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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Namenschöpfung im Kriege

Ferne Madeirafarm. Villers-an-FIos erkennt man in Wilddrauflos nicht wieder.
Wer würde im plattdeutschen "Pedd ti man nich up de Tehr" das französische
Belle-la Fontaine vermuten? Savonniöres (östlich von Se. Mihiel) wird als
Seifenheim wiedergegeben. Vlämisches Verlinghem bildet sich zu Sperlingsheim
um. Das vielgenannte Przemysl spricht sich als Pritzmichel leichter aus.
Swisloscz, Konmczow (am San). Morchewo (an der Rawka) erscheinen als
Schwitzloch. Kognakshof und Mordwinkel. Krzywen (bei Lyck in Ostpreußen)
hieß "Kriech dazwischen!", weil die Mannschaften dort eng auf dem Heuboden
lagen und aneinander vorbeikriechen mußten.*)

Auch die Etappe hat ihre Namengebung. Während und nach der Besetzung
der größeren Städte Polens wurde zur leichteren Orientierung eine Umbenennung
der wichtigsten Straßen, Plätze und Brücken vorgenommen, meistens vom Orts¬
kommandanten. So gab es in Lowicz bald nach der Einnahme einen Kaiser-
Wilhelm-Platz, eine Hindenburgstraße. eine Mackensenstraße, eine Gendarmerie¬
straße, auch eine Granatenstraße (weil sich hier der Hauptverkehr der Munitions¬
kolonnen abspielte). In Warschau freilich als einer sehr großen Stadt und
wohl in Rücksicht auf die polnische Intelligenz hat man die ursprünglichen
Straßenbezeichnungen bestehen lassen, was nicht ausschließt, daß unsere Soldaten
die Hauptverkehrsader Nowy Swiat mit Neue Welt, Plac sahki und Ogrod
sahki mit Sachsenplatz und Sachsengarten übersetzen (die Namen enthalten noch
eine Erinnerung an die sächsisch-polnische Königszeit). Das kleinere Kowno
hingegen kann in Sachen der Namen die modernste Stadt des neuen Deutsch¬
land genannt werden. Es verwendet nicht nur Fürsten- und Generalsnamen
(Hindenburg, Ludendorff. Eichborn, Litzmann), Namen der Bundesgenossen
(wie Bulgarenplatz. Ungarplatz, ferner Dardanellenring, Konstantin opeler Straße),
sondern auch deutsche Kulturnamen wie Goethe und Beethoven, Rosegger und
Ganghofer für Straßen und Wege.







Alle" Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des "erlags gestattet.
Serantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterfelbe West. -- Manuslrixtsendungen und
Bricke werden erbeten unter der Adresse i
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FernsPrccher d-S HerauSgeS-rS: Amt Lichterfeld- 493, de" Verlags und der Schristleitung! Amt Liitzow L6l0.
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin SV II, Tempelhofer Uf-r SS"
Drü": .Der R-ichSb-te" ". ". b, H. in Berlin SV 1t, Dessauer Straj>e MM,
*) Einige der mitgeteilten Verdeutschungen entnehme ich den Aufsätzen K. Bergmanns
über die Soldatensprache, andere teilten mir Professor Dr. Helm und Dr. Stammler mit.
Herrn Geheimrat Dr. Fester in Halle verdanke ich den Nachweis des vorher genannten
Anzac-Namens.
Namenschöpfung im Kriege

Ferne Madeirafarm. Villers-an-FIos erkennt man in Wilddrauflos nicht wieder.
Wer würde im plattdeutschen „Pedd ti man nich up de Tehr" das französische
Belle-la Fontaine vermuten? Savonniöres (östlich von Se. Mihiel) wird als
Seifenheim wiedergegeben. Vlämisches Verlinghem bildet sich zu Sperlingsheim
um. Das vielgenannte Przemysl spricht sich als Pritzmichel leichter aus.
Swisloscz, Konmczow (am San). Morchewo (an der Rawka) erscheinen als
Schwitzloch. Kognakshof und Mordwinkel. Krzywen (bei Lyck in Ostpreußen)
hieß „Kriech dazwischen!", weil die Mannschaften dort eng auf dem Heuboden
lagen und aneinander vorbeikriechen mußten.*)

Auch die Etappe hat ihre Namengebung. Während und nach der Besetzung
der größeren Städte Polens wurde zur leichteren Orientierung eine Umbenennung
der wichtigsten Straßen, Plätze und Brücken vorgenommen, meistens vom Orts¬
kommandanten. So gab es in Lowicz bald nach der Einnahme einen Kaiser-
Wilhelm-Platz, eine Hindenburgstraße. eine Mackensenstraße, eine Gendarmerie¬
straße, auch eine Granatenstraße (weil sich hier der Hauptverkehr der Munitions¬
kolonnen abspielte). In Warschau freilich als einer sehr großen Stadt und
wohl in Rücksicht auf die polnische Intelligenz hat man die ursprünglichen
Straßenbezeichnungen bestehen lassen, was nicht ausschließt, daß unsere Soldaten
die Hauptverkehrsader Nowy Swiat mit Neue Welt, Plac sahki und Ogrod
sahki mit Sachsenplatz und Sachsengarten übersetzen (die Namen enthalten noch
eine Erinnerung an die sächsisch-polnische Königszeit). Das kleinere Kowno
hingegen kann in Sachen der Namen die modernste Stadt des neuen Deutsch¬
land genannt werden. Es verwendet nicht nur Fürsten- und Generalsnamen
(Hindenburg, Ludendorff. Eichborn, Litzmann), Namen der Bundesgenossen
(wie Bulgarenplatz. Ungarplatz, ferner Dardanellenring, Konstantin opeler Straße),
sondern auch deutsche Kulturnamen wie Goethe und Beethoven, Rosegger und
Ganghofer für Straßen und Wege.







Alle« Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des «erlags gestattet.
Serantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterfelbe West. — Manuslrixtsendungen und
Bricke werden erbeten unter der Adresse i
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FernsPrccher d-S HerauSgeS-rS: Amt Lichterfeld- 493, de» Verlags und der Schristleitung! Amt Liitzow L6l0.
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. b. H. in Berlin SV II, Tempelhofer Uf-r SS»
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*) Einige der mitgeteilten Verdeutschungen entnehme ich den Aufsätzen K. Bergmanns
über die Soldatensprache, andere teilten mir Professor Dr. Helm und Dr. Stammler mit.
Herrn Geheimrat Dr. Fester in Halle verdanke ich den Nachweis des vorher genannten
Anzac-Namens.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/140>, abgerufen am 23.07.2024.