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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Unser Verhältnis zu Japan

Australien gegenüber sogar in verschärften Maße. Japan hat die Schwäche
der europäischen Staaten dazu benutzt, um sich bedeutende wirtschaftliche Zu¬
geständnisse von China zusichern zu lassen, die aufs Empfindlichste die Rechte
Englands in dessen Interessensphäre, dem reichen Aangtse-Tale. bedrohen. Da
zu alledem noch die schon erwähnte Verdrängung der Engländer im Osten
durch die japanischen Kaufleute kommt, und die Japaner sogar schon begehr¬
liche Blicke auf Ostindien werfen, wo sie eine überaus rührige Werbearbeit
entfaltet haben, so kann man sich leicht denken, wie sich das Verhältnis zwischen
den beiden "Bundesgenossen" in letzter Zeit gestaltet hat. England, das den
Krieg begann, um seinen stärksten Konkurrenten auf dem Wellmarkte, Deutsch¬
land, zu verdrängen und auszuschalten, hat -- ohne dieses Ziel zu erreichen
-- es zulassen müssen, daß ihm in Japan und in der Union zwei weitere,
zum Teil noch gefährlichere Nebenbuhler auf dem Weltmarkte entstanden find.
Dabei hat es politisch seinen Einfluß und sein Ansehen in Ostasten völlig ein¬
gebüßt. Japan hat sich im Sommer 1916 eine Rückendeckung durch das von
ihm mit Rußland geschlossene Bündnis geschaffen. Mit diesem Bündnis, das
sich seiner Natur nach vorwiegend "gegen England richtet, kann jeder japanische
Staatsmann es jederzeit wagen, das Bündnis mit England zu kündigen. So
groß aber anscheinend eben die Freundschaft zwischen Rußland und Japan ist,
so ist es doch fraglich, ob sie den Krieg lange überdauern wird. Rußland
hat notgedrungen Japan allzu viele Vorteile einräumen müssen, die es im Falle
eines Sieges kaum gelten lassen würde. Beide Mächte mit ihrem ungeheueren
Expansionsdrang haben zu viele Reibungsflächen in der Mandschurei und
Mongolei. Vor allem aber haben die Japaner, teilweise auch die Chinesen
das Reich des Zaren bis weit in das Innere Rußlands hinein derartig mit
gelben Arbeitern überschwemmt, daß die russischen Zeitungen voll Sorge darauf
hinweisen, wie sie nach dem Kriege diese heute notwendigen Gäste wieder los¬
werden sollen. Buche die Entente Sieger im Weltkrieg, so wäre mit Sicher¬
heit anzunehmen, daß sie bald nach dessen Beendigung -- zusammen mit der
Union -- Japan den Stuhl vor die Türe setzte. Japan würde es dann aufs
bitterste zu bereuen haben, daß es den Entente-Staaten Helfersdienste gegen
Deutschland und Österreich-Ungarn geleistet hat. gegen die Großmächte, die
keine Reibungsflächen mit ihm gemein haben. Geht aber Deutschland, wie wir
zuversichtlich hoffen, als Sieger, oder auch nur unbesiegt aus dem Weltkrieg
hervor, so wird Japan erst recht alle Ursache haben, sich wieder mit uns auf
guten Fuß zu stellen. Wir aber werden -- eingedenk des an die Spitze dieses
Aufsatzes gestellten Hartmannschen Wortes -- eine Annäherung Japans an
uns nicht zurückzuweisen brauchen. Wir werden uns sagen müssen, daß
zwischen Japan einerseits und England und Rußland anderseits viele Reibungs¬
flächen und Konfliktsstoffe vorhanden sind, daß diese beiden Staaten also natür-
liche Gegner Japans sind und auch unsere natürlichen Gegner bleiben werden
(vgl. Fürst von Bülow. "Deutsche Politik" S. XII). So sehr uns daher die


