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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Finnlands Problem

manentums, innerhalb des Gebietes Finnlands haben Skandinavier, Schweden,
Abkömmlinge des am ausgeprägtesten germanischen Volksstammes sich angesiedelt
und behauptet und dort, trotz ihrer geringen Anzahl, trotz ungünstiger Natur¬
verhältnisse, ein festes Gesellschaftsgebäude, klare Rechtsbegriffe, Freiheit und
Kultur geschaffen".

Soweit Eklund. Die Einwendung, daß es infolge der allgemeinen Rassen¬
kreuzung keine reinen Rassen mehr gebe, weist er mit der Erklärung zurück,
daß der schwedische Bauernstand Finnlands in hohem Grade reinrassig sei,
während der finnische dagegen mehr Mischblut enthalte. Letzterer habe große
Teile der schwedischen Bevölkerung, die einst wahrscheinlich viel größere Teile
des Landes bewohnt hatte, aufgesogen. Rassengegensatz sei dort trotz aller
Mischung vorhanden.

Finnland besitzt über drei Millionen Einwohner. Unter diesen sind
dreihundertundstebzigtausend Schweden, also ungefähr ein Achtel der Gesamt¬
bevölkerung. In seiner Studie "Die Sprachgrenze nach 1800" (in der Zeit¬
schrift "schwedisch in Finnland") gibt Gabriel Nikander einen interessanten, ins
einzelne gehenden Bericht über die kirchspielweise festgestellte Verbreitung der
schwedischen Bevölkerung in den verschiedenen Landesteilen Finnlands. Er be¬
zeichnet das Jahr 1870 als den Wendepunkt in der Geschichte des Schweden-
tums. Schon die Notjahre 1867 und 1868 trieben große Scharen Finnen
nach den schwedischen Gegenden Südfinnlands hinunter, und viele dieser Ein¬
wanderer haben sich dort dauernd niedergelassen, wodurch das schwedische Element
in mehreren Kirchspielen zurückgedrängt wurde. Zu gleicher Zeit wurde Finnland
immer mehr industrialisiert, was manchen Schweden von der Landwirtschaft fort
in die Städte lockte, während finnische Elemente in die leer gewordenen Stellen
auf dem Lande einrückten. In dem überwiegend schwedischen Österbotten begann
in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Auswandern nach
Amerika in großem Umfange, und noch heute ist dies die größte Gefahr, die
dem Erhältenbleiben des schwedischen Elementes in Finnland droht. Vielleicht
ist. von sozialen Verhältnissen abgesehen, hauptsächlich die altskandinavische
Wikingerlust am Streifen in die Ferne dasjenige, was den Auswandererstrom
in Finnland ebenso wenig versiegen läßt wie in Schweden und Norwegen.

Die schwedische Bevölkerung Finnlands wohnt hauptsächlich an der Küste
und auf den Inseln. Infolge der engen Verbindung mit Schweden ist sie auf
den Alandsinselu am ausgeprägtesten. Das sich gegen das finnische Element
am schärfsten abhebende Schwedentum findet man im Norden bei den Schweden
Österbottens, wo die Selbsterhaltung sich bisweilen zur Feindseligkeit steigert.
Dort kommen sehr selten Ehen zwischen den beiden Rassen vor.

Was nun die Städte Finnlands anbetrifft, so ist eine Verminderung der
Zahl der Schwedischsprechenden während der letzten dreißig Jahre nur in
Nykarlebn, Kristinestad und Borga zu verzeichnen, während Gamlekarleby und
Kaskö auf dem Status quo geblieben sind, und in Helsingfors, Abo, Wasa


Finnlands Problem

manentums, innerhalb des Gebietes Finnlands haben Skandinavier, Schweden,
Abkömmlinge des am ausgeprägtesten germanischen Volksstammes sich angesiedelt
und behauptet und dort, trotz ihrer geringen Anzahl, trotz ungünstiger Natur¬
verhältnisse, ein festes Gesellschaftsgebäude, klare Rechtsbegriffe, Freiheit und
Kultur geschaffen".

Soweit Eklund. Die Einwendung, daß es infolge der allgemeinen Rassen¬
kreuzung keine reinen Rassen mehr gebe, weist er mit der Erklärung zurück,
daß der schwedische Bauernstand Finnlands in hohem Grade reinrassig sei,
während der finnische dagegen mehr Mischblut enthalte. Letzterer habe große
Teile der schwedischen Bevölkerung, die einst wahrscheinlich viel größere Teile
des Landes bewohnt hatte, aufgesogen. Rassengegensatz sei dort trotz aller
Mischung vorhanden.

