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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Tandwirtschaftliche Neugestaltung Englands

Verhältnisse nicht mit einem Schlage, sondern langsam reformiert werden sollen.
Da in England keine Landbanken bestehen, die den Pächtern, die Eigenbesitzer
werden möchten, Geld vorstrecken könnten, sollen unter Aufsicht des Parlaments
stehende "I^ana ImprovLment.8 LoLieties" (Landverbesserungsgesellschaften) vom
Staate gebildet werden, die für jede Verbesserung am Grunde oder an Baulich¬
keiten Kredite gewähren und den Pächter zum Teilhaber am Lande und mit
der Zeit zum Besitzer machen. Darin liegt zweifellos ein guter Gedanke, indem
dadurch eben das, was bisher fehlte, das richtige Verhältnis zum bebauten
Boden, hergestellt wird, doch muß überdies in den englischen Farmer selber
ein neuer Geist einziehen, der Geist der Zugehörigkeit, der Liebe und Lust
am Boden, wie ihn unsere Bauern besitzen. Dieses Ziel soll nun durch
eine planmäßige Erziehung der landwirtschaftlichen Bevölkerung erreicht
werden, die für die Erwachsene" in Gestalt von zahlreichen, vom Staate zu
errichtenden, über das ganze Land verstreuten Musterwirtschaften in die Wege
geleitet werden soll, während für den landwirtschaftlichen Nachwuchs landwirt¬
schaftliche Mittelschulen, die bisher in England fast gänzlich fehlten -- die
Farmerssöhne wurden meist in die Stadt, in die gewöhnlichen Schulpensionen
geschickt und lernten das Land und den Ackerbau nur während der Ferien
kennen -- errichtet werden sollen. Diese landwirtschaftlichen Musterwirtschaften
sollen so schnell als möglich und in großen Stile angelegt werden, um in ihnen
die entlassenen Soldaten zu tüchtigen Farmern heranzuziehen, für welche später auf
irgendwelche Weise -- über das Wie ist man sich noch nicht ganz im klaren --
englischer oder irischer Grund und Boden verfügbar gemacht werden muß.
Durch die Einwirkung der Musterwirlschaften, die nach streng geschäftlichen
Prinzipien, gewissermaßen als Demonstrationsfarmen, geführt werden sollen,
hofft man bald eine allgemeine Steigerung und Qualitätsverbesserung der
Produktion, also eine höhere Leistung der Farmer und gleichzeitig eine Ver¬
besserung der Bodenverhältnisse zu erzielen. Hand in Hand mit diesen Ma߬
nahmen soll eine gewisse wirtschaftliche Stabilität, die dem englischen Farm¬
betrieb bisher so sehr gemangelt hat. durch Gründung ländlich-städtischer
Cooperations-Gesellschaften herbeigeführt werden, die den Ein- und Verkauf
bezirksweise regeln und eine ständige Verbindung zwischen bestimmten Konsu¬
menten- und Produzentenkreisen herstellen sollen, während die individualistische
Produktionsweise selber dadurch nicht berührt wird. Auch dieser Gedanke
enthält einen guten Kern, aber wer englische Verhältnisse kennt, wird die Emp¬
findung haben, daß diese gute, unter den Druck des Krieges geborene Idee nur
dann Aussicht hätte, auch im Frieden zur Durchführung zu gelangen, wenn
staatliche Machtmittel zu diesem Zwecke angewendet werden, was nach dem
Frieden kaum mehr der Fall sein wird, und wenn man durch hohen Zoll die
Schranken des Landes gegen fremde Einfuhr schließt. Unter dem Zwang des
Krieges aber könnte nur dann eine unmittelbare Wirkung aus dieser Zusammen¬
arbeit von Konsument und Produzent erwachsen, wenn nicht nur keine Arbeitskraft


