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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und England in Afrika

endgültig auf Sansibar. England dehnt dafür (19. November 1890) seinen Besitz
bis zum Jud aus und regelt mit Italien (30. März 1891) seine Grenzen, das
Gebiet um Kap Guardafui wird italienisch. Seitdem ist eine Gebietsänderung
im Küstensaum nicht eingetreten; die heutige Karte zeigt die in diesen Tagen
festgelegten Grenzen.

Deutschland mußte also auf ein nicht unbeträchtliches Stück seines eben
erworbenen Besitzes verzichten. Ein Mißerfolg der englischen Kolonialpolitik
war damit aber doch verbunden: eine küstennahe Verbindung vom Norden
zum Süden war England versagt, es blieb ihm nur das Gebiet nahe den
großen Seen zur Erfüllung seines Wunsches. Aber auch hier legten ihm die
Ereignisse unüberbrückbare Hindernisse in den Weg und nahmen ihm auch da
jede Hoffnung auf einen innerafrikanischen Besitz. Daß es ein Deutscher war,
der diese für England ungünstigen Ereignisse in Fluß brachte, trug nicht wenig
zu einer nachhaltigen Spannung zwischen beiden Mächten bei.

Das für England nach seiner Abdrängung von der Sansibar gegenüber¬
liegenden Küste wichtigste Gebiet war numehr das Land der Nilquellen und
des oberen Nil einschließlich des Landstreifens zwischen dem Viktoriasee einer¬
seits, dem Tanjanyika-, Kiwu- und Eduardsee andererseits, das ja noch nicht
durch eine "Hinterwand" abgegrenzt war. Es bot sich also immer noch Ge¬
legenheit zum Erwerb. Nun war in das von Gordon dem ägyptischen Sudan
angeschlossene obere Nilgebiet seit 1878 Emin Pascha (Eduard Schnitzer) durch
das Vertrauen Gordons berufen. Aber die im Anfang der achtziger Jahre
im Sudan entbrannten Mhadistenaufstände schnitten ihn von jeglicher Ver¬
bindung mit Ägypten ab; an ein Durchschlagen war nicht zu denken. Und
so blieb er denn, durch das Vertrauen seiner Truppen und der Eingeborenen
gehalten, als unumschränkter Gebieter in Äquatorialafrika.

Das mußte England, das sich eben in Ägypten festgesetzt hatte (1882),
ein Dorn im Auge sein. Ja, man konstruierte in England einen inneren Zu¬
sammenhang zwischen diesen südsudanischen Ereignissen und der durch Graf
Pfeil und Dr. Peters erfolgten Festsetzung Deutschlands an der ostafrikanischen
Küste; man fürchtete in England nichts Geringeres als einen künftigen An¬
schluß der südsudanischen Länder an das eben entstandene Deutsch-Ostafrika
und damit eine Bedrohung Ägyptens und ein völliges Mißlingen seiner
afrikanischen Pläne. Daß die in England angeblich zur Befreiung Emin
Paschas ausgerüstete Expedition unter Stanleys Führung stark von politischen
Erwägungen veranlaßt war, kann kaum einem Zweifel unterliegen. Emin
Pascha wurde befreit, die von Peters in richtiger Erkenntnis der Lage unter¬
nommene Gegenexpedition kam zu spät. In England triumphierte man, aber
der Jubel kam zu früh. Der Einfluß Emins und das Vertrauen, das er bei
den Eingeborenen genoß, waren zu groß, als daß sie durch englische Winkel¬
züge hätten erschüttert werden können. Dazu kam die gleichzeitige Bedrängnis
des eingeborenen Herrschers von Uganda durch Araber, der Peters sofort durch


Deutschland und England in Afrika

endgültig auf Sansibar. England dehnt dafür (19. November 1890) seinen Besitz
bis zum Jud aus und regelt mit Italien (30. März 1891) seine Grenzen, das
Gebiet um Kap Guardafui wird italienisch. Seitdem ist eine Gebietsänderung
im Küstensaum nicht eingetreten; die heutige Karte zeigt die in diesen Tagen
festgelegten Grenzen.

Deutschland mußte also auf ein nicht unbeträchtliches Stück seines eben
erworbenen Besitzes verzichten. Ein Mißerfolg der englischen Kolonialpolitik
war damit aber doch verbunden: eine küstennahe Verbindung vom Norden
zum Süden war England versagt, es blieb ihm nur das Gebiet nahe den
großen Seen zur Erfüllung seines Wunsches. Aber auch hier legten ihm die
Ereignisse unüberbrückbare Hindernisse in den Weg und nahmen ihm auch da
jede Hoffnung auf einen innerafrikanischen Besitz. Daß es ein Deutscher war,
der diese für England ungünstigen Ereignisse in Fluß brachte, trug nicht wenig
zu einer nachhaltigen Spannung zwischen beiden Mächten bei.

Das für England nach seiner Abdrängung von der Sansibar gegenüber¬
liegenden Küste wichtigste Gebiet war numehr das Land der Nilquellen und
des oberen Nil einschließlich des Landstreifens zwischen dem Viktoriasee einer¬
seits, dem Tanjanyika-, Kiwu- und Eduardsee andererseits, das ja noch nicht
durch eine „Hinterwand" abgegrenzt war. Es bot sich also immer noch Ge¬
legenheit zum Erwerb. Nun war in das von Gordon dem ägyptischen Sudan
angeschlossene obere Nilgebiet seit 1878 Emin Pascha (Eduard Schnitzer) durch
das Vertrauen Gordons berufen. Aber die im Anfang der achtziger Jahre
im Sudan entbrannten Mhadistenaufstände schnitten ihn von jeglicher Ver¬
bindung mit Ägypten ab; an ein Durchschlagen war nicht zu denken. Und
so blieb er denn, durch das Vertrauen seiner Truppen und der Eingeborenen
gehalten, als unumschränkter Gebieter in Äquatorialafrika.

Das mußte England, das sich eben in Ägypten festgesetzt hatte (1882),
ein Dorn im Auge sein. Ja, man konstruierte in England einen inneren Zu¬
sammenhang zwischen diesen südsudanischen Ereignissen und der durch Graf
Pfeil und Dr. Peters erfolgten Festsetzung Deutschlands an der ostafrikanischen
Küste; man fürchtete in England nichts Geringeres als einen künftigen An¬
schluß der südsudanischen Länder an das eben entstandene Deutsch-Ostafrika
und damit eine Bedrohung Ägyptens und ein völliges Mißlingen seiner
afrikanischen Pläne. Daß die in England angeblich zur Befreiung Emin
Paschas ausgerüstete Expedition unter Stanleys Führung stark von politischen
Erwägungen veranlaßt war, kann kaum einem Zweifel unterliegen. Emin
Pascha wurde befreit, die von Peters in richtiger Erkenntnis der Lage unter¬
nommene Gegenexpedition kam zu spät. In England triumphierte man, aber
der Jubel kam zu früh. Der Einfluß Emins und das Vertrauen, das er bei
den Eingeborenen genoß, waren zu groß, als daß sie durch englische Winkel¬
züge hätten erschüttert werden können. Dazu kam die gleichzeitige Bedrängnis
des eingeborenen Herrschers von Uganda durch Araber, der Peters sofort durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/348>, abgerufen am 23.07.2024.