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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Ein Wörtlein fürs Gold

sondern in Gebrauchsgüterv, daß das Geld nur das Rad ist, das die Güter
umtreibt und einem jeden seine Gebrauchsgüter zuführt, wissen wir von Adam
Smith; ebenso, daß sür den Alltagsgebrauch ein Rad aus wohlfeilerem Stoffe
hergestellt werden kann, welches das eigentliche Rad vertritt, aber eben nur als
Vertreter Geltung hat. Die Papierzettel sind an sich wertlos und erhalten Wert
nur durch das Versprechen der Regierung, dem Inhaber, wenn er es verlangt,
den darauf angegebenen Betrag in Gold auszuzahlen. Im Inlande kann das
Papierrad jahrzehntelang seinen Dienst verrichten, ohne daß eine Störung ein¬
tritt; aber wenn der Staatskredit wankt, will ein jeder statt des Zettels
wirkliches Geld, daß heißt Gold haben, jenes Gut, mit dem man alle anderen
Güter eintauschen kann. Der Staatskredit aber wankt, wenn man argwöhnt,
der Staat habe nicht Gold genug, seinen Verbindlichkeiten nachzukommen. Mag
sein, daß er in Wirklichkeit reich ist; daß sein Besitz an Domänen, Bergwerken,
Eisenbahnen seine Schulden weit übersteigt, aber Verbindlichkeiten kann er damit
so wenig lösen, wie ein in Zahlungsschwierigkeiten geratener Kaufmann mit
seinem vielleicht sehr wertvollen Hausgrundstück, es gehört flüssiges Geld, also
Gold dazu. Das kann er sich nun vielleicht durch eine Steuererhöhung ver¬
schaffen, aber wenn entweder die Steuerkraft seiner Bürger erschöpft ist, oder
seine schwache Regierung die revolutionierte Bevölkerung zum Steuerzahler
nicht zwingen kann, dann ist er bankrott. Seine Zettel sind Papierfetzchen, kein
Geld mehr. Ob die Dritieldeckung das Richtige ist. darüber läßt sich streiten,
aber ganz ungedecktes Papier ist kein Geld mehr. Im Frieden würde beim
gegenwärtigen Deckungsstande in jedem der Großstaaten Europas die Staats¬
bank gestürmt und der Bankrott erklärt werden. Der rum unterbleibt nur
deswegen, weil der Bürger weiß: es handelt sich um Sein oder Nichtsein für
den Staat und für mich, ich darf nichts tun, was geeignet wäre, den Kredit
meines Staates zu erschüttern, obwohl er, die Sache kaufmännisch angesehen,
gar keinen mehr hat. Der deutsche Reichsbürger geht sogar in seinem
Patriotismus so weit, daß er, anstatt seine Zettel zur Einlösung zu präsentieren,
all sein gemünztes und ungemünztes Gold vollends der Reichsbank übergibt.
Auch das ist richtig, daß selbst vier Milliarden, wenn unsere Reichsbank sie
aufbrächte, eine lächerlich schmale Basis für die Reichsschuldenlast sein würde;
ein paar Zinstermine würden sie verschlingen. Aber die Finanzlage aller am
Kriege beteiligten Staaten -- man kann nicht ohne Grauen an sie denken --
wird nach dem Friedensschlüsse so abnorm sein, daß sich aus ihr keine
Folgerungen für die normale Währungspolitik ziehen lassen.

