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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Über die Frage der Ralenoerreform

langen Zudem einen gewissen Vergleichsmodus dadurch eingeführt, daß mau
eine Periode von 7980 Jahren, die sogenannte julianische Periode*), zugrunde
legt und deren erstes Jahr auf 4713 v. Chr. Geb. (das Jahr -- 4712) nach
dem Vorschlag von Josef Scaliger ansetzt. Das ist ein Zeitpunkt, der sicher¬
lich soweit zurückliegt, daß historische Begebenheiten kaum vor ihm liegen dürften.
Man geht dann immer von einer Zeitrechnung zunächst auf den Tag der
julianischen Periode über und von diesem wieder auf das Datum in der
anderen Zeitrechnung. Zu diesem Zweck hat der Wiener Astronom Schräm
sehr zweckmäßige Tafeln berechnet. In den astronomischen Jahrbüchern ist
immer angegeben, der wie vielste Tag der 1. Januar des betreffenden Jahres
in der julianischen Periode ist. So entspricht z. B, der 1. Januar 1916 dem
2 420 864. Tag der julianischen Periode und somit der 1. Januar 1917 dem
2 421 230.

Aus den obigen Betrachtungen geht hervor, wie schwierig es ist,
den türkischen Kalender mit dem der christlichen Völker in Übereinstimmung zu
bringen, und daß dazu recht einschneidende Veränderungen notwendig sind, zu
deren Ausführung eben nur Zeiten und Umstände führen können, wie sie der
gegenwärtige Wcükriez darbietet.

Es wird also eines scharfen Eingreifens der türkischen Behörden be¬
dürfen, um in ihrem Staate die neuzeitliche Zeitrechnung, wenigstens soweit sie
sich auf den Gebrauch im bürgerlichen Leben bezieht, durchzuführen. Die Fest-
rechuung umzuwandeln, dürfte vorläufig noch kaum angängig sein. Ader mit
dem Eindringen abendländischer Kultur und mit dem Ausbau der Handels¬
beziehungen, die wir nach Friedensschluß sicher erwarten und erhoffen dürfen,
wird auch die Anpassung der Zeitrechnung sich bahnbrechen, zumal es sich
dabei um eine lebende Volksgemeinschaft handelt und nicht wie bei den
Jsraeliten um eine abgeschlossene, nicht weiterer Entwicklung fähige, die durch¬
aus keine Veranlassung hat, von ihrer noch viel verwickelteren Kultuszeit"
rechnung -- sie rechnet mit nicht weniger als sechs verschiedenen Jahres¬
längen -- abzugehen.





*) Über den Ursprung dieser Zahl mag hier nur gesagt werden, daß sie aus den,
Produkt 28 X 19 X Is ^ Sonnenzirkel X Mondzirkel X Jndiktion entstanden ist, über
deren Bedeutung vielleicht ein anderes Mal in Verbindung mit der Benutzung anderer
solcher Perioden oder Arm berichtet werden kann.
Über die Frage der Ralenoerreform

langen Zudem einen gewissen Vergleichsmodus dadurch eingeführt, daß mau
eine Periode von 7980 Jahren, die sogenannte julianische Periode*), zugrunde
legt und deren erstes Jahr auf 4713 v. Chr. Geb. (das Jahr — 4712) nach
dem Vorschlag von Josef Scaliger ansetzt. Das ist ein Zeitpunkt, der sicher¬
lich soweit zurückliegt, daß historische Begebenheiten kaum vor ihm liegen dürften.
Man geht dann immer von einer Zeitrechnung zunächst auf den Tag der
julianischen Periode über und von diesem wieder auf das Datum in der
anderen Zeitrechnung. Zu diesem Zweck hat der Wiener Astronom Schräm
sehr zweckmäßige Tafeln berechnet. In den astronomischen Jahrbüchern ist
immer angegeben, der wie vielste Tag der 1. Januar des betreffenden Jahres
in der julianischen Periode ist. So entspricht z. B, der 1. Januar 1916 dem
2 420 864. Tag der julianischen Periode und somit der 1. Januar 1917 dem
2 421 230.

Aus den obigen Betrachtungen geht hervor, wie schwierig es ist,
den türkischen Kalender mit dem der christlichen Völker in Übereinstimmung zu
bringen, und daß dazu recht einschneidende Veränderungen notwendig sind, zu
deren Ausführung eben nur Zeiten und Umstände führen können, wie sie der
gegenwärtige Wcükriez darbietet.

