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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

Teile überein. daß die preußischen Waren, besonders schlesische und westfälische
Leinwand, Tuche und Wollenstoffe in den Vereinigten Staaten von Amerika
keine anderen und höheren als die von den höchstbegünstigten Nationen ent¬
richteten Zölle bezahlen sollen. In derselben Weise sind die amerikanischen
Stapelprodukte wie virginischer Tabak, Reis, Indigo, Pelze usw. bei ihrer
Einfuhr in preußische Häfen nur den von den höchstbegünstigten Nationen be¬
zahlten Zöllen unterworfen."

Als der Kongreß sich nicht mit allen Punkten des preußischen Entwurfes
einverstanden erklärte und einige Abänderungen vorschlug, war Friedrich sofort
bereit, einen neuen amerikanischen Gegenentwurf anzunehmen, in dem der
Kongreß alle seine Lieblingsideen von der Humanisierung des Krieges nieder¬
gelegt hatte. "Wir bemerken", so hatten in einem Begleitschreiben zu diesem
Gegenentwurf die drei Bevollmächtigten des Kongresses an Thulemeier ge¬
schrieben, "wir bemerken hier also nur, daß die Annahme dieses Artikels,
(es war der dreiundzwanzigste des amerikanischen Entwurfes), weil er das Beste
der Menschheit im Auge hat und das Unglück des Krieges mildert, für die
ersten ihm zustimmenden Mächte und ganz besonders Seine Majestät von Preußen
äußerst ehrenvoll sein wird, zumal wenn der König, dessen Untertanen durch
seine Macht und seinen Geist bekanntlich so gut verteidigt sind, daß eine der¬
artige Vereinbarung für sie, selbst in Kriegszeiten, ganz überflüssig ist, zuerst
das Beispiel des Beitritts zu diesen Artikeln gebe."

Um diesen dreiundzwanzigsten Artikel, der ihm sehr am Herzen lag. und
den er schon 1783 vergeblich in den Friedensvertrag mit England hatte ein-
flicken wollen, durchzusetzen, hatte Franklin für die preußischen Staatsmänner
eine besondere Denkschrift verfaßt. "Nach dem ursprünglichen Völkerrecht" --
so heißt es wörtlich in der Denkschrift, die so ganz den optimistischen, zukunfts¬
frohen Ton des Jahrhunderts atmet -- "waren Krieg und Ausrottung die
Strafe für ein Unrecht. Es wurde aber allmählich immer menschlicher und
setzte die Sklaverei an die Stelle des Todes, es machte einen Schritt weiter
und tauschte die Gefangenen aus, statt sie zu Sklaven zu machen; es ging
noch weiter und erkannte in den eroberten Ländern das Privateigentum an,
indem es sich mit der politischen Herrschaft begnügte. Warum sollte nun dieses
Völkerrecht nicht fernerer Verbesserungen fähig sein? Ganze Jahrhunderte hat
es für jeden seiner Fortschritte gebraucht; da aber in neuerer Zeit die Erkenntnis
mächtig wächst, warum sollen diese Fortschritte nicht beschleunigt, warum soll
nicht das Völkerrecht künftiger Zeiten dahin bestimmt werden, daß in irgend¬
einem später ausbrechenden Kriege die folgende Klasse von Menschen unbehelligt
bleiben, ja den Schutz beider Teile genießen und ihren Beruf in Ruhe und
Sicherheit ausüben soll? (Franklin war dafür eingetreten, daß im Falle eines
Krieges Angehörige der feindlichen Länder, wie Bauern, Handwerker, Künstler und
Gelehrte, weiterhin ihrem Beruf ungestört nachgehen dürften.) -- Das Interesse
der Menschheit gebietet überhaupt, daß die Gelegenheiten des Krieges und die


Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

Teile überein. daß die preußischen Waren, besonders schlesische und westfälische
Leinwand, Tuche und Wollenstoffe in den Vereinigten Staaten von Amerika
keine anderen und höheren als die von den höchstbegünstigten Nationen ent¬
richteten Zölle bezahlen sollen. In derselben Weise sind die amerikanischen
Stapelprodukte wie virginischer Tabak, Reis, Indigo, Pelze usw. bei ihrer
Einfuhr in preußische Häfen nur den von den höchstbegünstigten Nationen be¬
zahlten Zöllen unterworfen."

Als der Kongreß sich nicht mit allen Punkten des preußischen Entwurfes
einverstanden erklärte und einige Abänderungen vorschlug, war Friedrich sofort
bereit, einen neuen amerikanischen Gegenentwurf anzunehmen, in dem der
Kongreß alle seine Lieblingsideen von der Humanisierung des Krieges nieder¬
gelegt hatte. „Wir bemerken", so hatten in einem Begleitschreiben zu diesem
Gegenentwurf die drei Bevollmächtigten des Kongresses an Thulemeier ge¬
schrieben, „wir bemerken hier also nur, daß die Annahme dieses Artikels,
(es war der dreiundzwanzigste des amerikanischen Entwurfes), weil er das Beste
der Menschheit im Auge hat und das Unglück des Krieges mildert, für die
ersten ihm zustimmenden Mächte und ganz besonders Seine Majestät von Preußen
äußerst ehrenvoll sein wird, zumal wenn der König, dessen Untertanen durch
seine Macht und seinen Geist bekanntlich so gut verteidigt sind, daß eine der¬
artige Vereinbarung für sie, selbst in Kriegszeiten, ganz überflüssig ist, zuerst
das Beispiel des Beitritts zu diesen Artikeln gebe."

