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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Dakorumänischs Großmachtspläne

Er verlor Land, Thron und Leben. Bis zu diesem Schluß die Parallelen
zwischen Großdakien und Großrumänien zu verfolgen, ermöglicht uns die Ge¬
schichte noch nicht. Aber die Ereignisse der letzten Zeit zeigen bereits, daß das
heutige Rumänien ganz wie das Dakien des Decebalus infolge der unglück¬
lichen Großmachtspolitik auf die Verteidigung der letzten noch nicht besetzten
Reichsteile beschränkt wird. Vergeblich sind alle Versuche, den siegreichen Vor¬
marsch der Deutschen, Bulgaren und Österreicher aufzuhalten. Und so ver¬
blassen von Tag zu Tage immer mehr alle bunten großrumänischen Träume
von einem mächtigen Donaustaat. Nur noch um die Behauptung des Staats¬
wesens im Gegensatz zu der ersten Militärmacht Europas geht der Endkampf.
Noch jetzt wolle" die Führer der großrumänischen Politik nichts von Frieden
wissen und halten ihr Kriegsziel für realisierbar, unbeirrt durch den bisherigen
Mißerfolg der eigenen Waffen, unbelehrt von allen Ereignissen der dakorumä-
nischen Geschichte. Denn eben das rumänische Kriegsziel beleuchtete auch den
dakischen Endkampf mit seinem trügerischen Lichte. Einen Staatsmann wie
Decebalus vermochte es aber nicht zu blenden. Er war sich darüber klar, daß
der Großmannstraum ausgeträumt und eine Behauptung Dakiens im Kriege
mit der ersten Militärmacht seiner Zeit unmöglich war. Deshalb suchte er den
Frieden um jeden Preis, suchte ihn, um Dakien im Frieden mit Rom zu be¬
haupten. Doch Rom wählte den Krieg, und die kampferprobten Legionen
nahmen die Neugestaltung an der Donau vor, die Roms Interessen entsprach.
Dakien verlor seine Selbständigkeit. Auf diesen Markstein dakischer Geschichte
scheint die heutige rumänische Geschichte trotz aller Zeitunterschiede wieder zu¬
zustreben. Rumäniens König wollte nicht den von den Mittelmächten ange¬
botenen Frieden. Deshalb mußte Mitteleuropa in den Kampf eintreten, der
erst mit der Neugestaltung der Besitzverhältnisse an Donau und Balkan enden
wird, die den Interessen der Verbündeten entspricht. Damit findet der Ent-
wicklungskreis des dakorumänischen Großmachtsgedankens seinen Abschluß.




