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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

ganz allein, angeht; oder sie sind gar aufs
tiefste verletzt, das von ihnen gesetzte Er¬
innerungszeichen als Schund oder Stillosig-
keit gsbrandmarkt zu sehen. -- Die Nach¬
fahren könnten durch minderwertige Grab¬
oder Denkmäler einen schlechten Begriff von
unserem künstlerischen Können bekommen'?
Mögen sie doch! Was liegt daran? Selbst
wenn es in fünfzig oder hundert Jahren
etwa heißen sollte: "Es war eine ernste,
große Zeit -- aber einen originellen Grab-
und Denkmalsstil hat sie nicht gefunden" --
die Gefahr dieser Kritik können wir un¬
bekümmert auf uns nehmen. Aus den Gräbern
dieses Krieges, ob mit oder ohne Denkmal,
käme den so hochmütig Tadelnden viel¬
tausendstimmig die Antwort: "Einen Denk¬
malsstil, verehrte Nachkommenschaft, haben
wir nicht gefunden, in der Tat; dazu fehlte
es uns an Zeit, weil wir vollauf damit be¬
schäftigt waren, uns rechtschaffen zu schlagen,
um euch bie Güter, geistige und gegenständ¬
liche, zu erhalten, die wir vordem für uns
und unsere Kinder errungen." -- Die Denk¬
mals- und Grabmalskunst soll aus der
Schwere dieser Zeit Anregung schöpfen? So?
Nun, wir danken dafür, als Anreger für
einen neuen Grabmalsstil betrachtet und- ver¬
wertet zu werden! Dann käme man Wohl
schließlich noch dazu, ein gutes Grab dem
Gefallenen als Verdienst anzurechnen! Nein
und abermals nein! Es ist doch von so
geradezu monumentaler Gleichgültigkeit, ob
der Musketier N. oder der Leutnant M. ein
gutes oder minder gutes Grabmal hat, oder
ob in den späteren Kunstgeschichten das
Schlachtendenkmal von Lothringen gepriesen
und das in der Champagne getadelt wird.
Nochmals: was geht uns heute Gräber- und
Denkmalsstil an? In dieser Zeit, die nur
eine Stilfrage kennen sollte: anständig seine
Schuldigkeit zu tun und, Wenn's nottut,
mit Anstand zu sterben wissen!... Ver¬
schone uns in diesem Krieg mit solchen
Dingen! ES kommt eben wahrhaftig auf
anderes an als auf Grabmalkunst und Denk¬
mäler!

Man mißverstehe mich nicht: ich rede
nicht einer Verkümmerung alles Geistigen
das Wort; nur dem Grabkunstsnobismus

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sage ich Fehde an. Man tue heute sein
Bestes in Taten, draußen und drinnen, nach
Hindenburgscher Losung. Und wenn man
geistig weiterschaffen will (und die geistige
Arbeit auch als Selbstzweck soll gewiß nicht
liegen bleiben!), so ziehe man die Linien
nach, die das Zeitgeschehen uns -- dem
einMien, der Nation, der Menschheit --
aufprägt. Das Tüfteln an alten Stilen
aber lasse man lieber bleiben -- und erst
recht das Suchen nach neuen Ausdrucks¬
formen ; die kommen zu ihrer Zeit von selber
und setzen sich durch.

Also Krieg dem Grab- und Denkmals-
kunstsnobismuS und Krieg seinem Gefolge,
das da "Kriegerverehrung", "Heldenwürdi¬
gung" und ähnlich heißt! Das sind hoch¬
mütige Gesellen, aufgeblasene Luftballons
von Worten. Allen an der Front -- und
vielleicht auch manchem Einsichtigen dahinter --
geschieht ein- Gefallen, wenn man auf das
Aussteigenlassen solcher Ballons verzichtet.
Wir sind keine "Krieger" und "Helden",
sondern Soldaten! Man streiche diese großen,
hohlen Worte aus dem Sprachregister unserer
Reinhard iveer Zeit!