Um diesen dreiundzwanzigsten Artikel, der ihm sehr am Herzen lag. und
den er schon 1783 vergeblich in den Friedensvertrag mit England hatte ein-
flicken wollen, durchzusetzen, hatte Franklin für die preußischen Staatsmänner
eine besondere Denkschrift verfaßt. „Nach dem ursprünglichen Völkerrecht" —
so heißt es wörtlich in der Denkschrift, die so ganz den optimistischen, zukunfts¬
frohen Ton des Jahrhunderts atmet — „waren Krieg und Ausrottung die
Strafe für ein Unrecht. Es wurde aber allmählich immer menschlicher und
setzte die Sklaverei an die Stelle des Todes, es machte einen Schritt weiter
und tauschte die Gefangenen aus, statt sie zu Sklaven zu machen; es ging
noch weiter und erkannte in den eroberten Ländern das Privateigentum an,
indem es sich mit der politischen Herrschaft begnügte. Warum sollte nun dieses
Völkerrecht nicht fernerer Verbesserungen fähig sein? Ganze Jahrhunderte hat
es für jeden seiner Fortschritte gebraucht; da aber in neuerer Zeit die Erkenntnis
mächtig wächst, warum sollen diese Fortschritte nicht beschleunigt, warum soll
nicht das Völkerrecht künftiger Zeiten dahin bestimmt werden, daß in irgend¬
einem später ausbrechenden Kriege die folgende Klasse von Menschen unbehelligt
bleiben, ja den Schutz beider Teile genießen und ihren Beruf in Ruhe und
Sicherheit ausüben soll? (Franklin war dafür eingetreten, daß im Falle eines
Krieges Angehörige der feindlichen Länder, wie Bauern, Handwerker, Künstler und
Gelehrte, weiterhin ihrem Beruf ungestört nachgehen dürften.) — Das Interesse
der Menschheit gebietet überhaupt, daß die Gelegenheiten des Krieges und die


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[0247] Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag Teile überein. daß die preußischen Waren, besonders schlesische und westfälische Leinwand, Tuche und Wollenstoffe in den Vereinigten Staaten von Amerika keine anderen und höheren als die von den höchstbegünstigten Nationen ent¬ richteten Zölle bezahlen sollen. In derselben Weise sind die amerikanischen Stapelprodukte wie virginischer Tabak, Reis, Indigo, Pelze usw. bei ihrer Einfuhr in preußische Häfen nur den von den höchstbegünstigten Nationen be¬ zahlten Zöllen unterworfen." Als der Kongreß sich nicht mit allen Punkten des preußischen Entwurfes einverstanden erklärte und einige Abänderungen vorschlug, war Friedrich sofort bereit, einen neuen amerikanischen Gegenentwurf anzunehmen, in dem der Kongreß alle seine Lieblingsideen von der Humanisierung des Krieges nieder¬ gelegt hatte. „Wir bemerken", so hatten in einem Begleitschreiben zu diesem Gegenentwurf die drei Bevollmächtigten des Kongresses an Thulemeier ge¬ schrieben, „wir bemerken hier also nur, daß die Annahme dieses Artikels, (es war der dreiundzwanzigste des amerikanischen Entwurfes), weil er das Beste der Menschheit im Auge hat und das Unglück des Krieges mildert, für die ersten ihm zustimmenden Mächte und ganz besonders Seine Majestät von Preußen äußerst ehrenvoll sein wird, zumal wenn der König, dessen Untertanen durch seine Macht und seinen Geist bekanntlich so gut verteidigt sind, daß eine der¬ artige Vereinbarung für sie, selbst in Kriegszeiten, ganz überflüssig ist, zuerst das Beispiel des Beitritts zu diesen Artikeln gebe." Um diesen dreiundzwanzigsten Artikel, der ihm sehr am Herzen lag. und den er schon 1783 vergeblich in den Friedensvertrag mit England hatte ein- flicken wollen, durchzusetzen, hatte Franklin für die preußischen Staatsmänner eine besondere Denkschrift verfaßt. „Nach dem ursprünglichen Völkerrecht" — so heißt es wörtlich in der Denkschrift, die so ganz den optimistischen, zukunfts¬ frohen Ton des Jahrhunderts atmet — „waren Krieg und Ausrottung die Strafe für ein Unrecht. Es wurde aber allmählich immer menschlicher und setzte die Sklaverei an die Stelle des Todes, es machte einen Schritt weiter und tauschte die Gefangenen aus, statt sie zu Sklaven zu machen; es ging noch weiter und erkannte in den eroberten Ländern das Privateigentum an, indem es sich mit der politischen Herrschaft begnügte. Warum sollte nun dieses Völkerrecht nicht fernerer Verbesserungen fähig sein? Ganze Jahrhunderte hat es für jeden seiner Fortschritte gebraucht; da aber in neuerer Zeit die Erkenntnis mächtig wächst, warum sollen diese Fortschritte nicht beschleunigt, warum soll nicht das Völkerrecht künftiger Zeiten dahin bestimmt werden, daß in irgend¬ einem später ausbrechenden Kriege die folgende Klasse von Menschen unbehelligt bleiben, ja den Schutz beider Teile genießen und ihren Beruf in Ruhe und Sicherheit ausüben soll? (Franklin war dafür eingetreten, daß im Falle eines Krieges Angehörige der feindlichen Länder, wie Bauern, Handwerker, Künstler und Gelehrte, weiterhin ihrem Beruf ungestört nachgehen dürften.) — Das Interesse der Menschheit gebietet überhaupt, daß die Gelegenheiten des Krieges und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/247>, abgerufen am 25.08.2024.