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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Los vom Golde!

hoben waren, die weitere Einlösung der Banknoten in Gold einstellte zur Ver¬
meidung weiterer Angst-Aufspeicherung von Gold und unkontrollierten Abflusses
ins Ausland, wo ja nicht unser Papier, wohl aber unser Gold volle Zahlungs¬
kraft besitzt. So wahrte sich die Neichsbank die Verfügung über den Gold¬
vorrat des Landes, allerdings um den Preis einer Aufgabe des Hauptgrund¬
satzes der Goldwährung. Da privater Goldhandel und Goldausfuhr verboten
wurden, und durch die verschiedensten Mittel die Ablieferung allen vorhandenen
Goldes an die Bank angebahnt wurde, konnte die Neichsbank im Kriege ihren
Goldschatz mehr als verdoppeln und auf eine" Stand von nichr als
5^/2 Milliarden Mark bringen. Die Goldwährung wurde zu einer Papier¬
währung mit starkem Goldkern. Schneller aber noch als der Goldvorrat wuchs
im Kriege der Notenumlauf, von 2 auf 7 bis 8 Milliarden. Alle Bemühungen,
ihn durch die bargeldlosen Zahluugsmethoden herabzudrücken, blieben erfolglos.
Die gesteigerten Preise, der Bedarf des Heeres und des Okkupationsgebietes
erhöhten dauernd den Bedarf an Zahlungsmitteln. Es wurde mehr und mehr
offenbar, daß es auf die Dauer unmöglich und willkürlich ist, die Jahres¬
umsätze von taufenden Milliarden Mark innerhalb der deutschen Volkswirtschaft
auf ein Metall zurückzuführen, von dem in der ganzen Welt nur vielleicht
35 Milliarden, in Deutschland nur 3 bis 4 Milliarden vorhanden sind. Dazu
reicht nicht das Gold, aber es reichen auch nicht die Goldsurrogate aus. Der bar¬
geldlose Verkehr ist an diese Schranken nicht gebunven. Aber man förderte ihn
nicht deshalb, sondern nur um den Banknvtenumlauf zu verringern und so
den Götzen der Dritteldeckung noch aufrecht erhalten zu können und verkannte,
daß dadurch ebenso wie durch starken Notenumlauf die Umsätze des Verkehrs
doch auf eine immer schmalere Goldbasis gestellt wurden. Insbesondere die
neuen bestätigten Schenks der Neichsbank müßten logischerweise genau so durch
Gold gedeckt sein, wie die Banknoten.

Nun ist allerdings erstmalig in dem Neichsbonkausweis vom 31. Dezember
191K, also nach 2^/z Kriegsjahren des Kämpfens um die Golddecke, ein An
schwellen des Notenumlaufs über den dreifachen Goldbestand hinaus erfolgt --
über acht Milliarden Noten bei 2.5 Milliarden Gold. Die Macht der Ver¬
hältnisse hat über starre Grundsätze gesiegt. Aber es steht noch offen, ob dieser
Sieg ein vorübergehender ist. ob die leitenden Bankkreise baldmöglichst die
Dritteldeckung wieder eintreten lassen wollen, oder ob er dauernd ist und einer
besseren Einsicht entspringt. Ist letzteres der Fall, so muß aber auch die
weitere Folgerung gezogen werden, daß unser Goldschatz, welcher nur der
Dritteldeckung zuliebe aufgehäuft worden ist und nunmehr seiner Bedeutung
ledig geworden ist. auch der Wirtschaft nutzbar gemacht werden muß, statt in
den Kellern der Neichsbank ein totes Dasein zu führen. Wir sind nicht reich
genug, um uns ein totes Kapital von 2^ Milliarden leisten zu können. Wir
müssen das Gold dem Ausland abgeben, solange dieses noch willig ist. es zu
nehmen. WirtauschenLebensmittel undRohstoffe dagegen ein, deren wir so dringend