Finnland besitzt über drei Millionen Einwohner. Unter diesen sind
dreihundertundstebzigtausend Schweden, also ungefähr ein Achtel der Gesamt¬
bevölkerung. In seiner Studie „Die Sprachgrenze nach 1800" (in der Zeit¬
schrift „schwedisch in Finnland") gibt Gabriel Nikander einen interessanten, ins
einzelne gehenden Bericht über die kirchspielweise festgestellte Verbreitung der
schwedischen Bevölkerung in den verschiedenen Landesteilen Finnlands. Er be¬
zeichnet das Jahr 1870 als den Wendepunkt in der Geschichte des Schweden-
tums. Schon die Notjahre 1867 und 1868 trieben große Scharen Finnen
nach den schwedischen Gegenden Südfinnlands hinunter, und viele dieser Ein¬
wanderer haben sich dort dauernd niedergelassen, wodurch das schwedische Element
in mehreren Kirchspielen zurückgedrängt wurde. Zu gleicher Zeit wurde Finnland
immer mehr industrialisiert, was manchen Schweden von der Landwirtschaft fort
in die Städte lockte, während finnische Elemente in die leer gewordenen Stellen
auf dem Lande einrückten. In dem überwiegend schwedischen Österbotten begann
in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Auswandern nach
Amerika in großem Umfange, und noch heute ist dies die größte Gefahr, die
dem Erhältenbleiben des schwedischen Elementes in Finnland droht. Vielleicht
ist. von sozialen Verhältnissen abgesehen, hauptsächlich die altskandinavische
Wikingerlust am Streifen in die Ferne dasjenige, was den Auswandererstrom
in Finnland ebenso wenig versiegen läßt wie in Schweden und Norwegen.

Die schwedische Bevölkerung Finnlands wohnt hauptsächlich an der Küste
und auf den Inseln. Infolge der engen Verbindung mit Schweden ist sie auf
den Alandsinselu am ausgeprägtesten. Das sich gegen das finnische Element
am schärfsten abhebende Schwedentum findet man im Norden bei den Schweden
Österbottens, wo die Selbsterhaltung sich bisweilen zur Feindseligkeit steigert.
Dort kommen sehr selten Ehen zwischen den beiden Rassen vor.

Was nun die Städte Finnlands anbetrifft, so ist eine Verminderung der
Zahl der Schwedischsprechenden während der letzten dreißig Jahre nur in
Nykarlebn, Kristinestad und Borga zu verzeichnen, während Gamlekarleby und
Kaskö auf dem Status quo geblieben sind, und in Helsingfors, Abo, Wasa


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[0154] Finnlands Problem manentums, innerhalb des Gebietes Finnlands haben Skandinavier, Schweden, Abkömmlinge des am ausgeprägtesten germanischen Volksstammes sich angesiedelt und behauptet und dort, trotz ihrer geringen Anzahl, trotz ungünstiger Natur¬ verhältnisse, ein festes Gesellschaftsgebäude, klare Rechtsbegriffe, Freiheit und Kultur geschaffen". Soweit Eklund. Die Einwendung, daß es infolge der allgemeinen Rassen¬ kreuzung keine reinen Rassen mehr gebe, weist er mit der Erklärung zurück, daß der schwedische Bauernstand Finnlands in hohem Grade reinrassig sei, während der finnische dagegen mehr Mischblut enthalte. Letzterer habe große Teile der schwedischen Bevölkerung, die einst wahrscheinlich viel größere Teile des Landes bewohnt hatte, aufgesogen. Rassengegensatz sei dort trotz aller Mischung vorhanden. Finnland besitzt über drei Millionen Einwohner. Unter diesen sind dreihundertundstebzigtausend Schweden, also ungefähr ein Achtel der Gesamt¬ bevölkerung. In seiner Studie „Die Sprachgrenze nach 1800" (in der Zeit¬ schrift „schwedisch in Finnland") gibt Gabriel Nikander einen interessanten, ins einzelne gehenden Bericht über die kirchspielweise festgestellte Verbreitung der schwedischen Bevölkerung in den verschiedenen Landesteilen Finnlands. Er be¬ zeichnet das Jahr 1870 als den Wendepunkt in der Geschichte des Schweden- tums. Schon die Notjahre 1867 und 1868 trieben große Scharen Finnen nach den schwedischen Gegenden Südfinnlands hinunter, und viele dieser Ein¬ wanderer haben sich dort dauernd niedergelassen, wodurch das schwedische Element in mehreren Kirchspielen zurückgedrängt wurde. Zu gleicher Zeit wurde Finnland immer mehr industrialisiert, was manchen Schweden von der Landwirtschaft fort in die Städte lockte, während finnische Elemente in die leer gewordenen Stellen auf dem Lande einrückten. In dem überwiegend schwedischen Österbotten begann in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Auswandern nach Amerika in großem Umfange, und noch heute ist dies die größte Gefahr, die dem Erhältenbleiben des schwedischen Elementes in Finnland droht. Vielleicht ist. von sozialen Verhältnissen abgesehen, hauptsächlich die altskandinavische Wikingerlust am Streifen in die Ferne dasjenige, was den Auswandererstrom in Finnland ebenso wenig versiegen läßt wie in Schweden und Norwegen. Die schwedische Bevölkerung Finnlands wohnt hauptsächlich an der Küste und auf den Inseln. Infolge der engen Verbindung mit Schweden ist sie auf den Alandsinselu am ausgeprägtesten. Das sich gegen das finnische Element am schärfsten abhebende Schwedentum findet man im Norden bei den Schweden Österbottens, wo die Selbsterhaltung sich bisweilen zur Feindseligkeit steigert. Dort kommen sehr selten Ehen zwischen den beiden Rassen vor. Was nun die Städte Finnlands anbetrifft, so ist eine Verminderung der Zahl der Schwedischsprechenden während der letzten dreißig Jahre nur in Nykarlebn, Kristinestad und Borga zu verzeichnen, während Gamlekarleby und Kaskö auf dem Status quo geblieben sind, und in Helsingfors, Abo, Wasa

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/154>, abgerufen am 23.07.2024.