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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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erweitert worden sind, durch die die Vereinigten Staaten noch mehr als wohl¬
wollende Neutralität zusicherten.

Es erhebt sich aber damit um so schärfer die Frage, was Japan zu alle-
dem sagen und tun wird. In Japan hat die Tatsache außerordentlich verstimmt,
daß der amerikanische Senat jüngst, trotz des förmlichen Ersuchens des
japanischen Botschafters um Abänderung, das Einwanderungsgesetz angenommen
hat, das sich scheinbar gegen die Analphabeten, in Wirklichkeit aber gegen die
Gelben richtet. In den größeren Städten Japans wurden von den Massen,
und zwar von Tausenden, Protestkundgebungen gegen die Union veranstaltet.
Nach der "Täglichen Rundschau" ist man in Japan von einer Verbindung
zwischen Amerika und England gegen Deutschland und Japan sehr gut unter¬
richtet. Lauter denn je fordern die japanischen Zeitungen die Kündigung des
japanisch-englischen Bündnisses und seinen Ersatz durch ein deutsch-japanisches
Bündnis gegen England. Die japanische Regierung wird aufgefordert, noch
während des jetzigen Krieges den Vereinigten Staaten den Krieg zu erklären,
da England während des Krieges mit Deutschland der Union keinen Beistand
leisten könne. Japan wird nicht mit Gleichgültigkeit zusehen, daß sich das
mächtige und reiche Amerika militarisiert. Wie ich schon neulich bemerkte, wird
es, wenn es klug ist, nicht so lange warten, bis Nordamerika seine Rüstungen
vollendet hat, sondern höchstens solange, bis England möglichst erschöpft ist.
Es wird wohl zunächst einmal die Folgen unseres verschärften U-Bootskrieges
gegen England abwarten und seine Ansprüche in einem Zeitpunkte erheben, wo
England als tätiger Helfer Nordamerikas nicht mehr in Betracht kommt. Wir
werden nicht allzugroße Hoffnungen hegen dürfen, daß Japan in kurzer Zeit
schon Schritte gegen die Union unternimmt; aber wir werden doch das Vor¬
gehen Japans im Auge behalten müssen, um rechtzeitig das Eisen zu schmieden.

In der japanischen Presse sagt man Lloyd George nach, sein Ehrgeiz ginge
darauf aus, ein enges Bündnis zwischen England, Rußland und den Vereinigten
Staaten zu schaffen. Der englischen Diplomatie ist es auch schon gelungen, die
Beziehungen zwischen Rußland und Japan merklich abzukühlen. Man weiß in
Tokio nur zu wohl, daß die englischen Bestrebungen dahin zielen, Japan die
Vormachtstellung, die es im Osten errungen hat. wieder zu entreißen. --
Andererseits ist in der letzten Zeit im amerikanischen Senat deutlich genug aus¬
gesprochen worden, daß Japan eine größere Gefahr für Nordamerika sei als
Deutschland. So findet uns vielleicht schon der Ausgang des Krieges in der
günstigen Lage, daß Japan und Nordamerika, eines um des anderen willen,
sich bemühen werden, wieder in freundschaftliche Beziehungen zu uns zu treten;
daß dieses bereit sein wird, uns sür unsere politische Stellungnahme weitgehende
wirtschaftliche Zugeständnisse zu machen; jenes willens sein wird, uns aus dem¬
selben Grunde Genugtuung für Tsingtau und offene Tür in China zu gewähren.
Sache unserer Diplomatie wird es sein, eine dann für uns bestehende günstige
Lage zu möglichst großem Vorteil für uns auszunützen. Jedenfalls dürfen wir


Mlson, Japan und wir

erweitert worden sind, durch die die Vereinigten Staaten noch mehr als wohl¬
wollende Neutralität zusicherten.

Es erhebt sich aber damit um so schärfer die Frage, was Japan zu alle-
dem sagen und tun wird. In Japan hat die Tatsache außerordentlich verstimmt,
daß der amerikanische Senat jüngst, trotz des förmlichen Ersuchens des
japanischen Botschafters um Abänderung, das Einwanderungsgesetz angenommen
hat, das sich scheinbar gegen die Analphabeten, in Wirklichkeit aber gegen die
Gelben richtet. In den größeren Städten Japans wurden von den Massen,
und zwar von Tausenden, Protestkundgebungen gegen die Union veranstaltet.
Nach der „Täglichen Rundschau" ist man in Japan von einer Verbindung
zwischen Amerika und England gegen Deutschland und Japan sehr gut unter¬
richtet. Lauter denn je fordern die japanischen Zeitungen die Kündigung des
japanisch-englischen Bündnisses und seinen Ersatz durch ein deutsch-japanisches
Bündnis gegen England. Die japanische Regierung wird aufgefordert, noch
während des jetzigen Krieges den Vereinigten Staaten den Krieg zu erklären,
da England während des Krieges mit Deutschland der Union keinen Beistand
leisten könne. Japan wird nicht mit Gleichgültigkeit zusehen, daß sich das
mächtige und reiche Amerika militarisiert. Wie ich schon neulich bemerkte, wird
es, wenn es klug ist, nicht so lange warten, bis Nordamerika seine Rüstungen
vollendet hat, sondern höchstens solange, bis England möglichst erschöpft ist.
Es wird wohl zunächst einmal die Folgen unseres verschärften U-Bootskrieges
gegen England abwarten und seine Ansprüche in einem Zeitpunkte erheben, wo
England als tätiger Helfer Nordamerikas nicht mehr in Betracht kommt. Wir
werden nicht allzugroße Hoffnungen hegen dürfen, daß Japan in kurzer Zeit
schon Schritte gegen die Union unternimmt; aber wir werden doch das Vor¬
gehen Japans im Auge behalten müssen, um rechtzeitig das Eisen zu schmieden.

