Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.Zum Aamxfe um das Bildungsideal von Habsburg; ich denke an den Judas Makkabäus Otto Ludwigs, der seinen Spranger hat klar und lebendig gezeigt, wie das allgemeine Gepräge Zum Aamxfe um das Bildungsideal von Habsburg; ich denke an den Judas Makkabäus Otto Ludwigs, der seinen Spranger hat klar und lebendig gezeigt, wie das allgemeine Gepräge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331436"/> <fw type="header" place="top"> Zum Aamxfe um das Bildungsideal</fw><lb/> <p xml:id="ID_51" prev="#ID_50"> von Habsburg; ich denke an den Judas Makkabäus Otto Ludwigs, der seinen<lb/> trotzigen Eigenwillen schließlich dem (theokratisch gefärbten) Staatsgrundsatz auf¬<lb/> opfert; oder an Richard Wagners „Meistersinger", wo der Kampf zwischen dem<lb/> einzelnen und der Gesamtheit und ihre endliche Vereinigung auf höherer Linie<lb/> ganz innerhalb der Schranken künstlerischen Lebens und Schaffens sich abspielt,<lb/> wo aber das künstlerische Dasein gleich dem religiösen bei Otto Ludwig als ein<lb/> Gleichnis höchster Gemeinsamkeit überhaupt aufgefaßt sein will. Unmittelbarer,<lb/> ja rücksichtsloser als sie alle hat Friedrich Hebbel das höhere Recht des Staates<lb/> gegenüber dem einzelnen anerkannt und verfochten. Wieder und wieder ist in<lb/> diesen Tagen so manches geradezu prophetische Wort des Taglöhnersohnes<lb/> wiederholt worden, in dem doch der ganze aristokratische Stolz des dithmarstschen<lb/> Bauern lebte; keines dieser Worte aber ergreift uns so tief als die eherne<lb/> tragische Notwendigkeit, mit der er seine Agnes Bernauer, ihre Schönheit und<lb/> ihre Liebenswürdigkeit, ihre Unschuld und selbst ihr unbestreitbares Recht auf<lb/> persönliche Lebensgestaltung unerbittlich dem höheren Recht, der unverletzlichen<lb/> Selbsterhaltungspflicht des Staates aufopfert. Wenn dabei der Gedanke durch¬<lb/> blitzt — und durchblitzen soll! — daß Zeiten kommen werden, wo das junge<lb/> Eheglück eines Bürgerkindes und eines Fürstensohnes nicht mehr wird aufgeopfert<lb/> werden müssen, um den Staat zu erhalten, so liegt ihm keine grausame Zeitsatire,<lb/> sondern die dem modernen Menschen unbestreitbare Tatsache zugrunde, daß andere<lb/> Zeiten andere Mittel und andere Wege bringen, während die grundsätzlich<lb/> höhere Bewertung des Ganzen auf Kosten des einzelnen unverändert fortbestehen<lb/> müsse. Die Wirkung Hebbels aber erstreckt sich bis in die unmittelbare Gegenwart<lb/> hinein und so brauchen wir kaum auf die mannigfachen politischen Beziehungen<lb/> in der Kunst der Zwischenzeit zu erinnern, um uns bewußt zu erhalten, daß<lb/> seit den Tagen des deutscheu Idealismus auch in dem Gebiete der Kunst und<lb/> zumal der Dichtung, das seit den Tagen unsrer Klassiker wie eine abgeschiedene<lb/> Insel abseits vom Lärm des Alltags dazuliegen schien, die großen völkischen<lb/> und staatlichen Antriebe nie gefehlt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_52" next="#ID_53"> Spranger hat klar und lebendig gezeigt, wie das allgemeine Gepräge<lb/> unserer Zeit, die Hinneigung auf das praktische Berufsleben und vor allem<lb/> auf das gesellschaftliche Streben nach gemeinsamen Zielen mit innerer Notwendigkeit<lb/> auch die Schule ergriffen hat, bis zu einem Grade, der uns bisweilen eine<lb/> gewisse Sorge erregt: als möchte über der vielen Vereinstätigkeit und Organisations¬<lb/> arbeit jeder Art, (unter denen selbstverständlich die Sicherung der Wehrkraft<lb/> unserer Jugend mit vollem Recht an erster Stelle steht,) der Jugend jene<lb/> heilige Einsamkeit der Seele ganz verloren gehen, in der sich in früheren Tagen<lb/> so manche wertvolle Persönlichkeit ahnungsvoll entfaltet hat. Aber wenn irgend<lb/> etwas, so können uns Sprangers Ausführungen auch hier beruhigen: daß in<lb/> Übergangszeitaltern Mißgriffe und Grenzüberschreitungen vorkommen, liegt im<lb/> Wesen jeder kräftigen Entwicklung. Aber die moderne Erziehung, die gewiß<lb/> nicht rein oder auch nur vorwiegend auf das Politische im engeren Sinn</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Zum Aamxfe um das Bildungsideal