Unser Verhältnis zu Japan

Australien gegenüber sogar in verschärften Maße. Japan hat die Schwäche
der europäischen Staaten dazu benutzt, um sich bedeutende wirtschaftliche Zu¬
geständnisse von China zusichern zu lassen, die aufs Empfindlichste die Rechte
Englands in dessen Interessensphäre, dem reichen Aangtse-Tale. bedrohen. Da
zu alledem noch die schon erwähnte Verdrängung der Engländer im Osten
durch die japanischen Kaufleute kommt, und die Japaner sogar schon begehr¬
liche Blicke auf Ostindien werfen, wo sie eine überaus rührige Werbearbeit
entfaltet haben, so kann man sich leicht denken, wie sich das Verhältnis zwischen
den beiden „Bundesgenossen" in letzter Zeit gestaltet hat. England, das den
Krieg begann, um seinen stärksten Konkurrenten auf dem Wellmarkte, Deutsch¬
land, zu verdrängen und auszuschalten, hat — ohne dieses Ziel zu erreichen
— es zulassen müssen, daß ihm in Japan und in der Union zwei weitere,
zum Teil noch gefährlichere Nebenbuhler auf dem Weltmarkte entstanden find.
Dabei hat es politisch seinen Einfluß und sein Ansehen in Ostasten völlig ein¬
gebüßt. Japan hat sich im Sommer 1916 eine Rückendeckung durch das von
ihm mit Rußland geschlossene Bündnis geschaffen. Mit diesem Bündnis, das
sich seiner Natur nach vorwiegend «gegen England richtet, kann jeder japanische
Staatsmann es jederzeit wagen, das Bündnis mit England zu kündigen. So
groß aber anscheinend eben die Freundschaft zwischen Rußland und Japan ist,
so ist es doch fraglich, ob sie den Krieg lange überdauern wird. Rußland
hat notgedrungen Japan allzu viele Vorteile einräumen müssen, die es im Falle
eines Sieges kaum gelten lassen würde. Beide Mächte mit ihrem ungeheueren
Expansionsdrang haben zu viele Reibungsflächen in der Mandschurei und
Mongolei. Vor allem aber haben die Japaner, teilweise auch die Chinesen
das Reich des Zaren bis weit in das Innere Rußlands hinein derartig mit
gelben Arbeitern überschwemmt, daß die russischen Zeitungen voll Sorge darauf
hinweisen, wie sie nach dem Kriege diese heute notwendigen Gäste wieder los¬
werden sollen. Buche die Entente Sieger im Weltkrieg, so wäre mit Sicher¬
heit anzunehmen, daß sie bald nach dessen Beendigung — zusammen mit der
Union — Japan den Stuhl vor die Türe setzte. Japan würde es dann aufs
bitterste zu bereuen haben, daß es den Entente-Staaten Helfersdienste gegen
Deutschland und Österreich-Ungarn geleistet hat. gegen die Großmächte, die
keine Reibungsflächen mit ihm gemein haben. Geht aber Deutschland, wie wir
zuversichtlich hoffen, als Sieger, oder auch nur unbesiegt aus dem Weltkrieg
hervor, so wird Japan erst recht alle Ursache haben, sich wieder mit uns auf
guten Fuß zu stellen. Wir aber werden — eingedenk des an die Spitze dieses
Aufsatzes gestellten Hartmannschen Wortes — eine Annäherung Japans an
uns nicht zurückzuweisen brauchen. Wir werden uns sagen müssen, daß
zwischen Japan einerseits und England und Rußland anderseits viele Reibungs¬
flächen und Konfliktsstoffe vorhanden sind, daß diese beiden Staaten also natür-
liche Gegner Japans sind und auch unsere natürlichen Gegner bleiben werden
(vgl. Fürst von Bülow. „Deutsche Politik" S. XII). So sehr uns daher die


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[0122] Unser Verhältnis zu Japan Australien gegenüber sogar in verschärften Maße. Japan hat die Schwäche der europäischen Staaten dazu benutzt, um sich bedeutende wirtschaftliche Zu¬ geständnisse von China zusichern zu lassen, die aufs Empfindlichste die Rechte Englands in dessen Interessensphäre, dem reichen Aangtse-Tale. bedrohen. Da zu alledem noch die schon erwähnte Verdrängung der Engländer im Osten durch die japanischen Kaufleute kommt, und die Japaner sogar schon begehr¬ liche Blicke auf Ostindien werfen, wo sie eine überaus rührige Werbearbeit entfaltet haben, so kann man sich leicht denken, wie sich das Verhältnis zwischen den beiden „Bundesgenossen" in letzter Zeit gestaltet hat. England, das den Krieg begann, um seinen stärksten Konkurrenten auf dem Wellmarkte, Deutsch¬ land, zu verdrängen und auszuschalten, hat — ohne dieses Ziel zu erreichen — es zulassen müssen, daß ihm in Japan und in der Union zwei weitere, zum Teil noch gefährlichere Nebenbuhler auf dem Weltmarkte entstanden find. Dabei hat es politisch seinen Einfluß und sein Ansehen in Ostasten völlig ein¬ gebüßt. Japan hat sich im Sommer 1916 eine Rückendeckung durch das von ihm mit Rußland geschlossene Bündnis geschaffen. Mit diesem Bündnis, das sich seiner Natur nach vorwiegend «gegen England richtet, kann jeder japanische Staatsmann es jederzeit wagen, das Bündnis mit England zu kündigen. So groß aber anscheinend eben die Freundschaft zwischen Rußland und Japan ist, so ist es doch fraglich, ob sie den Krieg lange überdauern wird. Rußland hat notgedrungen Japan allzu viele Vorteile einräumen müssen, die es im Falle eines Sieges kaum gelten lassen würde. Beide Mächte mit ihrem ungeheueren Expansionsdrang haben zu viele Reibungsflächen in der Mandschurei und Mongolei. Vor allem aber haben die Japaner, teilweise auch die Chinesen das Reich des Zaren bis weit in das Innere Rußlands hinein derartig mit gelben Arbeitern überschwemmt, daß die russischen Zeitungen voll Sorge darauf hinweisen, wie sie nach dem Kriege diese heute notwendigen Gäste wieder los¬ werden sollen. Buche die Entente Sieger im Weltkrieg, so wäre mit Sicher¬ heit anzunehmen, daß sie bald nach dessen Beendigung — zusammen mit der Union — Japan den Stuhl vor die Türe setzte. Japan würde es dann aufs bitterste zu bereuen haben, daß es den Entente-Staaten Helfersdienste gegen Deutschland und Österreich-Ungarn geleistet hat. gegen die Großmächte, die keine Reibungsflächen mit ihm gemein haben. Geht aber Deutschland, wie wir zuversichtlich hoffen, als Sieger, oder auch nur unbesiegt aus dem Weltkrieg hervor, so wird Japan erst recht alle Ursache haben, sich wieder mit uns auf guten Fuß zu stellen. Wir aber werden — eingedenk des an die Spitze dieses Aufsatzes gestellten Hartmannschen Wortes — eine Annäherung Japans an uns nicht zurückzuweisen brauchen. Wir werden uns sagen müssen, daß zwischen Japan einerseits und England und Rußland anderseits viele Reibungs¬ flächen und Konfliktsstoffe vorhanden sind, daß diese beiden Staaten also natür- liche Gegner Japans sind und auch unsere natürlichen Gegner bleiben werden (vgl. Fürst von Bülow. „Deutsche Politik" S. XII). So sehr uns daher die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/122>, abgerufen am 23.07.2024.