Es wird also eines scharfen Eingreifens der türkischen Behörden be¬
dürfen, um in ihrem Staate die neuzeitliche Zeitrechnung, wenigstens soweit sie
sich auf den Gebrauch im bürgerlichen Leben bezieht, durchzuführen. Die Fest-
rechuung umzuwandeln, dürfte vorläufig noch kaum angängig sein. Ader mit
dem Eindringen abendländischer Kultur und mit dem Ausbau der Handels¬
beziehungen, die wir nach Friedensschluß sicher erwarten und erhoffen dürfen,
wird auch die Anpassung der Zeitrechnung sich bahnbrechen, zumal es sich
dabei um eine lebende Volksgemeinschaft handelt und nicht wie bei den
Jsraeliten um eine abgeschlossene, nicht weiterer Entwicklung fähige, die durch¬
aus keine Veranlassung hat, von ihrer noch viel verwickelteren Kultuszeit»
rechnung — sie rechnet mit nicht weniger als sechs verschiedenen Jahres¬
längen — abzugehen.





*) Über den Ursprung dieser Zahl mag hier nur gesagt werden, daß sie aus den,
Produkt 28 X 19 X Is ^ Sonnenzirkel X Mondzirkel X Jndiktion entstanden ist, über
deren Bedeutung vielleicht ein anderes Mal in Verbindung mit der Benutzung anderer
solcher Perioden oder Arm berichtet werden kann.
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[0203] Über die Frage der Ralenoerreform langen Zudem einen gewissen Vergleichsmodus dadurch eingeführt, daß mau eine Periode von 7980 Jahren, die sogenannte julianische Periode*), zugrunde legt und deren erstes Jahr auf 4713 v. Chr. Geb. (das Jahr — 4712) nach dem Vorschlag von Josef Scaliger ansetzt. Das ist ein Zeitpunkt, der sicher¬ lich soweit zurückliegt, daß historische Begebenheiten kaum vor ihm liegen dürften. Man geht dann immer von einer Zeitrechnung zunächst auf den Tag der julianischen Periode über und von diesem wieder auf das Datum in der anderen Zeitrechnung. Zu diesem Zweck hat der Wiener Astronom Schräm sehr zweckmäßige Tafeln berechnet. In den astronomischen Jahrbüchern ist immer angegeben, der wie vielste Tag der 1. Januar des betreffenden Jahres in der julianischen Periode ist. So entspricht z. B, der 1. Januar 1916 dem 2 420 864. Tag der julianischen Periode und somit der 1. Januar 1917 dem 2 421 230. Aus den obigen Betrachtungen geht hervor, wie schwierig es ist, den türkischen Kalender mit dem der christlichen Völker in Übereinstimmung zu bringen, und daß dazu recht einschneidende Veränderungen notwendig sind, zu deren Ausführung eben nur Zeiten und Umstände führen können, wie sie der gegenwärtige Wcükriez darbietet. Es wird also eines scharfen Eingreifens der türkischen Behörden be¬ dürfen, um in ihrem Staate die neuzeitliche Zeitrechnung, wenigstens soweit sie sich auf den Gebrauch im bürgerlichen Leben bezieht, durchzuführen. Die Fest- rechuung umzuwandeln, dürfte vorläufig noch kaum angängig sein. Ader mit dem Eindringen abendländischer Kultur und mit dem Ausbau der Handels¬ beziehungen, die wir nach Friedensschluß sicher erwarten und erhoffen dürfen, wird auch die Anpassung der Zeitrechnung sich bahnbrechen, zumal es sich dabei um eine lebende Volksgemeinschaft handelt und nicht wie bei den Jsraeliten um eine abgeschlossene, nicht weiterer Entwicklung fähige, die durch¬ aus keine Veranlassung hat, von ihrer noch viel verwickelteren Kultuszeit» rechnung — sie rechnet mit nicht weniger als sechs verschiedenen Jahres¬ längen — abzugehen. *) Über den Ursprung dieser Zahl mag hier nur gesagt werden, daß sie aus den, Produkt 28 X 19 X Is ^ Sonnenzirkel X Mondzirkel X Jndiktion entstanden ist, über deren Bedeutung vielleicht ein anderes Mal in Verbindung mit der Benutzung anderer solcher Perioden oder Arm berichtet werden kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/203>, abgerufen am 23.07.2024.