Kriegsbeschädigte Offiziere als Amtsan-
w litte. Vor einiger Zeit ist ein Werk erschienen,
das sich betitelt: "Die Verwendungsmöglich¬
keiten der Kriegsbeschädigten in der Industrie,
in Handel, Gewerbe, Handwerk, Landwirt¬
schaft und Staatsbetrieben, herausgegeben
von Felix Krais, Kommerzienrat, Stuttgart."
In diesem an sich sehr verdienstvollen Buche
sind -- entsprechend Wohl dem kaufmännischen
Berufe des Verfassers -- die Möglichkeiten,
welche sich dem Kriegsbeschädigten im Staats¬
dienste bieten, zu kurz gekommen. Es wird
nur auf die Staatsstellen in Post, Eisenbahn¬
uno Militärwesen eingegangen. Es sei des¬
halb hier auf einen Beruf im Justizdienst
hingewiesen, welcher sich in. E. sür Offiziere,
die aus dem Militärdienst auszuscheiden ge¬
zwungen sind, besonders eignet, nämlich auf
den Beruf des Amtsanwalts.

Über den Amtsanwalt bestimmt § 143
Ger.-Verf.-Geh.: "Das Amt der Staats¬
anwaltschaft wird ausgeübt bei den Amts¬
gerichten und den Schöffengerichten durch einen
oder mehrere Amtsanwälte." Der Amts-

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ganz allein, angeht; oder sie sind gar aufs
tiefste verletzt, das von ihnen gesetzte Er¬
innerungszeichen als Schund oder Stillosig-
keit gsbrandmarkt zu sehen. — Die Nach¬
fahren könnten durch minderwertige Grab¬
oder Denkmäler einen schlechten Begriff von
unserem künstlerischen Können bekommen'?
Mögen sie doch! Was liegt daran? Selbst
wenn es in fünfzig oder hundert Jahren
etwa heißen sollte: „Es war eine ernste,
große Zeit — aber einen originellen Grab-
und Denkmalsstil hat sie nicht gefunden" —
die Gefahr dieser Kritik können wir un¬
bekümmert auf uns nehmen. Aus den Gräbern
dieses Krieges, ob mit oder ohne Denkmal,
käme den so hochmütig Tadelnden viel¬
tausendstimmig die Antwort: „Einen Denk¬
malsstil, verehrte Nachkommenschaft, haben
wir nicht gefunden, in der Tat; dazu fehlte
es uns an Zeit, weil wir vollauf damit be¬
schäftigt waren, uns rechtschaffen zu schlagen,
um euch bie Güter, geistige und gegenständ¬
liche, zu erhalten, die wir vordem für uns
und unsere Kinder errungen." — Die Denk¬
mals- und Grabmalskunst soll aus der
Schwere dieser Zeit Anregung schöpfen? So?
Nun, wir danken dafür, als Anreger für
einen neuen Grabmalsstil betrachtet und- ver¬
wertet zu werden! Dann käme man Wohl
schließlich noch dazu, ein gutes Grab dem
Gefallenen als Verdienst anzurechnen! Nein
und abermals nein! Es ist doch von so
geradezu monumentaler Gleichgültigkeit, ob
der Musketier N. oder der Leutnant M. ein
gutes oder minder gutes Grabmal hat, oder
ob in den späteren Kunstgeschichten das
Schlachtendenkmal von Lothringen gepriesen
und das in der Champagne getadelt wird.
Nochmals: was geht uns heute Gräber- und
Denkmalsstil an? In dieser Zeit, die nur
eine Stilfrage kennen sollte: anständig seine
Schuldigkeit zu tun und, Wenn's nottut,
mit Anstand zu sterben wissen!... Ver¬
schone uns in diesem Krieg mit solchen
Dingen! ES kommt eben wahrhaftig auf
anderes an als auf Grabmalkunst und Denk¬
mäler!

