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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Europas fände. Daher auch die Worte Wilsons, daß es "ein Friede werden
muß ohne Sieg." Die kriegführenden Teile sollen sich nicht sämtlich so er¬
schöpfen, daß keiner, namentlich aber England, nicht mehr fähig sind, die Union
demnächst gegen Japan zu unterstützen. Und der Friede soll nicht von einer
Kriegspartei der anderen diktiert, aufgezwungen werden, weil dann die Gefahr
besteht, daß zwischen den jetzigen kriegführenden europäischen Staaten der Krieg
wieder von neuem ausbricht, vielleicht gerade in dem Zeitpunkt, wo Amerika
die Hilfe Europas notwendig braucht. -- Endlich gewinnt auch der etwas
phantastische Gedanke Wilsons von einer Friedensliga, einem Weltfriedensbunde,
der "den Frieden und das Recht auf der ganzen Welt sichern" soll, angesichts
der japanischen Gefahr greifbarere Gestalt und Ziele. Japan soll eben, wenn
es die Union angreift, von allen europäischen und amerikanischen Staaten als
"Friedensbrecher" in seine Schranken zurückgewiesen werden. "Wär' der Gebaut'
nicht so verwünscht gescheit, man wär' versucht, ihn herzlich dumm zu
nennen."

Außer diesen Erwägungen waren auch noch andere für Wilsons Schritte
bestimmend. Ich habe in dem ersten Aufsatz schon darauf hingewiesen, welch
großes Interesse Nordamerika daran hat. daß sich England in dem jetzigen
Kriege nicht völlig erschöpft; einmal, weil infolge der starken Verschuldung
Englands gegenüber den amerikanischen Gläubigern eine völlige Niederlage
oder auch nur eine finanziell-wirtschaftliche Erschöpfung Englands der Union
an und für sich schon höchst unerwünscht sein muß; ferner deshalb, weil die
von der Union England bei der Auseinandersetzung mit Japan zugedachte
Rolle erst recht es jener nahelegen muß, alles zu tun. um eine völlige
Niederlage Englands zu verhüten oder auch nur zu verhindern, daß England
zwar unbesiegt, aber doch völlig erschöpft aus dem großen Ringen hervorgeht.
Trat in der Botschaft Wilsons vom 22. Januar 1917 das Interesse an einem
baldigen Ende des Krieges am meisten hervor, so fügte sich der Abbruch der
diplomatischen Beziehungen zu Deutschland, nachdem wir den verschärften
U>Bootskrieg erklärt hatten, folgerichtig dem ganzen Vorgehen Wilsons ein,
das er während des Weltkrieges stets beobachtet hatte: uns immer dann in
den Arm zu fallen, wenn wir uns anschickten, England an dessen Lebensnerv
zu rühren. Das Ideal der Union wäre es gewesen, wenn unsere Gegner
einen schnellen und leichten Sieg über uns davongetragen hätten, durch den
wir unsere Kriegs- und Handelsflotte verloren hätten. England kann die
Vereinigten Staaten bei einer Auseinandersetzung mit Japan nur dann wirk¬
sam unterstützen, wenn es unsere Flotte in der Nordsee nicht mehr zu fürchten
braucht. Nachdem die Union ihre Hoffnung auf eine völlige Demütigung und
Schwächung Deutschlands hatte begraben müssen, versuchte sie. uns wenigstens
durch Sirenengesänge für den künftigen Weltfriedensbund einzufangen.

Unser verschärfter U-Bootskrieg aber mußte in Nordamerika eine doppelte
Befürchtung auslösen: einmal die. daß England von uns niedergezwungen


Europas fände. Daher auch die Worte Wilsons, daß es „ein Friede werden
muß ohne Sieg." Die kriegführenden Teile sollen sich nicht sämtlich so er¬
schöpfen, daß keiner, namentlich aber England, nicht mehr fähig sind, die Union
demnächst gegen Japan zu unterstützen. Und der Friede soll nicht von einer
Kriegspartei der anderen diktiert, aufgezwungen werden, weil dann die Gefahr
besteht, daß zwischen den jetzigen kriegführenden europäischen Staaten der Krieg
wieder von neuem ausbricht, vielleicht gerade in dem Zeitpunkt, wo Amerika
die Hilfe Europas notwendig braucht. — Endlich gewinnt auch der etwas
phantastische Gedanke Wilsons von einer Friedensliga, einem Weltfriedensbunde,
der „den Frieden und das Recht auf der ganzen Welt sichern" soll, angesichts
der japanischen Gefahr greifbarere Gestalt und Ziele. Japan soll eben, wenn
es die Union angreift, von allen europäischen und amerikanischen Staaten als
„Friedensbrecher" in seine Schranken zurückgewiesen werden. „Wär' der Gebaut'
nicht so verwünscht gescheit, man wär' versucht, ihn herzlich dumm zu
nennen."

