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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und England in Afrika

allen geographischen Bedingungen zuwider laufende Abgrenzung nur wieder ein
vorläufiges Beruhigungsmittel für Deutschland sein sollte, um die leidige
Marokkofrage zu Ende zu bringen. Trotzdem: diese völlig willkürliche und
widernatürliche Gebietsregelung verlangt geradezu stürmisch eine Änderung.
Kamerun in seiner heutigen Gestalt ist ein geographisch völlig unorganisches
Gebilde. Man betrachte die Karte genauer! Das ehemals geschlossene Französisch-
Äquatorialafrika erstreckte sich als ein einheitliches Ganzes von der Nieder-
Guineaküste bis ins Herz Afrikas. Heute ist es durch die beiden Kameruner
"Kongofühler" in drei voneinander völlig getrennte Teile zerrissen. Das
mittlere, von deutschem und belgischen Gebiet umschlossene Stück ist von jeder
Verbindung mit dem übrigen französischen Kolonialbesitz gelöst. Denkt Frankreich
wirklich im Ernst an eine Dauer dieses Zustandes? Oder machte es 1911 das
Kongozugeständnis an Deutschland nur in der Hoffnung, in einem angeblich
wohl nicht allzu fernen "Revanchekrieg", der selbstverständlich für die Zranäe
Nation siegreich ausfallen mußte, die beiden deutschen "Fühler" wieder abzureißen
und dann die Kongofrage zu seinem Gunsten zu lösen, wie es bereits in den
siebziger Jahren versuchte? Dann wäre also die Abtretung der beiden Gebiete
nur ein billiger Brocken gewesen, den Frankreich Deutschland vorwarf zur
Stillung seiner Ansprüche? Fast muß man das alles nach dem Verhalten
Frankreichs im gegenwärtigen Kriege annehmen. Vielleicht ist aber die wirklich
endgültige Lösung der Kongofrage und damit auch die Lösung der Lebensfrage
jener beiden Kameruner "Kongofühler" nicht mehr allzu fern; ob freilich in dem
eben angedeuteten Sinne Frankreichs und Englands, mag dahingestellt bleiben.

(Schluß folgt).




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Deutschland und England in Afrika

allen geographischen Bedingungen zuwider laufende Abgrenzung nur wieder ein
vorläufiges Beruhigungsmittel für Deutschland sein sollte, um die leidige
Marokkofrage zu Ende zu bringen. Trotzdem: diese völlig willkürliche und
widernatürliche Gebietsregelung verlangt geradezu stürmisch eine Änderung.
Kamerun in seiner heutigen Gestalt ist ein geographisch völlig unorganisches
Gebilde. Man betrachte die Karte genauer! Das ehemals geschlossene Französisch-
Äquatorialafrika erstreckte sich als ein einheitliches Ganzes von der Nieder-
Guineaküste bis ins Herz Afrikas. Heute ist es durch die beiden Kameruner
„Kongofühler" in drei voneinander völlig getrennte Teile zerrissen. Das
mittlere, von deutschem und belgischen Gebiet umschlossene Stück ist von jeder
Verbindung mit dem übrigen französischen Kolonialbesitz gelöst. Denkt Frankreich
wirklich im Ernst an eine Dauer dieses Zustandes? Oder machte es 1911 das
Kongozugeständnis an Deutschland nur in der Hoffnung, in einem angeblich
wohl nicht allzu fernen „Revanchekrieg", der selbstverständlich für die Zranäe
Nation siegreich ausfallen mußte, die beiden deutschen „Fühler" wieder abzureißen
und dann die Kongofrage zu seinem Gunsten zu lösen, wie es bereits in den
siebziger Jahren versuchte? Dann wäre also die Abtretung der beiden Gebiete
nur ein billiger Brocken gewesen, den Frankreich Deutschland vorwarf zur
Stillung seiner Ansprüche? Fast muß man das alles nach dem Verhalten
Frankreichs im gegenwärtigen Kriege annehmen. Vielleicht ist aber die wirklich
endgültige Lösung der Kongofrage und damit auch die Lösung der Lebensfrage
jener beiden Kameruner „Kongofühler" nicht mehr allzu fern; ob freilich in dem
eben angedeuteten Sinne Frankreichs und Englands, mag dahingestellt bleiben.

(Schluß folgt).




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[0319] Deutschland und England in Afrika allen geographischen Bedingungen zuwider laufende Abgrenzung nur wieder ein vorläufiges Beruhigungsmittel für Deutschland sein sollte, um die leidige Marokkofrage zu Ende zu bringen. Trotzdem: diese völlig willkürliche und widernatürliche Gebietsregelung verlangt geradezu stürmisch eine Änderung. Kamerun in seiner heutigen Gestalt ist ein geographisch völlig unorganisches Gebilde. Man betrachte die Karte genauer! Das ehemals geschlossene Französisch- Äquatorialafrika erstreckte sich als ein einheitliches Ganzes von der Nieder- Guineaküste bis ins Herz Afrikas. Heute ist es durch die beiden Kameruner „Kongofühler" in drei voneinander völlig getrennte Teile zerrissen. Das mittlere, von deutschem und belgischen Gebiet umschlossene Stück ist von jeder Verbindung mit dem übrigen französischen Kolonialbesitz gelöst. Denkt Frankreich wirklich im Ernst an eine Dauer dieses Zustandes? Oder machte es 1911 das Kongozugeständnis an Deutschland nur in der Hoffnung, in einem angeblich wohl nicht allzu fernen „Revanchekrieg", der selbstverständlich für die Zranäe Nation siegreich ausfallen mußte, die beiden deutschen „Fühler" wieder abzureißen und dann die Kongofrage zu seinem Gunsten zu lösen, wie es bereits in den siebziger Jahren versuchte? Dann wäre also die Abtretung der beiden Gebiete nur ein billiger Brocken gewesen, den Frankreich Deutschland vorwarf zur Stillung seiner Ansprüche? Fast muß man das alles nach dem Verhalten Frankreichs im gegenwärtigen Kriege annehmen. Vielleicht ist aber die wirklich endgültige Lösung der Kongofrage und damit auch die Lösung der Lebensfrage jener beiden Kameruner „Kongofühler" nicht mehr allzu fern; ob freilich in dem eben angedeuteten Sinne Frankreichs und Englands, mag dahingestellt bleiben. (Schluß folgt). 20*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/319>, abgerufen am 23.07.2024.