Man mißverstehe mich nicht: ich rede
nicht einer Verkümmerung alles Geistigen
das Wort; nur dem Grabkunstsnobismus

[Spaltenumbruch]

sage ich Fehde an. Man tue heute sein
Bestes in Taten, draußen und drinnen, nach
Hindenburgscher Losung. Und wenn man
geistig weiterschaffen will (und die geistige
Arbeit auch als Selbstzweck soll gewiß nicht
liegen bleiben!), so ziehe man die Linien
nach, die das Zeitgeschehen uns — dem
einMien, der Nation, der Menschheit —
aufprägt. Das Tüfteln an alten Stilen
aber lasse man lieber bleiben — und erst
recht das Suchen nach neuen Ausdrucks¬
formen ; die kommen zu ihrer Zeit von selber
und setzen sich durch.

Also Krieg dem Grab- und Denkmals-
kunstsnobismuS und Krieg seinem Gefolge,
das da „Kriegerverehrung", „Heldenwürdi¬
gung" und ähnlich heißt! Das sind hoch¬
mütige Gesellen, aufgeblasene Luftballons
von Worten. Allen an der Front — und
vielleicht auch manchem Einsichtigen dahinter —
geschieht ein- Gefallen, wenn man auf das
Aussteigenlassen solcher Ballons verzichtet.
Wir sind keine „Krieger" und „Helden",
sondern Soldaten! Man streiche diese großen,
hohlen Worte aus dem Sprachregister unserer
Reinhard iveer Zeit!

Kriegsbeschädigte Offiziere als Amtsan-
w litte. Vor einiger Zeit ist ein Werk erschienen,
das sich betitelt: „Die Verwendungsmöglich¬
keiten der Kriegsbeschädigten in der Industrie,
in Handel, Gewerbe, Handwerk, Landwirt¬
schaft und Staatsbetrieben, herausgegeben
von Felix Krais, Kommerzienrat, Stuttgart."
In diesem an sich sehr verdienstvollen Buche
sind — entsprechend Wohl dem kaufmännischen
Berufe des Verfassers — die Möglichkeiten,
welche sich dem Kriegsbeschädigten im Staats¬
dienste bieten, zu kurz gekommen. Es wird
nur auf die Staatsstellen in Post, Eisenbahn¬
uno Militärwesen eingegangen. Es sei des¬
halb hier auf einen Beruf im Justizdienst
hingewiesen, welcher sich in. E. sür Offiziere,
die aus dem Militärdienst auszuscheiden ge¬
zwungen sind, besonders eignet, nämlich auf
den Beruf des Amtsanwalts.

Über den Amtsanwalt bestimmt § 143
Ger.-Verf.-Geh.: „Das Amt der Staats¬
anwaltschaft wird ausgeübt bei den Amts¬
gerichten und den Schöffengerichten durch einen
oder mehrere Amtsanwälte." Der Amts-