Dakorumänischs Großmachtspläne

Er verlor Land, Thron und Leben. Bis zu diesem Schluß die Parallelen
zwischen Großdakien und Großrumänien zu verfolgen, ermöglicht uns die Ge¬
schichte noch nicht. Aber die Ereignisse der letzten Zeit zeigen bereits, daß das
heutige Rumänien ganz wie das Dakien des Decebalus infolge der unglück¬
lichen Großmachtspolitik auf die Verteidigung der letzten noch nicht besetzten
Reichsteile beschränkt wird. Vergeblich sind alle Versuche, den siegreichen Vor¬
marsch der Deutschen, Bulgaren und Österreicher aufzuhalten. Und so ver¬
blassen von Tag zu Tage immer mehr alle bunten großrumänischen Träume
von einem mächtigen Donaustaat. Nur noch um die Behauptung des Staats¬
wesens im Gegensatz zu der ersten Militärmacht Europas geht der Endkampf.
Noch jetzt wolle» die Führer der großrumänischen Politik nichts von Frieden
wissen und halten ihr Kriegsziel für realisierbar, unbeirrt durch den bisherigen
Mißerfolg der eigenen Waffen, unbelehrt von allen Ereignissen der dakorumä-
nischen Geschichte. Denn eben das rumänische Kriegsziel beleuchtete auch den
dakischen Endkampf mit seinem trügerischen Lichte. Einen Staatsmann wie
Decebalus vermochte es aber nicht zu blenden. Er war sich darüber klar, daß
der Großmannstraum ausgeträumt und eine Behauptung Dakiens im Kriege
mit der ersten Militärmacht seiner Zeit unmöglich war. Deshalb suchte er den
Frieden um jeden Preis, suchte ihn, um Dakien im Frieden mit Rom zu be¬
haupten. Doch Rom wählte den Krieg, und die kampferprobten Legionen
nahmen die Neugestaltung an der Donau vor, die Roms Interessen entsprach.
Dakien verlor seine Selbständigkeit. Auf diesen Markstein dakischer Geschichte
scheint die heutige rumänische Geschichte trotz aller Zeitunterschiede wieder zu¬
zustreben. Rumäniens König wollte nicht den von den Mittelmächten ange¬
botenen Frieden. Deshalb mußte Mitteleuropa in den Kampf eintreten, der
erst mit der Neugestaltung der Besitzverhältnisse an Donau und Balkan enden
wird, die den Interessen der Verbündeten entspricht. Damit findet der Ent-
wicklungskreis des dakorumänischen Großmachtsgedankens seinen Abschluß.




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[0231] Dakorumänischs Großmachtspläne Er verlor Land, Thron und Leben. Bis zu diesem Schluß die Parallelen zwischen Großdakien und Großrumänien zu verfolgen, ermöglicht uns die Ge¬ schichte noch nicht. Aber die Ereignisse der letzten Zeit zeigen bereits, daß das heutige Rumänien ganz wie das Dakien des Decebalus infolge der unglück¬ lichen Großmachtspolitik auf die Verteidigung der letzten noch nicht besetzten Reichsteile beschränkt wird. Vergeblich sind alle Versuche, den siegreichen Vor¬ marsch der Deutschen, Bulgaren und Österreicher aufzuhalten. Und so ver¬ blassen von Tag zu Tage immer mehr alle bunten großrumänischen Träume von einem mächtigen Donaustaat. Nur noch um die Behauptung des Staats¬ wesens im Gegensatz zu der ersten Militärmacht Europas geht der Endkampf. Noch jetzt wolle» die Führer der großrumänischen Politik nichts von Frieden wissen und halten ihr Kriegsziel für realisierbar, unbeirrt durch den bisherigen Mißerfolg der eigenen Waffen, unbelehrt von allen Ereignissen der dakorumä- nischen Geschichte. Denn eben das rumänische Kriegsziel beleuchtete auch den dakischen Endkampf mit seinem trügerischen Lichte. Einen Staatsmann wie Decebalus vermochte es aber nicht zu blenden. Er war sich darüber klar, daß der Großmannstraum ausgeträumt und eine Behauptung Dakiens im Kriege mit der ersten Militärmacht seiner Zeit unmöglich war. Deshalb suchte er den Frieden um jeden Preis, suchte ihn, um Dakien im Frieden mit Rom zu be¬ haupten. Doch Rom wählte den Krieg, und die kampferprobten Legionen nahmen die Neugestaltung an der Donau vor, die Roms Interessen entsprach. Dakien verlor seine Selbständigkeit. Auf diesen Markstein dakischer Geschichte scheint die heutige rumänische Geschichte trotz aller Zeitunterschiede wieder zu¬ zustreben. Rumäniens König wollte nicht den von den Mittelmächten ange¬ botenen Frieden. Deshalb mußte Mitteleuropa in den Kampf eintreten, der erst mit der Neugestaltung der Besitzverhältnisse an Donau und Balkan enden wird, die den Interessen der Verbündeten entspricht. Damit findet der Ent- wicklungskreis des dakorumänischen Großmachtsgedankens seinen Abschluß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/231>, abgerufen am 23.07.2024.