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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Finnlands Problem

ist dies Gefühl noch bei keinem Volke auf Erden, aber man findet es bei allen
als heiligen Funken, den zwar viel erstickender Rauch umgibt, der aber doch
für das Höchste erglüht, das uns Menschen hienieden gegeben ist -- für das
Vaterland. Ist nun Finnland eine politische Walstatt, auf welcher die schwedische
und die finnische Nation, die germanische und die mongolische Rasse, einander
bekämpfen, oder ist es ein von beiden eroberter sicherer Besitz? Wird das
Land dereinst einer der beiden Rassen zufallen und ist der Streit, den wir sie
seit vielen Jahrhunderten führen sehen, ein Ausrottungskrieg, ein rein dar-
winistischer Kampf ums Dasein? Oder wird der Zwist einen harmonischen
Abschluß finden, ohne das eine der beiden Nationen ausgerottet worden ist?
Wahrlich, wir Schweden müssen erst wissen, was wir von dieser Daseinsfrage
Finnlands zu halten haben, ehe wir daran denken. Schwedens außenpolitische
Stellung zu einer Lage, die sehr wohl in der Schlußphase des Krieges ent¬
stehen kann, festzulegen. Untersuchen wir also dieses innerste Problem Finn¬
lands!"




Finnland wird von zwei der Rasse und der Sprache nach sehr ver¬
schiedenen Nationalitäten bevölkert, den Schweden und den Finnen, die lange
schon einander in beständigem Kampfe gegenüberstehen. Wir haben es hier
nicht mit einer ungeschliffenen künstlichen Parteifehde zu tun, auch nicht mit
einem hauptsächlich durch soziale und privatpsychologische Sonderverhältnisse
hervorgerufenen gewöhnlichen Parteigegensatze, wie wir ihn in Schweden haben
und der jedes nationale Fortschreiten begleitet. Das Rechts- und Linksstehen
der politischen Parteien ist jedem gesunden Volkskörper nötig. Sie gehören
zueinander wie der rechte und der linke Arm, wenn sie sich auch während
des Marsches nach verschiedener Seite hin bewegen müssen, um das Gleich¬
gewicht zu erhalten. Die politischen Parteien Finnlands lassen sich gewiß auch
auf einen solchen Parteigegensatz zurückführen, aber der tiefste Gegensatz inner¬
halb des dortigen Parteilebens ist nicht der zwischen rechts und links, konser¬
vativ und liberal, sondern der zwischen schwedisch und finnisch. Es handelt
sich um nichts Geringeres, als um das Leben der Nationalität, deren Ver¬
treterin die Partei ist. Am deutlichsten gewahrt man dies jetzt an der Minder-
heitspartei. der Trägerin des Schwedentums. Sie sieht sich in ihrer kulturellen
Eigenart immer mehr bedroht, je mehr die Wirkungen des 1906 eingeführten
allgemeinen Stimmrechtes für Männer und Frauen, wodurch das finnische
Element unter den 200 Landtagsabgeordneten eine große Mehrheit erhalten
hat, in sichtbarer und fühlbarer Weise hervortreten. Es zeigt sich, daß der
finnländische Staat in seinem Verhalten gegen die schwedische Kultur in Finn¬
land immer kühler wird.

Der Gegensatz zwischen schwedisch und finnisch wurzelt dort in dem
Rassengegensätze zwischen Germanen und Mongolen. Wenn schon der Gegen-


Finnlands Problem

ist dies Gefühl noch bei keinem Volke auf Erden, aber man findet es bei allen
als heiligen Funken, den zwar viel erstickender Rauch umgibt, der aber doch
für das Höchste erglüht, das uns Menschen hienieden gegeben ist — für das
Vaterland. Ist nun Finnland eine politische Walstatt, auf welcher die schwedische
und die finnische Nation, die germanische und die mongolische Rasse, einander
bekämpfen, oder ist es ein von beiden eroberter sicherer Besitz? Wird das
Land dereinst einer der beiden Rassen zufallen und ist der Streit, den wir sie
seit vielen Jahrhunderten führen sehen, ein Ausrottungskrieg, ein rein dar-
winistischer Kampf ums Dasein? Oder wird der Zwist einen harmonischen
Abschluß finden, ohne das eine der beiden Nationen ausgerottet worden ist?
Wahrlich, wir Schweden müssen erst wissen, was wir von dieser Daseinsfrage
Finnlands zu halten haben, ehe wir daran denken. Schwedens außenpolitische
Stellung zu einer Lage, die sehr wohl in der Schlußphase des Krieges ent¬
stehen kann, festzulegen. Untersuchen wir also dieses innerste Problem Finn¬
lands!"




Finnland wird von zwei der Rasse und der Sprache nach sehr ver¬
schiedenen Nationalitäten bevölkert, den Schweden und den Finnen, die lange
schon einander in beständigem Kampfe gegenüberstehen. Wir haben es hier
nicht mit einer ungeschliffenen künstlichen Parteifehde zu tun, auch nicht mit
einem hauptsächlich durch soziale und privatpsychologische Sonderverhältnisse
hervorgerufenen gewöhnlichen Parteigegensatze, wie wir ihn in Schweden haben
und der jedes nationale Fortschreiten begleitet. Das Rechts- und Linksstehen
der politischen Parteien ist jedem gesunden Volkskörper nötig. Sie gehören
zueinander wie der rechte und der linke Arm, wenn sie sich auch während
des Marsches nach verschiedener Seite hin bewegen müssen, um das Gleich¬
gewicht zu erhalten. Die politischen Parteien Finnlands lassen sich gewiß auch
auf einen solchen Parteigegensatz zurückführen, aber der tiefste Gegensatz inner¬
halb des dortigen Parteilebens ist nicht der zwischen rechts und links, konser¬
vativ und liberal, sondern der zwischen schwedisch und finnisch. Es handelt
sich um nichts Geringeres, als um das Leben der Nationalität, deren Ver¬
treterin die Partei ist. Am deutlichsten gewahrt man dies jetzt an der Minder-
heitspartei. der Trägerin des Schwedentums. Sie sieht sich in ihrer kulturellen
Eigenart immer mehr bedroht, je mehr die Wirkungen des 1906 eingeführten
allgemeinen Stimmrechtes für Männer und Frauen, wodurch das finnische
Element unter den 200 Landtagsabgeordneten eine große Mehrheit erhalten
hat, in sichtbarer und fühlbarer Weise hervortreten. Es zeigt sich, daß der
finnländische Staat in seinem Verhalten gegen die schwedische Kultur in Finn¬
land immer kühler wird.

Der Gegensatz zwischen schwedisch und finnisch wurzelt dort in dem
Rassengegensätze zwischen Germanen und Mongolen. Wenn schon der Gegen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/151>, abgerufen am 25.08.2024.