von Habsburg; ich denke an den Judas Makkabäus Otto Ludwigs, der seinen
trotzigen Eigenwillen schließlich dem (theokratisch gefärbten) Staatsgrundsatz auf¬
opfert; oder an Richard Wagners „Meistersinger", wo der Kampf zwischen dem
einzelnen und der Gesamtheit und ihre endliche Vereinigung auf höherer Linie
ganz innerhalb der Schranken künstlerischen Lebens und Schaffens sich abspielt,
wo aber das künstlerische Dasein gleich dem religiösen bei Otto Ludwig als ein
Gleichnis höchster Gemeinsamkeit überhaupt aufgefaßt sein will. Unmittelbarer,
ja rücksichtsloser als sie alle hat Friedrich Hebbel das höhere Recht des Staates
gegenüber dem einzelnen anerkannt und verfochten. Wieder und wieder ist in
diesen Tagen so manches geradezu prophetische Wort des Taglöhnersohnes
wiederholt worden, in dem doch der ganze aristokratische Stolz des dithmarstschen
Bauern lebte; keines dieser Worte aber ergreift uns so tief als die eherne
tragische Notwendigkeit, mit der er seine Agnes Bernauer, ihre Schönheit und
ihre Liebenswürdigkeit, ihre Unschuld und selbst ihr unbestreitbares Recht auf
persönliche Lebensgestaltung unerbittlich dem höheren Recht, der unverletzlichen
Selbsterhaltungspflicht des Staates aufopfert. Wenn dabei der Gedanke durch¬
blitzt — und durchblitzen soll! — daß Zeiten kommen werden, wo das junge
Eheglück eines Bürgerkindes und eines Fürstensohnes nicht mehr wird aufgeopfert
werden müssen, um den Staat zu erhalten, so liegt ihm keine grausame Zeitsatire,
sondern die dem modernen Menschen unbestreitbare Tatsache zugrunde, daß andere
Zeiten andere Mittel und andere Wege bringen, während die grundsätzlich
höhere Bewertung des Ganzen auf Kosten des einzelnen unverändert fortbestehen
müsse. Die Wirkung Hebbels aber erstreckt sich bis in die unmittelbare Gegenwart
hinein und so brauchen wir kaum auf die mannigfachen politischen Beziehungen
in der Kunst der Zwischenzeit zu erinnern, um uns bewußt zu erhalten, daß
seit den Tagen des deutscheu Idealismus auch in dem Gebiete der Kunst und
zumal der Dichtung, das seit den Tagen unsrer Klassiker wie eine abgeschiedene
Insel abseits vom Lärm des Alltags dazuliegen schien, die großen völkischen
und staatlichen Antriebe nie gefehlt haben.
Spranger hat klar und lebendig gezeigt, wie das allgemeine Gepräge
unserer Zeit, die Hinneigung auf das praktische Berufsleben und vor allem
auf das gesellschaftliche Streben nach gemeinsamen Zielen mit innerer Notwendigkeit
auch die Schule ergriffen hat, bis zu einem Grade, der uns bisweilen eine
gewisse Sorge erregt: als möchte über der vielen Vereinstätigkeit und Organisations¬
arbeit jeder Art, (unter denen selbstverständlich die Sicherung der Wehrkraft
unserer Jugend mit vollem Recht an erster Stelle steht,) der Jugend jene
heilige Einsamkeit der Seele ganz verloren gehen, in der sich in früheren Tagen
so manche wertvolle Persönlichkeit ahnungsvoll entfaltet hat. Aber wenn irgend
etwas, so können uns Sprangers Ausführungen auch hier beruhigen: daß in
Übergangszeitaltern Mißgriffe und Grenzüberschreitungen vorkommen, liegt im
Wesen jeder kräftigen Entwicklung. Aber die moderne Erziehung, die gewiß
nicht rein oder auch nur vorwiegend auf das Politische im engeren Sinn
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