*s
Los vom Golde!

hoben waren, die weitere Einlösung der Banknoten in Gold einstellte zur Ver¬
meidung weiterer Angst-Aufspeicherung von Gold und unkontrollierten Abflusses
ins Ausland, wo ja nicht unser Papier, wohl aber unser Gold volle Zahlungs¬
kraft besitzt. So wahrte sich die Neichsbank die Verfügung über den Gold¬
vorrat des Landes, allerdings um den Preis einer Aufgabe des Hauptgrund¬
satzes der Goldwährung. Da privater Goldhandel und Goldausfuhr verboten
wurden, und durch die verschiedensten Mittel die Ablieferung allen vorhandenen
Goldes an die Bank angebahnt wurde, konnte die Neichsbank im Kriege ihren
Goldschatz mehr als verdoppeln und auf eine» Stand von nichr als
5^/2 Milliarden Mark bringen. Die Goldwährung wurde zu einer Papier¬
währung mit starkem Goldkern. Schneller aber noch als der Goldvorrat wuchs
im Kriege der Notenumlauf, von 2 auf 7 bis 8 Milliarden. Alle Bemühungen,
ihn durch die bargeldlosen Zahluugsmethoden herabzudrücken, blieben erfolglos.
Die gesteigerten Preise, der Bedarf des Heeres und des Okkupationsgebietes
erhöhten dauernd den Bedarf an Zahlungsmitteln. Es wurde mehr und mehr
offenbar, daß es auf die Dauer unmöglich und willkürlich ist, die Jahres¬
umsätze von taufenden Milliarden Mark innerhalb der deutschen Volkswirtschaft
auf ein Metall zurückzuführen, von dem in der ganzen Welt nur vielleicht
35 Milliarden, in Deutschland nur 3 bis 4 Milliarden vorhanden sind. Dazu
reicht nicht das Gold, aber es reichen auch nicht die Goldsurrogate aus. Der bar¬
geldlose Verkehr ist an diese Schranken nicht gebunven. Aber man förderte ihn
nicht deshalb, sondern nur um den Banknvtenumlauf zu verringern und so
den Götzen der Dritteldeckung noch aufrecht erhalten zu können und verkannte,
daß dadurch ebenso wie durch starken Notenumlauf die Umsätze des Verkehrs
doch auf eine immer schmalere Goldbasis gestellt wurden. Insbesondere die
neuen bestätigten Schenks der Neichsbank müßten logischerweise genau so durch
Gold gedeckt sein, wie die Banknoten.

Nun ist allerdings erstmalig in dem Neichsbonkausweis vom 31. Dezember
191K, also nach 2^/z Kriegsjahren des Kämpfens um die Golddecke, ein An
schwellen des Notenumlaufs über den dreifachen Goldbestand hinaus erfolgt —
über acht Milliarden Noten bei 2.5 Milliarden Gold. Die Macht der Ver¬
hältnisse hat über starre Grundsätze gesiegt. Aber es steht noch offen, ob dieser
Sieg ein vorübergehender ist. ob die leitenden Bankkreise baldmöglichst die
Dritteldeckung wieder eintreten lassen wollen, oder ob er dauernd ist und einer
besseren Einsicht entspringt. Ist letzteres der Fall, so muß aber auch die
weitere Folgerung gezogen werden, daß unser Goldschatz, welcher nur der
Dritteldeckung zuliebe aufgehäuft worden ist und nunmehr seiner Bedeutung
ledig geworden ist. auch der Wirtschaft nutzbar gemacht werden muß, statt in
den Kellern der Neichsbank ein totes Dasein zu führen. Wir sind nicht reich
genug, um uns ein totes Kapital von 2^ Milliarden leisten zu können. Wir
müssen das Gold dem Ausland abgeben, solange dieses noch willig ist. es zu
nehmen. WirtauschenLebensmittel undRohstoffe dagegen ein, deren wir so dringend