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[0299] Maßgebliches und Unmaßgebliches ganz allein, angeht; oder sie sind gar aufs tiefste verletzt, das von ihnen gesetzte Er¬ innerungszeichen als Schund oder Stillosig- keit gsbrandmarkt zu sehen. — Die Nach¬ fahren könnten durch minderwertige Grab¬ oder Denkmäler einen schlechten Begriff von unserem künstlerischen Können bekommen'? Mögen sie doch! Was liegt daran? Selbst wenn es in fünfzig oder hundert Jahren etwa heißen sollte: „Es war eine ernste, große Zeit — aber einen originellen Grab- und Denkmalsstil hat sie nicht gefunden" — die Gefahr dieser Kritik können wir un¬ bekümmert auf uns nehmen. Aus den Gräbern dieses Krieges, ob mit oder ohne Denkmal, käme den so hochmütig Tadelnden viel¬ tausendstimmig die Antwort: „Einen Denk¬ malsstil, verehrte Nachkommenschaft, haben wir nicht gefunden, in der Tat; dazu fehlte es uns an Zeit, weil wir vollauf damit be¬ schäftigt waren, uns rechtschaffen zu schlagen, um euch bie Güter, geistige und gegenständ¬ liche, zu erhalten, die wir vordem für uns und unsere Kinder errungen." — Die Denk¬ mals- und Grabmalskunst soll aus der Schwere dieser Zeit Anregung schöpfen? So? Nun, wir danken dafür, als Anreger für einen neuen Grabmalsstil betrachtet und- ver¬ wertet zu werden! Dann käme man Wohl schließlich noch dazu, ein gutes Grab dem Gefallenen als Verdienst anzurechnen! Nein und abermals nein! Es ist doch von so geradezu monumentaler Gleichgültigkeit, ob der Musketier N. oder der Leutnant M. ein gutes oder minder gutes Grabmal hat, oder ob in den späteren Kunstgeschichten das Schlachtendenkmal von Lothringen gepriesen und das in der Champagne getadelt wird. Nochmals: was geht uns heute Gräber- und Denkmalsstil an? In dieser Zeit, die nur eine Stilfrage kennen sollte: anständig seine Schuldigkeit zu tun und, Wenn's nottut, mit Anstand zu sterben wissen!... Ver¬ schone uns in diesem Krieg mit solchen Dingen! ES kommt eben wahrhaftig auf anderes an als auf Grabmalkunst und Denk¬ mäler! Man mißverstehe mich nicht: ich rede nicht einer Verkümmerung alles Geistigen das Wort; nur dem Grabkunstsnobismus sage ich Fehde an. Man tue heute sein Bestes in Taten, draußen und drinnen, nach Hindenburgscher Losung. Und wenn man geistig weiterschaffen will (und die geistige Arbeit auch als Selbstzweck soll gewiß nicht liegen bleiben!), so ziehe man die Linien nach, die das Zeitgeschehen uns — dem einMien, der Nation, der Menschheit — aufprägt. Das Tüfteln an alten Stilen aber lasse man lieber bleiben — und erst recht das Suchen nach neuen Ausdrucks¬ formen ; die kommen zu ihrer Zeit von selber und setzen sich durch. Also Krieg dem Grab- und Denkmals- kunstsnobismuS und Krieg seinem Gefolge, das da „Kriegerverehrung", „Heldenwürdi¬ gung" und ähnlich heißt! Das sind hoch¬ mütige Gesellen, aufgeblasene Luftballons von Worten. Allen an der Front — und vielleicht auch manchem Einsichtigen dahinter — geschieht ein- Gefallen, wenn man auf das Aussteigenlassen solcher Ballons verzichtet. Wir sind keine „Krieger" und „Helden", sondern Soldaten! Man streiche diese großen, hohlen Worte aus dem Sprachregister unserer Reinhard iveer Zeit! Kriegsbeschädigte Offiziere als Amtsan- w litte. Vor einiger Zeit ist ein Werk erschienen, das sich betitelt: „Die Verwendungsmöglich¬ keiten der Kriegsbeschädigten in der Industrie, in Handel, Gewerbe, Handwerk, Landwirt¬ schaft und Staatsbetrieben, herausgegeben von Felix Krais, Kommerzienrat, Stuttgart." In diesem an sich sehr verdienstvollen Buche sind — entsprechend Wohl dem kaufmännischen Berufe des Verfassers — die Möglichkeiten, welche sich dem Kriegsbeschädigten im Staats¬ dienste bieten, zu kurz gekommen. Es wird nur auf die Staatsstellen in Post, Eisenbahn¬ uno Militärwesen eingegangen. Es sei des¬ halb hier auf einen Beruf im Justizdienst hingewiesen, welcher sich in. E. sür Offiziere, die aus dem Militärdienst auszuscheiden ge¬ zwungen sind, besonders eignet, nämlich auf den Beruf des Amtsanwalts. Über den Amtsanwalt bestimmt § 143 Ger.-Verf.-Geh.: „Das Amt der Staats¬ anwaltschaft wird ausgeübt bei den Amts¬ gerichten und den Schöffengerichten durch einen oder mehrere Amtsanwälte." Der Amts-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/299>, abgerufen am 23.07.2024.