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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Finnlands Befreiung

würde eine strategische und völkerrechtliche Lage gegeben sein, die in Deutschlands
Interesse Finnland zum freien Lande machen kann.

Ist man davon überzeugt, daß die Finnländer ebenso wie die Polen ein
Recht auf nationale Befreiung haben, so sieht man in dem Kriege auf der Ost¬
front einen wirklichen Befreiungskrieg. Damit soll nicht gesagt sein, daß Deutsch¬
land seinen schweren Kampf gegen die Übermacht kämpfe, um andere Völker
zu befreien. Es kämpft, um seine eigene Freiheit zu sichern. Weiter kann ein
Volk in der Regel leider nicht gehen, ohne seine eigene Existenz zu gefährden.
Schweden befreite einst Sachsen und die anderen lutherischen Staaten Deutsch¬
lands, als es unter Gustav Adolf den Kampf gegen die katholische Liga aufnahm,
aber es zog in den Kampf, um sich selbst und seine eigene Zukunft zu retten.
Unser größter König war scharfsehend genug, um zu erkennen, wie eng die
Sache Schwedens mit der Sache der deutschen Protestanten verknüpft war. und
diese durch,die Ereignisse selbst festgestellte Lage bewirkte, daß Schweden durch
den Kampf um seine eigene Freiheit auch andere Völker befreite. Nie hätten
die Heere Kaiser Wilhelms heutzutage Deutschlands ungeheuere Kraft entfalten
können, wenn nicht damals unter Gustav Adolf das Freiheitsbanner auf deutschem
Boden geweht hätte. Und niemals würden die Völker Finnlands und Polens
auf eine bessere Zukunft hoffen können, wenn nicht Wilhelm der Zweite und
sein Volk die von Osten heranstürmende Kosakenherrschaft zurückgetrieben
hätten.

Der Glaube an die Befreiung Finnlands wird also in seiner Hoffnung
dadurch gestärkt, daß es in Deutschlands eigenem Interesse liegt, Polens For¬
derung einer dauernden Abtrennung von Rußland auch auf Finnland aus¬
zudehnen. Gegebenerweise hat jedoch diese Erweiterung der Freiheitsforderung
für Deutschland weniger Wichtigkeit als Polens Befreiung, weil dieses Land
in russischem Besitze ein offenes Einfalltor bildet, das deutsche Staatskunst
dauernd verrammeln muß. Das größte Interesse an der Lösung der finn-
ländischen Frage hat nmürlich Schweden. Und hiermit stehen wir vor dem
schwierigsten aller schwedischen Probleme.

Wir Schweden wollen Finnland befreit und als Pufferstaat zwischen uns
und Rußland liegen wissen, um auf der Seite Ruhe zu haben. Wir wollen
aber nicht, daß Finnland uns einverleibt werde, und ebensowenig, daß es zu
einer Teilung des Landes komme, wobei die Schweden Finnlands der einen
Seite und die Finnen der anderen zufielen -- falls man sich nicht mit einer
Grenze im Osten der Alandsinseln begnügen würde. Denn diese von Schweden
bewohnte Inselgruppe bildet jetzt eine militärgeographische Angriffsdrohung
gegen Schwedens zentrale Teile, und es wäre daher eine nicht geringe
Sicherung unseres Landes, sie innerhalb der Reichsgrenze Schwedens zu wissen.
Doch damit wäre die russische Gefahr ja noch nicht beseitigt. Die Drohung
im Norden, mit dem Drang über Lapplands Erzgruben hinweg nach dem
Atlantischen Ozeane, bliebe bestehen. Hier scheint uns nur Finnlands voll-


Finnlands Befreiung

würde eine strategische und völkerrechtliche Lage gegeben sein, die in Deutschlands
Interesse Finnland zum freien Lande machen kann.

Ist man davon überzeugt, daß die Finnländer ebenso wie die Polen ein
Recht auf nationale Befreiung haben, so sieht man in dem Kriege auf der Ost¬
front einen wirklichen Befreiungskrieg. Damit soll nicht gesagt sein, daß Deutsch¬
land seinen schweren Kampf gegen die Übermacht kämpfe, um andere Völker
zu befreien. Es kämpft, um seine eigene Freiheit zu sichern. Weiter kann ein
Volk in der Regel leider nicht gehen, ohne seine eigene Existenz zu gefährden.
Schweden befreite einst Sachsen und die anderen lutherischen Staaten Deutsch¬
lands, als es unter Gustav Adolf den Kampf gegen die katholische Liga aufnahm,
aber es zog in den Kampf, um sich selbst und seine eigene Zukunft zu retten.
Unser größter König war scharfsehend genug, um zu erkennen, wie eng die
Sache Schwedens mit der Sache der deutschen Protestanten verknüpft war. und
diese durch,die Ereignisse selbst festgestellte Lage bewirkte, daß Schweden durch
den Kampf um seine eigene Freiheit auch andere Völker befreite. Nie hätten
die Heere Kaiser Wilhelms heutzutage Deutschlands ungeheuere Kraft entfalten
können, wenn nicht damals unter Gustav Adolf das Freiheitsbanner auf deutschem
Boden geweht hätte. Und niemals würden die Völker Finnlands und Polens
auf eine bessere Zukunft hoffen können, wenn nicht Wilhelm der Zweite und
sein Volk die von Osten heranstürmende Kosakenherrschaft zurückgetrieben
hätten.