3. Im Verkehr mit dem Auslande ist Gold niemals zu entbehren, weil die
nicht mit Waren auszugleichenden Saldi mit Gold beglichen werden müssen. Daß
beim Sinken des Papiergeld- und Wechselkurses der Staat, der nicht mit Gold
zahlen kann, alle Auslandswaren mit hohem Aufschlag bezahlen muß. sagt Dalberg
selbst, und wenn er fordert, das Reich solle seinen Goldschatz zum Ankauf von
Lebensmitteln und Rohstoffen im Auslande verwenden (so viel ich weiß, ge-


Ein Wörtlein fürs Gold

sondern in Gebrauchsgüterv, daß das Geld nur das Rad ist, das die Güter
umtreibt und einem jeden seine Gebrauchsgüter zuführt, wissen wir von Adam
Smith; ebenso, daß sür den Alltagsgebrauch ein Rad aus wohlfeilerem Stoffe
hergestellt werden kann, welches das eigentliche Rad vertritt, aber eben nur als
Vertreter Geltung hat. Die Papierzettel sind an sich wertlos und erhalten Wert
nur durch das Versprechen der Regierung, dem Inhaber, wenn er es verlangt,
den darauf angegebenen Betrag in Gold auszuzahlen. Im Inlande kann das
Papierrad jahrzehntelang seinen Dienst verrichten, ohne daß eine Störung ein¬
tritt; aber wenn der Staatskredit wankt, will ein jeder statt des Zettels
wirkliches Geld, daß heißt Gold haben, jenes Gut, mit dem man alle anderen
Güter eintauschen kann. Der Staatskredit aber wankt, wenn man argwöhnt,
der Staat habe nicht Gold genug, seinen Verbindlichkeiten nachzukommen. Mag
sein, daß er in Wirklichkeit reich ist; daß sein Besitz an Domänen, Bergwerken,
Eisenbahnen seine Schulden weit übersteigt, aber Verbindlichkeiten kann er damit
so wenig lösen, wie ein in Zahlungsschwierigkeiten geratener Kaufmann mit
seinem vielleicht sehr wertvollen Hausgrundstück, es gehört flüssiges Geld, also
Gold dazu. Das kann er sich nun vielleicht durch eine Steuererhöhung ver¬
schaffen, aber wenn entweder die Steuerkraft seiner Bürger erschöpft ist, oder
seine schwache Regierung die revolutionierte Bevölkerung zum Steuerzahler
nicht zwingen kann, dann ist er bankrott. Seine Zettel sind Papierfetzchen, kein
Geld mehr. Ob die Dritieldeckung das Richtige ist. darüber läßt sich streiten,
aber ganz ungedecktes Papier ist kein Geld mehr. Im Frieden würde beim
gegenwärtigen Deckungsstande in jedem der Großstaaten Europas die Staats¬
bank gestürmt und der Bankrott erklärt werden. Der rum unterbleibt nur
deswegen, weil der Bürger weiß: es handelt sich um Sein oder Nichtsein für
den Staat und für mich, ich darf nichts tun, was geeignet wäre, den Kredit
meines Staates zu erschüttern, obwohl er, die Sache kaufmännisch angesehen,
gar keinen mehr hat. Der deutsche Reichsbürger geht sogar in seinem
Patriotismus so weit, daß er, anstatt seine Zettel zur Einlösung zu präsentieren,
all sein gemünztes und ungemünztes Gold vollends der Reichsbank übergibt.
Auch das ist richtig, daß selbst vier Milliarden, wenn unsere Reichsbank sie
aufbrächte, eine lächerlich schmale Basis für die Reichsschuldenlast sein würde;
ein paar Zinstermine würden sie verschlingen. Aber die Finanzlage aller am
Kriege beteiligten Staaten — man kann nicht ohne Grauen an sie denken —
wird nach dem Friedensschlüsse so abnorm sein, daß sich aus ihr keine
Folgerungen für die normale Währungspolitik ziehen lassen.

