h. außerhalb der deutschen Kolonialgrenzen, mit englischen zusammenstießen, braucht nicht näher erörtert zu werden. Es sind unerhebliche Zwischenspiele, die auf die Ent¬ wicklung der afrikanischen Kolonialpolitik beider Mächte ohne großen Einfluß geblieben find. Weder in Ägypten noch in Abessynien ist es zu ernsteren Aus¬ einandersetzungen zwischen beiden gekommen, und wie weit die portugiesischen Kolonien in geheimen Verhandlungen zwischen beiden Mächten eine Rolle ge¬ spielt haben, wird erst eine spätere Zeit erfahren. Nur die 1910 auftauchende Marokkofrage führte England gegen Deutschland auf den Plan, das darin so¬ fort eine Gefährdung seiner Mittelmeerstellung witterte, vor allem wohl eine Gefährdung seiner „Verschlußstellung" an der Straße von Gibraltar. Wir können wohl mit gutem Gewissen sagen, daß wir so ausschweifende und un¬ sinnige Pläne mit unsern berechtigten Wünschen nach gewissen Rechten in Marokko niemals verknüpft haben, wie sie im Hirne gebildeter Engländer da¬ mals entstanden. strebten wir doch angeblich nach nichts Geringerem als nach der Herrschaft im Mittelmeer! Die Gesamtheit des Verhältnißes deutscher und englischer Interessen in Afrika stellt sich also ungefähr so dar: Deutschlands Kolonien sind vermöge der im ganzen glücklich, aber rück¬ sichtslos arbeitenden englischen Politik untereinander getrennte Gebilde. Sie Grenzboten I 1917 22

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/349
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/349>, abgerufen am 23.07.2024.