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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Los vom GoldeI

bedürfen, und mit der Ausfuhrware Gold wird es uns gelingen, unsere Valuta
wieder auf die alte Höhe zu bringen, während jetzt deren Entwertung uns
unsere Einfuhr um 30 bis 40 Prozent verteuert.

Die Ursache dieser viel erörterten Erscheinung der Mark-Entwertung im
Auslande kann nun allerdings nicht in innerer Schwäche unserer Währung
gefunden werden, wie das feindliche Ausland zu glauben vorgibt. Schuld
daran ist die Abschnürung unserer Ausfuhr durch die sogenannte "englische
Blockade", die Einstellung unserer Handelsschiffahrt, sowie die Unmöglichkeit,
über die meisten unserer Auslandsforderungen zu verfügen. Die Einfuhr aus
neutralen Staaten dauert demgegenüber, wenn auch stark herabgesetzt, noch an.
So erwirkt das Ausland in der gleichen Zeitspanne mehr Forderungen an
uns, wie wir ans Ausland. Da somit bei uns der Bedarf an ausländischen
Zahlungsmitteln das Angebot übersteigt, muß deren Kurs steigen. So müssen
z. B. für 100 holländische Gulden heute 239 Mark bezahlt werden, wogegen
früher nur 169 Mark; und 100 Schweizer Francs gelten heute statt 80 Mark
nicht weniger als 117. Unter den heutigen Verhältnissen, wo größere Aus¬
landsanleihen uns nicht gewährt werden, ist rücksichtslose Goldausfuhr das
einzig wirksame Mittel, um für uns Auslandsguthaben zu begründen, unsere
Valuta zu heben und so uns unsere Einfuhr um 30 bis 40 Prozent zu ver¬
billigen. Einer willkürlichen Einrichtung, der Dritteldeckung zu liebe, hat man
bis jetzt mit der Goldausfuhr zurückgehalten und die schweren Schädigungen
der Valuta-Entwertung in Kauf genommen.

In Wahrheit aber brauchen wir das ängstlich behütete Gold gar nicht.
Wir haben auch früher immer unsere Auslandsrechnungen durch Gegen-
rechnungen, sei es für Waren, sei es für Leistungen, sei es für Kapitalzins
begleichen können, Gold haben wir dazu nie gebraucht. In den letzten
^ 30 Jahren vor dem Kriege hat im Gegenteil das Ausland uns noch immer
Jahr für Jahr Gold gezahlt, insgesamt an 3 Milliarden, und dies, obschon
in den letzten Jahren alljährlich wohl mehr als 1 Milliarde deutschen Kapitals
ins Ausland floß.

Nach dem Kriege werden wir auf die Dauer mit ähnlicher Entwicklung
rechnen können, und wir müssen es auch, denn wir dürfen auf die Dauer
nicht mehr vom Ausland nehmen als wir ihm geben. Nun wird allerdings
unmittelbar mit Friedensschluß ein besonders starkes Einfuhrbedürfnis nach
Rohstoffen und Lebensmitteln auftreten. Dann aber werden wir in der Lage
sein, zu annehmbaren Bedingungen Auslandsanleihen aufzunehmen, um die
Anfangseinfuhr zu bezahlen, und damit wird sich auch der Stand unserer
Valuta wieder regeln. Jetzt ist Goldausfuhr unser bestes Mittel. Nach dem
Kriege wird das Gold 30 bis 40 Prozent weniger für uns wert sein wie
jetzt, und wenn etwa andere Länder vor uns sich von der Goldwährung ab¬
wenden und ihren Goldschatz auf den Weltmarkt werfen würden, so würde
es auch hier heißen: "den letzten beißen die Hunde", d. h. wir sähen unsere


Los vom GoldeI

bedürfen, und mit der Ausfuhrware Gold wird es uns gelingen, unsere Valuta
wieder auf die alte Höhe zu bringen, während jetzt deren Entwertung uns
unsere Einfuhr um 30 bis 40 Prozent verteuert.

Die Ursache dieser viel erörterten Erscheinung der Mark-Entwertung im
Auslande kann nun allerdings nicht in innerer Schwäche unserer Währung
gefunden werden, wie das feindliche Ausland zu glauben vorgibt. Schuld
daran ist die Abschnürung unserer Ausfuhr durch die sogenannte „englische
Blockade", die Einstellung unserer Handelsschiffahrt, sowie die Unmöglichkeit,
über die meisten unserer Auslandsforderungen zu verfügen. Die Einfuhr aus
neutralen Staaten dauert demgegenüber, wenn auch stark herabgesetzt, noch an.
So erwirkt das Ausland in der gleichen Zeitspanne mehr Forderungen an
uns, wie wir ans Ausland. Da somit bei uns der Bedarf an ausländischen
Zahlungsmitteln das Angebot übersteigt, muß deren Kurs steigen. So müssen
z. B. für 100 holländische Gulden heute 239 Mark bezahlt werden, wogegen
früher nur 169 Mark; und 100 Schweizer Francs gelten heute statt 80 Mark
nicht weniger als 117. Unter den heutigen Verhältnissen, wo größere Aus¬
landsanleihen uns nicht gewährt werden, ist rücksichtslose Goldausfuhr das
einzig wirksame Mittel, um für uns Auslandsguthaben zu begründen, unsere
Valuta zu heben und so uns unsere Einfuhr um 30 bis 40 Prozent zu ver¬
billigen. Einer willkürlichen Einrichtung, der Dritteldeckung zu liebe, hat man
bis jetzt mit der Goldausfuhr zurückgehalten und die schweren Schädigungen
der Valuta-Entwertung in Kauf genommen.