Tandwirtschaftliche Neugestaltung Englands

Verhältnisse nicht mit einem Schlage, sondern langsam reformiert werden sollen.
Da in England keine Landbanken bestehen, die den Pächtern, die Eigenbesitzer
werden möchten, Geld vorstrecken könnten, sollen unter Aufsicht des Parlaments
stehende „I^ana ImprovLment.8 LoLieties" (Landverbesserungsgesellschaften) vom
Staate gebildet werden, die für jede Verbesserung am Grunde oder an Baulich¬
keiten Kredite gewähren und den Pächter zum Teilhaber am Lande und mit
der Zeit zum Besitzer machen. Darin liegt zweifellos ein guter Gedanke, indem
dadurch eben das, was bisher fehlte, das richtige Verhältnis zum bebauten
Boden, hergestellt wird, doch muß überdies in den englischen Farmer selber
ein neuer Geist einziehen, der Geist der Zugehörigkeit, der Liebe und Lust
am Boden, wie ihn unsere Bauern besitzen. Dieses Ziel soll nun durch
eine planmäßige Erziehung der landwirtschaftlichen Bevölkerung erreicht
werden, die für die Erwachsene» in Gestalt von zahlreichen, vom Staate zu
errichtenden, über das ganze Land verstreuten Musterwirtschaften in die Wege
geleitet werden soll, während für den landwirtschaftlichen Nachwuchs landwirt¬
schaftliche Mittelschulen, die bisher in England fast gänzlich fehlten — die
Farmerssöhne wurden meist in die Stadt, in die gewöhnlichen Schulpensionen
geschickt und lernten das Land und den Ackerbau nur während der Ferien
kennen — errichtet werden sollen. Diese landwirtschaftlichen Musterwirtschaften
sollen so schnell als möglich und in großen Stile angelegt werden, um in ihnen
die entlassenen Soldaten zu tüchtigen Farmern heranzuziehen, für welche später auf
irgendwelche Weise — über das Wie ist man sich noch nicht ganz im klaren —
englischer oder irischer Grund und Boden verfügbar gemacht werden muß.
Durch die Einwirkung der Musterwirlschaften, die nach streng geschäftlichen
Prinzipien, gewissermaßen als Demonstrationsfarmen, geführt werden sollen,
hofft man bald eine allgemeine Steigerung und Qualitätsverbesserung der
Produktion, also eine höhere Leistung der Farmer und gleichzeitig eine Ver¬
besserung der Bodenverhältnisse zu erzielen. Hand in Hand mit diesen Ma߬
nahmen soll eine gewisse wirtschaftliche Stabilität, die dem englischen Farm¬
betrieb bisher so sehr gemangelt hat. durch Gründung ländlich-städtischer
Cooperations-Gesellschaften herbeigeführt werden, die den Ein- und Verkauf
bezirksweise regeln und eine ständige Verbindung zwischen bestimmten Konsu¬
menten- und Produzentenkreisen herstellen sollen, während die individualistische
Produktionsweise selber dadurch nicht berührt wird. Auch dieser Gedanke
enthält einen guten Kern, aber wer englische Verhältnisse kennt, wird die Emp¬
findung haben, daß diese gute, unter den Druck des Krieges geborene Idee nur
dann Aussicht hätte, auch im Frieden zur Durchführung zu gelangen, wenn
staatliche Machtmittel zu diesem Zwecke angewendet werden, was nach dem
Frieden kaum mehr der Fall sein wird, und wenn man durch hohen Zoll die
Schranken des Landes gegen fremde Einfuhr schließt. Unter dem Zwang des
Krieges aber könnte nur dann eine unmittelbare Wirkung aus dieser Zusammen¬
arbeit von Konsument und Produzent erwachsen, wenn nicht nur keine Arbeitskraft


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[0226] Tandwirtschaftliche Neugestaltung Englands Verhältnisse nicht mit einem Schlage, sondern langsam reformiert werden sollen. Da in England keine Landbanken bestehen, die den Pächtern, die Eigenbesitzer werden möchten, Geld vorstrecken könnten, sollen unter Aufsicht des Parlaments stehende „I^ana ImprovLment.8 LoLieties" (Landverbesserungsgesellschaften) vom Staate gebildet werden, die für jede Verbesserung am Grunde oder an Baulich¬ keiten Kredite gewähren und den Pächter zum Teilhaber am Lande und mit der Zeit zum Besitzer machen. Darin liegt zweifellos ein guter Gedanke, indem dadurch eben das, was bisher fehlte, das richtige Verhältnis zum bebauten Boden, hergestellt wird, doch muß überdies in den englischen Farmer selber ein neuer Geist einziehen, der Geist der Zugehörigkeit, der Liebe und Lust am Boden, wie ihn unsere Bauern besitzen. Dieses Ziel soll nun durch eine planmäßige Erziehung der landwirtschaftlichen Bevölkerung erreicht werden, die für die Erwachsene» in Gestalt von zahlreichen, vom Staate zu errichtenden, über das ganze Land verstreuten Musterwirtschaften in die Wege geleitet werden soll, während für den landwirtschaftlichen Nachwuchs landwirt¬ schaftliche Mittelschulen, die bisher in England fast gänzlich fehlten — die Farmerssöhne wurden meist in die Stadt, in die gewöhnlichen Schulpensionen geschickt und lernten das Land und den Ackerbau nur während der Ferien kennen — errichtet werden sollen. Diese landwirtschaftlichen Musterwirtschaften sollen so schnell als möglich und in großen Stile angelegt werden, um in ihnen die entlassenen Soldaten zu tüchtigen Farmern heranzuziehen, für welche später auf irgendwelche Weise — über das Wie ist man sich noch nicht ganz im klaren — englischer oder irischer Grund und Boden verfügbar gemacht werden muß. Durch die Einwirkung der Musterwirlschaften, die nach streng geschäftlichen Prinzipien, gewissermaßen als Demonstrationsfarmen, geführt werden sollen, hofft man bald eine allgemeine Steigerung und Qualitätsverbesserung der Produktion, also eine höhere Leistung der Farmer und gleichzeitig eine Ver¬ besserung der Bodenverhältnisse zu erzielen. Hand in Hand mit diesen Ma߬ nahmen soll eine gewisse wirtschaftliche Stabilität, die dem englischen Farm¬ betrieb bisher so sehr gemangelt hat. durch Gründung ländlich-städtischer Cooperations-Gesellschaften herbeigeführt werden, die den Ein- und Verkauf bezirksweise regeln und eine ständige Verbindung zwischen bestimmten Konsu¬ menten- und Produzentenkreisen herstellen sollen, während die individualistische Produktionsweise selber dadurch nicht berührt wird. Auch dieser Gedanke enthält einen guten Kern, aber wer englische Verhältnisse kennt, wird die Emp¬ findung haben, daß diese gute, unter den Druck des Krieges geborene Idee nur dann Aussicht hätte, auch im Frieden zur Durchführung zu gelangen, wenn staatliche Machtmittel zu diesem Zwecke angewendet werden, was nach dem Frieden kaum mehr der Fall sein wird, und wenn man durch hohen Zoll die Schranken des Landes gegen fremde Einfuhr schließt. Unter dem Zwang des Krieges aber könnte nur dann eine unmittelbare Wirkung aus dieser Zusammen¬ arbeit von Konsument und Produzent erwachsen, wenn nicht nur keine Arbeitskraft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/226>, abgerufen am 23.07.2024.