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[0143] Los vom Golde! hoben waren, die weitere Einlösung der Banknoten in Gold einstellte zur Ver¬ meidung weiterer Angst-Aufspeicherung von Gold und unkontrollierten Abflusses ins Ausland, wo ja nicht unser Papier, wohl aber unser Gold volle Zahlungs¬ kraft besitzt. So wahrte sich die Neichsbank die Verfügung über den Gold¬ vorrat des Landes, allerdings um den Preis einer Aufgabe des Hauptgrund¬ satzes der Goldwährung. Da privater Goldhandel und Goldausfuhr verboten wurden, und durch die verschiedensten Mittel die Ablieferung allen vorhandenen Goldes an die Bank angebahnt wurde, konnte die Neichsbank im Kriege ihren Goldschatz mehr als verdoppeln und auf eine» Stand von nichr als 5^/2 Milliarden Mark bringen. Die Goldwährung wurde zu einer Papier¬ währung mit starkem Goldkern. Schneller aber noch als der Goldvorrat wuchs im Kriege der Notenumlauf, von 2 auf 7 bis 8 Milliarden. Alle Bemühungen, ihn durch die bargeldlosen Zahluugsmethoden herabzudrücken, blieben erfolglos. Die gesteigerten Preise, der Bedarf des Heeres und des Okkupationsgebietes erhöhten dauernd den Bedarf an Zahlungsmitteln. Es wurde mehr und mehr offenbar, daß es auf die Dauer unmöglich und willkürlich ist, die Jahres¬ umsätze von taufenden Milliarden Mark innerhalb der deutschen Volkswirtschaft auf ein Metall zurückzuführen, von dem in der ganzen Welt nur vielleicht 35 Milliarden, in Deutschland nur 3 bis 4 Milliarden vorhanden sind. Dazu reicht nicht das Gold, aber es reichen auch nicht die Goldsurrogate aus. Der bar¬ geldlose Verkehr ist an diese Schranken nicht gebunven. Aber man förderte ihn nicht deshalb, sondern nur um den Banknvtenumlauf zu verringern und so den Götzen der Dritteldeckung noch aufrecht erhalten zu können und verkannte, daß dadurch ebenso wie durch starken Notenumlauf die Umsätze des Verkehrs doch auf eine immer schmalere Goldbasis gestellt wurden. Insbesondere die neuen bestätigten Schenks der Neichsbank müßten logischerweise genau so durch Gold gedeckt sein, wie die Banknoten. Nun ist allerdings erstmalig in dem Neichsbonkausweis vom 31. Dezember 191K, also nach 2^/z Kriegsjahren des Kämpfens um die Golddecke, ein An schwellen des Notenumlaufs über den dreifachen Goldbestand hinaus erfolgt — über acht Milliarden Noten bei 2.5 Milliarden Gold. Die Macht der Ver¬ hältnisse hat über starre Grundsätze gesiegt. Aber es steht noch offen, ob dieser Sieg ein vorübergehender ist. ob die leitenden Bankkreise baldmöglichst die Dritteldeckung wieder eintreten lassen wollen, oder ob er dauernd ist und einer besseren Einsicht entspringt. Ist letzteres der Fall, so muß aber auch die weitere Folgerung gezogen werden, daß unser Goldschatz, welcher nur der Dritteldeckung zuliebe aufgehäuft worden ist und nunmehr seiner Bedeutung ledig geworden ist. auch der Wirtschaft nutzbar gemacht werden muß, statt in den Kellern der Neichsbank ein totes Dasein zu führen. Wir sind nicht reich genug, um uns ein totes Kapital von 2^ Milliarden leisten zu können. Wir müssen das Gold dem Ausland abgeben, solange dieses noch willig ist. es zu nehmen. WirtauschenLebensmittel undRohstoffe dagegen ein, deren wir so dringend *s

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/143>, abgerufen am 23.07.2024.