3. Im Verkehr mit dem Auslande ist Gold niemals zu entbehren, weil die
nicht mit Waren auszugleichenden Saldi mit Gold beglichen werden müssen. Daß
beim Sinken des Papiergeld- und Wechselkurses der Staat, der nicht mit Gold
zahlen kann, alle Auslandswaren mit hohem Aufschlag bezahlen muß. sagt Dalberg
selbst, und wenn er fordert, das Reich solle seinen Goldschatz zum Ankauf von
Lebensmitteln und Rohstoffen im Auslande verwenden (so viel ich weiß, ge-


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[0233] Ein Wörtlein fürs Gold sondern in Gebrauchsgüterv, daß das Geld nur das Rad ist, das die Güter umtreibt und einem jeden seine Gebrauchsgüter zuführt, wissen wir von Adam Smith; ebenso, daß sür den Alltagsgebrauch ein Rad aus wohlfeilerem Stoffe hergestellt werden kann, welches das eigentliche Rad vertritt, aber eben nur als Vertreter Geltung hat. Die Papierzettel sind an sich wertlos und erhalten Wert nur durch das Versprechen der Regierung, dem Inhaber, wenn er es verlangt, den darauf angegebenen Betrag in Gold auszuzahlen. Im Inlande kann das Papierrad jahrzehntelang seinen Dienst verrichten, ohne daß eine Störung ein¬ tritt; aber wenn der Staatskredit wankt, will ein jeder statt des Zettels wirkliches Geld, daß heißt Gold haben, jenes Gut, mit dem man alle anderen Güter eintauschen kann. Der Staatskredit aber wankt, wenn man argwöhnt, der Staat habe nicht Gold genug, seinen Verbindlichkeiten nachzukommen. Mag sein, daß er in Wirklichkeit reich ist; daß sein Besitz an Domänen, Bergwerken, Eisenbahnen seine Schulden weit übersteigt, aber Verbindlichkeiten kann er damit so wenig lösen, wie ein in Zahlungsschwierigkeiten geratener Kaufmann mit seinem vielleicht sehr wertvollen Hausgrundstück, es gehört flüssiges Geld, also Gold dazu. Das kann er sich nun vielleicht durch eine Steuererhöhung ver¬ schaffen, aber wenn entweder die Steuerkraft seiner Bürger erschöpft ist, oder seine schwache Regierung die revolutionierte Bevölkerung zum Steuerzahler nicht zwingen kann, dann ist er bankrott. Seine Zettel sind Papierfetzchen, kein Geld mehr. Ob die Dritieldeckung das Richtige ist. darüber läßt sich streiten, aber ganz ungedecktes Papier ist kein Geld mehr. Im Frieden würde beim gegenwärtigen Deckungsstande in jedem der Großstaaten Europas die Staats¬ bank gestürmt und der Bankrott erklärt werden. Der rum unterbleibt nur deswegen, weil der Bürger weiß: es handelt sich um Sein oder Nichtsein für den Staat und für mich, ich darf nichts tun, was geeignet wäre, den Kredit meines Staates zu erschüttern, obwohl er, die Sache kaufmännisch angesehen, gar keinen mehr hat. Der deutsche Reichsbürger geht sogar in seinem Patriotismus so weit, daß er, anstatt seine Zettel zur Einlösung zu präsentieren, all sein gemünztes und ungemünztes Gold vollends der Reichsbank übergibt. Auch das ist richtig, daß selbst vier Milliarden, wenn unsere Reichsbank sie aufbrächte, eine lächerlich schmale Basis für die Reichsschuldenlast sein würde; ein paar Zinstermine würden sie verschlingen. Aber die Finanzlage aller am Kriege beteiligten Staaten — man kann nicht ohne Grauen an sie denken — wird nach dem Friedensschlüsse so abnorm sein, daß sich aus ihr keine Folgerungen für die normale Währungspolitik ziehen lassen. 3. Im Verkehr mit dem Auslande ist Gold niemals zu entbehren, weil die nicht mit Waren auszugleichenden Saldi mit Gold beglichen werden müssen. Daß beim Sinken des Papiergeld- und Wechselkurses der Staat, der nicht mit Gold zahlen kann, alle Auslandswaren mit hohem Aufschlag bezahlen muß. sagt Dalberg selbst, und wenn er fordert, das Reich solle seinen Goldschatz zum Ankauf von Lebensmitteln und Rohstoffen im Auslande verwenden (so viel ich weiß, ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/233>, abgerufen am 23.07.2024.