Der Glaube an die Befreiung Finnlands wird also in seiner Hoffnung
dadurch gestärkt, daß es in Deutschlands eigenem Interesse liegt, Polens For¬
derung einer dauernden Abtrennung von Rußland auch auf Finnland aus¬
zudehnen. Gegebenerweise hat jedoch diese Erweiterung der Freiheitsforderung
für Deutschland weniger Wichtigkeit als Polens Befreiung, weil dieses Land
in russischem Besitze ein offenes Einfalltor bildet, das deutsche Staatskunst
dauernd verrammeln muß. Das größte Interesse an der Lösung der finn-
ländischen Frage hat nmürlich Schweden. Und hiermit stehen wir vor dem
schwierigsten aller schwedischen Probleme.

Wir Schweden wollen Finnland befreit und als Pufferstaat zwischen uns
und Rußland liegen wissen, um auf der Seite Ruhe zu haben. Wir wollen
aber nicht, daß Finnland uns einverleibt werde, und ebensowenig, daß es zu
einer Teilung des Landes komme, wobei die Schweden Finnlands der einen
Seite und die Finnen der anderen zufielen — falls man sich nicht mit einer
Grenze im Osten der Alandsinseln begnügen würde. Denn diese von Schweden
bewohnte Inselgruppe bildet jetzt eine militärgeographische Angriffsdrohung
gegen Schwedens zentrale Teile, und es wäre daher eine nicht geringe
Sicherung unseres Landes, sie innerhalb der Reichsgrenze Schwedens zu wissen.
Doch damit wäre die russische Gefahr ja noch nicht beseitigt. Die Drohung
im Norden, mit dem Drang über Lapplands Erzgruben hinweg nach dem
Atlantischen Ozeane, bliebe bestehen. Hier scheint uns nur Finnlands voll-


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[0187] Finnlands Befreiung würde eine strategische und völkerrechtliche Lage gegeben sein, die in Deutschlands Interesse Finnland zum freien Lande machen kann. Ist man davon überzeugt, daß die Finnländer ebenso wie die Polen ein Recht auf nationale Befreiung haben, so sieht man in dem Kriege auf der Ost¬ front einen wirklichen Befreiungskrieg. Damit soll nicht gesagt sein, daß Deutsch¬ land seinen schweren Kampf gegen die Übermacht kämpfe, um andere Völker zu befreien. Es kämpft, um seine eigene Freiheit zu sichern. Weiter kann ein Volk in der Regel leider nicht gehen, ohne seine eigene Existenz zu gefährden. Schweden befreite einst Sachsen und die anderen lutherischen Staaten Deutsch¬ lands, als es unter Gustav Adolf den Kampf gegen die katholische Liga aufnahm, aber es zog in den Kampf, um sich selbst und seine eigene Zukunft zu retten. Unser größter König war scharfsehend genug, um zu erkennen, wie eng die Sache Schwedens mit der Sache der deutschen Protestanten verknüpft war. und diese durch,die Ereignisse selbst festgestellte Lage bewirkte, daß Schweden durch den Kampf um seine eigene Freiheit auch andere Völker befreite. Nie hätten die Heere Kaiser Wilhelms heutzutage Deutschlands ungeheuere Kraft entfalten können, wenn nicht damals unter Gustav Adolf das Freiheitsbanner auf deutschem Boden geweht hätte. Und niemals würden die Völker Finnlands und Polens auf eine bessere Zukunft hoffen können, wenn nicht Wilhelm der Zweite und sein Volk die von Osten heranstürmende Kosakenherrschaft zurückgetrieben hätten. Der Glaube an die Befreiung Finnlands wird also in seiner Hoffnung dadurch gestärkt, daß es in Deutschlands eigenem Interesse liegt, Polens For¬ derung einer dauernden Abtrennung von Rußland auch auf Finnland aus¬ zudehnen. Gegebenerweise hat jedoch diese Erweiterung der Freiheitsforderung für Deutschland weniger Wichtigkeit als Polens Befreiung, weil dieses Land in russischem Besitze ein offenes Einfalltor bildet, das deutsche Staatskunst dauernd verrammeln muß. Das größte Interesse an der Lösung der finn- ländischen Frage hat nmürlich Schweden. Und hiermit stehen wir vor dem schwierigsten aller schwedischen Probleme. Wir Schweden wollen Finnland befreit und als Pufferstaat zwischen uns und Rußland liegen wissen, um auf der Seite Ruhe zu haben. Wir wollen aber nicht, daß Finnland uns einverleibt werde, und ebensowenig, daß es zu einer Teilung des Landes komme, wobei die Schweden Finnlands der einen Seite und die Finnen der anderen zufielen — falls man sich nicht mit einer Grenze im Osten der Alandsinseln begnügen würde. Denn diese von Schweden bewohnte Inselgruppe bildet jetzt eine militärgeographische Angriffsdrohung gegen Schwedens zentrale Teile, und es wäre daher eine nicht geringe Sicherung unseres Landes, sie innerhalb der Reichsgrenze Schwedens zu wissen. Doch damit wäre die russische Gefahr ja noch nicht beseitigt. Die Drohung im Norden, mit dem Drang über Lapplands Erzgruben hinweg nach dem Atlantischen Ozeane, bliebe bestehen. Hier scheint uns nur Finnlands voll-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/187>, abgerufen am 25.08.2024.