In der japanischen Presse sagt man Lloyd George nach, sein Ehrgeiz ginge
darauf aus, ein enges Bündnis zwischen England, Rußland und den Vereinigten
Staaten zu schaffen. Der englischen Diplomatie ist es auch schon gelungen, die
Beziehungen zwischen Rußland und Japan merklich abzukühlen. Man weiß in
Tokio nur zu wohl, daß die englischen Bestrebungen dahin zielen, Japan die
Vormachtstellung, die es im Osten errungen hat. wieder zu entreißen. —
Andererseits ist in der letzten Zeit im amerikanischen Senat deutlich genug aus¬
gesprochen worden, daß Japan eine größere Gefahr für Nordamerika sei als
Deutschland. So findet uns vielleicht schon der Ausgang des Krieges in der
günstigen Lage, daß Japan und Nordamerika, eines um des anderen willen,
sich bemühen werden, wieder in freundschaftliche Beziehungen zu uns zu treten;
daß dieses bereit sein wird, uns sür unsere politische Stellungnahme weitgehende
wirtschaftliche Zugeständnisse zu machen; jenes willens sein wird, uns aus dem¬
selben Grunde Genugtuung für Tsingtau und offene Tür in China zu gewähren.
Sache unserer Diplomatie wird es sein, eine dann für uns bestehende günstige
Lage zu möglichst großem Vorteil für uns auszunützen. Jedenfalls dürfen wir


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[0273] Mlson, Japan und wir erweitert worden sind, durch die die Vereinigten Staaten noch mehr als wohl¬ wollende Neutralität zusicherten. Es erhebt sich aber damit um so schärfer die Frage, was Japan zu alle- dem sagen und tun wird. In Japan hat die Tatsache außerordentlich verstimmt, daß der amerikanische Senat jüngst, trotz des förmlichen Ersuchens des japanischen Botschafters um Abänderung, das Einwanderungsgesetz angenommen hat, das sich scheinbar gegen die Analphabeten, in Wirklichkeit aber gegen die Gelben richtet. In den größeren Städten Japans wurden von den Massen, und zwar von Tausenden, Protestkundgebungen gegen die Union veranstaltet. Nach der „Täglichen Rundschau" ist man in Japan von einer Verbindung zwischen Amerika und England gegen Deutschland und Japan sehr gut unter¬ richtet. Lauter denn je fordern die japanischen Zeitungen die Kündigung des japanisch-englischen Bündnisses und seinen Ersatz durch ein deutsch-japanisches Bündnis gegen England. Die japanische Regierung wird aufgefordert, noch während des jetzigen Krieges den Vereinigten Staaten den Krieg zu erklären, da England während des Krieges mit Deutschland der Union keinen Beistand leisten könne. Japan wird nicht mit Gleichgültigkeit zusehen, daß sich das mächtige und reiche Amerika militarisiert. Wie ich schon neulich bemerkte, wird es, wenn es klug ist, nicht so lange warten, bis Nordamerika seine Rüstungen vollendet hat, sondern höchstens solange, bis England möglichst erschöpft ist. Es wird wohl zunächst einmal die Folgen unseres verschärften U-Bootskrieges gegen England abwarten und seine Ansprüche in einem Zeitpunkte erheben, wo England als tätiger Helfer Nordamerikas nicht mehr in Betracht kommt. Wir werden nicht allzugroße Hoffnungen hegen dürfen, daß Japan in kurzer Zeit schon Schritte gegen die Union unternimmt; aber wir werden doch das Vor¬ gehen Japans im Auge behalten müssen, um rechtzeitig das Eisen zu schmieden. In der japanischen Presse sagt man Lloyd George nach, sein Ehrgeiz ginge darauf aus, ein enges Bündnis zwischen England, Rußland und den Vereinigten Staaten zu schaffen. Der englischen Diplomatie ist es auch schon gelungen, die Beziehungen zwischen Rußland und Japan merklich abzukühlen. Man weiß in Tokio nur zu wohl, daß die englischen Bestrebungen dahin zielen, Japan die Vormachtstellung, die es im Osten errungen hat. wieder zu entreißen. — Andererseits ist in der letzten Zeit im amerikanischen Senat deutlich genug aus¬ gesprochen worden, daß Japan eine größere Gefahr für Nordamerika sei als Deutschland. So findet uns vielleicht schon der Ausgang des Krieges in der günstigen Lage, daß Japan und Nordamerika, eines um des anderen willen, sich bemühen werden, wieder in freundschaftliche Beziehungen zu uns zu treten; daß dieses bereit sein wird, uns sür unsere politische Stellungnahme weitgehende wirtschaftliche Zugeständnisse zu machen; jenes willens sein wird, uns aus dem¬ selben Grunde Genugtuung für Tsingtau und offene Tür in China zu gewähren. Sache unserer Diplomatie wird es sein, eine dann für uns bestehende günstige Lage zu möglichst großem Vorteil für uns auszunützen. Jedenfalls dürfen wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/273>, abgerufen am 23.07.2024.