Außer diesen Erwägungen waren auch noch andere für Wilsons Schritte
bestimmend. Ich habe in dem ersten Aufsatz schon darauf hingewiesen, welch
großes Interesse Nordamerika daran hat. daß sich England in dem jetzigen
Kriege nicht völlig erschöpft; einmal, weil infolge der starken Verschuldung
Englands gegenüber den amerikanischen Gläubigern eine völlige Niederlage
oder auch nur eine finanziell-wirtschaftliche Erschöpfung Englands der Union
an und für sich schon höchst unerwünscht sein muß; ferner deshalb, weil die
von der Union England bei der Auseinandersetzung mit Japan zugedachte
Rolle erst recht es jener nahelegen muß, alles zu tun. um eine völlige
Niederlage Englands zu verhüten oder auch nur zu verhindern, daß England
zwar unbesiegt, aber doch völlig erschöpft aus dem großen Ringen hervorgeht.
Trat in der Botschaft Wilsons vom 22. Januar 1917 das Interesse an einem
baldigen Ende des Krieges am meisten hervor, so fügte sich der Abbruch der
diplomatischen Beziehungen zu Deutschland, nachdem wir den verschärften
U>Bootskrieg erklärt hatten, folgerichtig dem ganzen Vorgehen Wilsons ein,
das er während des Weltkrieges stets beobachtet hatte: uns immer dann in
den Arm zu fallen, wenn wir uns anschickten, England an dessen Lebensnerv
zu rühren. Das Ideal der Union wäre es gewesen, wenn unsere Gegner
einen schnellen und leichten Sieg über uns davongetragen hätten, durch den
wir unsere Kriegs- und Handelsflotte verloren hätten. England kann die
Vereinigten Staaten bei einer Auseinandersetzung mit Japan nur dann wirk¬
sam unterstützen, wenn es unsere Flotte in der Nordsee nicht mehr zu fürchten
braucht. Nachdem die Union ihre Hoffnung auf eine völlige Demütigung und
Schwächung Deutschlands hatte begraben müssen, versuchte sie. uns wenigstens
durch Sirenengesänge für den künftigen Weltfriedensbund einzufangen.

Unser verschärfter U-Bootskrieg aber mußte in Nordamerika eine doppelte
Befürchtung auslösen: einmal die. daß England von uns niedergezwungen


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[0270] Europas fände. Daher auch die Worte Wilsons, daß es „ein Friede werden muß ohne Sieg." Die kriegführenden Teile sollen sich nicht sämtlich so er¬ schöpfen, daß keiner, namentlich aber England, nicht mehr fähig sind, die Union demnächst gegen Japan zu unterstützen. Und der Friede soll nicht von einer Kriegspartei der anderen diktiert, aufgezwungen werden, weil dann die Gefahr besteht, daß zwischen den jetzigen kriegführenden europäischen Staaten der Krieg wieder von neuem ausbricht, vielleicht gerade in dem Zeitpunkt, wo Amerika die Hilfe Europas notwendig braucht. — Endlich gewinnt auch der etwas phantastische Gedanke Wilsons von einer Friedensliga, einem Weltfriedensbunde, der „den Frieden und das Recht auf der ganzen Welt sichern" soll, angesichts der japanischen Gefahr greifbarere Gestalt und Ziele. Japan soll eben, wenn es die Union angreift, von allen europäischen und amerikanischen Staaten als „Friedensbrecher" in seine Schranken zurückgewiesen werden. „Wär' der Gebaut' nicht so verwünscht gescheit, man wär' versucht, ihn herzlich dumm zu nennen." Außer diesen Erwägungen waren auch noch andere für Wilsons Schritte bestimmend. Ich habe in dem ersten Aufsatz schon darauf hingewiesen, welch großes Interesse Nordamerika daran hat. daß sich England in dem jetzigen Kriege nicht völlig erschöpft; einmal, weil infolge der starken Verschuldung Englands gegenüber den amerikanischen Gläubigern eine völlige Niederlage oder auch nur eine finanziell-wirtschaftliche Erschöpfung Englands der Union an und für sich schon höchst unerwünscht sein muß; ferner deshalb, weil die von der Union England bei der Auseinandersetzung mit Japan zugedachte Rolle erst recht es jener nahelegen muß, alles zu tun. um eine völlige Niederlage Englands zu verhüten oder auch nur zu verhindern, daß England zwar unbesiegt, aber doch völlig erschöpft aus dem großen Ringen hervorgeht. Trat in der Botschaft Wilsons vom 22. Januar 1917 das Interesse an einem baldigen Ende des Krieges am meisten hervor, so fügte sich der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Deutschland, nachdem wir den verschärften U>Bootskrieg erklärt hatten, folgerichtig dem ganzen Vorgehen Wilsons ein, das er während des Weltkrieges stets beobachtet hatte: uns immer dann in den Arm zu fallen, wenn wir uns anschickten, England an dessen Lebensnerv zu rühren. Das Ideal der Union wäre es gewesen, wenn unsere Gegner einen schnellen und leichten Sieg über uns davongetragen hätten, durch den wir unsere Kriegs- und Handelsflotte verloren hätten. England kann die Vereinigten Staaten bei einer Auseinandersetzung mit Japan nur dann wirk¬ sam unterstützen, wenn es unsere Flotte in der Nordsee nicht mehr zu fürchten braucht. Nachdem die Union ihre Hoffnung auf eine völlige Demütigung und Schwächung Deutschlands hatte begraben müssen, versuchte sie. uns wenigstens durch Sirenengesänge für den künftigen Weltfriedensbund einzufangen. Unser verschärfter U-Bootskrieg aber mußte in Nordamerika eine doppelte Befürchtung auslösen: einmal die. daß England von uns niedergezwungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/270>, abgerufen am 25.08.2024.