In Wahrheit aber brauchen wir das ängstlich behütete Gold gar nicht.
Wir haben auch früher immer unsere Auslandsrechnungen durch Gegen-
rechnungen, sei es für Waren, sei es für Leistungen, sei es für Kapitalzins
begleichen können, Gold haben wir dazu nie gebraucht. In den letzten
^ 30 Jahren vor dem Kriege hat im Gegenteil das Ausland uns noch immer
Jahr für Jahr Gold gezahlt, insgesamt an 3 Milliarden, und dies, obschon
in den letzten Jahren alljährlich wohl mehr als 1 Milliarde deutschen Kapitals
ins Ausland floß.

Nach dem Kriege werden wir auf die Dauer mit ähnlicher Entwicklung
rechnen können, und wir müssen es auch, denn wir dürfen auf die Dauer
nicht mehr vom Ausland nehmen als wir ihm geben. Nun wird allerdings
unmittelbar mit Friedensschluß ein besonders starkes Einfuhrbedürfnis nach
Rohstoffen und Lebensmitteln auftreten. Dann aber werden wir in der Lage
sein, zu annehmbaren Bedingungen Auslandsanleihen aufzunehmen, um die
Anfangseinfuhr zu bezahlen, und damit wird sich auch der Stand unserer
Valuta wieder regeln. Jetzt ist Goldausfuhr unser bestes Mittel. Nach dem
Kriege wird das Gold 30 bis 40 Prozent weniger für uns wert sein wie
jetzt, und wenn etwa andere Länder vor uns sich von der Goldwährung ab¬
wenden und ihren Goldschatz auf den Weltmarkt werfen würden, so würde
es auch hier heißen: „den letzten beißen die Hunde", d. h. wir sähen unsere


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[0144] Los vom GoldeI bedürfen, und mit der Ausfuhrware Gold wird es uns gelingen, unsere Valuta wieder auf die alte Höhe zu bringen, während jetzt deren Entwertung uns unsere Einfuhr um 30 bis 40 Prozent verteuert. Die Ursache dieser viel erörterten Erscheinung der Mark-Entwertung im Auslande kann nun allerdings nicht in innerer Schwäche unserer Währung gefunden werden, wie das feindliche Ausland zu glauben vorgibt. Schuld daran ist die Abschnürung unserer Ausfuhr durch die sogenannte „englische Blockade", die Einstellung unserer Handelsschiffahrt, sowie die Unmöglichkeit, über die meisten unserer Auslandsforderungen zu verfügen. Die Einfuhr aus neutralen Staaten dauert demgegenüber, wenn auch stark herabgesetzt, noch an. So erwirkt das Ausland in der gleichen Zeitspanne mehr Forderungen an uns, wie wir ans Ausland. Da somit bei uns der Bedarf an ausländischen Zahlungsmitteln das Angebot übersteigt, muß deren Kurs steigen. So müssen z. B. für 100 holländische Gulden heute 239 Mark bezahlt werden, wogegen früher nur 169 Mark; und 100 Schweizer Francs gelten heute statt 80 Mark nicht weniger als 117. Unter den heutigen Verhältnissen, wo größere Aus¬ landsanleihen uns nicht gewährt werden, ist rücksichtslose Goldausfuhr das einzig wirksame Mittel, um für uns Auslandsguthaben zu begründen, unsere Valuta zu heben und so uns unsere Einfuhr um 30 bis 40 Prozent zu ver¬ billigen. Einer willkürlichen Einrichtung, der Dritteldeckung zu liebe, hat man bis jetzt mit der Goldausfuhr zurückgehalten und die schweren Schädigungen der Valuta-Entwertung in Kauf genommen. In Wahrheit aber brauchen wir das ängstlich behütete Gold gar nicht. Wir haben auch früher immer unsere Auslandsrechnungen durch Gegen- rechnungen, sei es für Waren, sei es für Leistungen, sei es für Kapitalzins begleichen können, Gold haben wir dazu nie gebraucht. In den letzten ^ 30 Jahren vor dem Kriege hat im Gegenteil das Ausland uns noch immer Jahr für Jahr Gold gezahlt, insgesamt an 3 Milliarden, und dies, obschon in den letzten Jahren alljährlich wohl mehr als 1 Milliarde deutschen Kapitals ins Ausland floß. Nach dem Kriege werden wir auf die Dauer mit ähnlicher Entwicklung rechnen können, und wir müssen es auch, denn wir dürfen auf die Dauer nicht mehr vom Ausland nehmen als wir ihm geben. Nun wird allerdings unmittelbar mit Friedensschluß ein besonders starkes Einfuhrbedürfnis nach Rohstoffen und Lebensmitteln auftreten. Dann aber werden wir in der Lage sein, zu annehmbaren Bedingungen Auslandsanleihen aufzunehmen, um die Anfangseinfuhr zu bezahlen, und damit wird sich auch der Stand unserer Valuta wieder regeln. Jetzt ist Goldausfuhr unser bestes Mittel. Nach dem Kriege wird das Gold 30 bis 40 Prozent weniger für uns wert sein wie jetzt, und wenn etwa andere Länder vor uns sich von der Goldwährung ab¬ wenden und ihren Goldschatz auf den Weltmarkt werfen würden, so würde es auch hier heißen: „den letzten beißen die Hunde", d. h. wir sähen unsere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/144>, abgerufen am 23.07.2024.