Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.Unser Verhältnis zu Japan auf deutscher Seite kein genügendes Entgegenkommen -- mit Rücksicht auf unsere Wenn diese in der Vergangenheit liegenden Begebenheiten hier er¬ Die heldenmütige Verteidigung Tstngtaus durch die schwache deutsche Be¬ Unser Verhältnis zu Japan auf deutscher Seite kein genügendes Entgegenkommen — mit Rücksicht auf unsere Wenn diese in der Vergangenheit liegenden Begebenheiten hier er¬ Die heldenmütige Verteidigung Tstngtaus durch die schwache deutsche Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331531"/> <fw type="header" place="top"> Unser Verhältnis zu Japan</fw><lb/> <p xml:id="ID_366" prev="#ID_365"> auf deutscher Seite kein genügendes Entgegenkommen — mit Rücksicht auf unsere<lb/> Beziehungen zu England (und Nordamerika) — gefunden. Nachdem der Reichs¬<lb/> kanzler im Reichstage ausdrücklich erklärt hat. ein Bündnisantrag sei niemals<lb/> von Japan an uns gestellt worden, wird man Graf Reventlow nur darin Recht<lb/> geben können, daß bei Japan die Neigung bestand, in nähere Beziehungen zu<lb/> uns zu treten, daß wir uns aber von vornherein ablehnend verhielten, so daß<lb/> sich Japan mit einer deutlicheren Annäherung gar nicht erst hervorwagte.<lb/> Jedenfalls erwähnt auch Professor K. Alberti (in der Zeitschrift „Handel und<lb/> Industrie", München 1915, unterm 13. Februar) in einem Aufsatz „Mußte<lb/> Tsingtau fallen?", bei den Übergabeverhandlungen in Tsingtau hätten hoch¬<lb/> gestellte Japaner dem Gouverneur Meyer'Waldeck versichert, wenn Deutschland<lb/> Japan die Zinsgarantie für dessen Schuld an England angeboten und es so<lb/> aus den Händen Englands befreit hätte, wäre Tsingtau noch heute deutsch;<lb/> dem deutschen Botschafter in Tokio sei auch dieser Ausweg deutlich genug gezeigt<lb/> worden, er habe ihn aber nicht verstanden oder nicht verstehen wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_367"> Wenn diese in der Vergangenheit liegenden Begebenheiten hier er¬<lb/> wähnt werden, so geschieht es nicht, um Kritik zu üben, sondern um Richt¬<lb/> linien für die Frage zu gewinnen, wie sich in Zukunft unser Verhältnis zu<lb/> Japan gestalten soll. Besondere Berücksichtigung verdient das Verhalten,<lb/> das die Japaner nach der Eroberung Tstngtaus und später gezeigt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_368" next="#ID_369"> Die heldenmütige Verteidigung Tstngtaus durch die schwache deutsche Be¬<lb/> satzung hat auf die Japaner, die für das Heldenhafte mehr als alle anderen<lb/> Völker empfänglich sind, großen Eindruck gemacht. Sie haben die Gräber der<lb/> dort gefallenen Deutschen mit der Bezeichnung „Heldengrab" versehen, die<lb/> deutschen Kriegsgefangenen im allgemeinen höflich und zuvorkommend behandelt,<lb/> dagegen England, der britischen Flotte, dem englischen Heere und ihren „Er¬<lb/> folgen" im Weltkriege gegenüber eine Verachtung an den Tag gelegt, die alles<lb/> übersteigt, was sich England jemals von einer fremden Macht gefallen lassen<lb/> mußte. In den japanischen Zeitungen und Zeitschriften, die trotz der englischen<lb/> Hetzpresse die Kriegslage meist sehr objektiv behandeln, wird nicht nur laut<lb/> und offen eine Kündigung des japanisch-englischen Bündnisvertrages gefordert,<lb/> sondern sogar mit einem deutsch-japanischen Bündnis gegen England offen ge¬<lb/> droht. Nicht nur die angesehene Monatsschrift „Dal Nippon" erörtert solche<lb/> Vorschläge, auch in anderen japanischen Zeitungen findet man Wendungen wie<lb/> die folgende: „Heute versorgt Amerika die Alliierten mit Waffen und Munition<lb/> gegen Deutschland; vielleicht kommt einmal der Tag. da Deutschland uns gegen<lb/> die Vereinigten Staaten und Australien versorgt" („Franks. Zeitung", Abend¬<lb/> blatt vom 7. Januar 1916). Der Gegensatz zwischen Japan und den Ver¬<lb/> einigten Staaten hat sich im Weltkrieg weiter verschärft, der zwischen ihm und<lb/> England ist sogar seit der Eroberung Tstngtaus ins Ungemessene gewachsen.<lb/> Zwischen Japan und den britischen Dominien Australien und Britisch Kolumbien<lb/> bestehen dieselben Streitigkeiten wie zwischen jenem und den Vereinigten Staaten,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0121]
Unser Verhältnis zu Japan
auf deutscher Seite kein genügendes Entgegenkommen — mit Rücksicht auf unsere
Beziehungen zu England (und Nordamerika) — gefunden. Nachdem der Reichs¬
kanzler im Reichstage ausdrücklich erklärt hat. ein Bündnisantrag sei niemals
von Japan an uns gestellt worden, wird man Graf Reventlow nur darin Recht
geben können, daß bei Japan die Neigung bestand, in nähere Beziehungen zu
uns zu treten, daß wir uns aber von vornherein ablehnend verhielten, so daß
sich Japan mit einer deutlicheren Annäherung gar nicht erst hervorwagte.
Jedenfalls erwähnt auch Professor K. Alberti (in der Zeitschrift „Handel und
Industrie", München 1915, unterm 13. Februar) in einem Aufsatz „Mußte
Tsingtau fallen?", bei den Übergabeverhandlungen in Tsingtau hätten hoch¬
gestellte Japaner dem Gouverneur Meyer'Waldeck versichert, wenn Deutschland
Japan die Zinsgarantie für dessen Schuld an England angeboten und es so
aus den Händen Englands befreit hätte, wäre Tsingtau noch heute deutsch;
dem deutschen Botschafter in Tokio sei auch dieser Ausweg deutlich genug gezeigt
worden, er habe ihn aber nicht verstanden oder nicht verstehen wollen.
Wenn diese in der Vergangenheit liegenden Begebenheiten hier er¬
wähnt werden, so geschieht es nicht, um Kritik zu üben, sondern um Richt¬
linien für die Frage zu gewinnen, wie sich in Zukunft unser Verhältnis zu
Japan gestalten soll. Besondere Berücksichtigung verdient das Verhalten,
das die Japaner nach der Eroberung Tstngtaus und später gezeigt haben.
Die heldenmütige Verteidigung Tstngtaus durch die schwache deutsche Be¬
satzung hat auf die Japaner, die für das Heldenhafte mehr als alle anderen
Völker empfänglich sind, großen Eindruck gemacht. Sie haben die Gräber der
dort gefallenen Deutschen mit der Bezeichnung „Heldengrab" versehen, die
deutschen Kriegsgefangenen im allgemeinen höflich und zuvorkommend behandelt,
dagegen England, der britischen Flotte, dem englischen Heere und ihren „Er¬
folgen" im Weltkriege gegenüber eine Verachtung an den Tag gelegt, die alles
übersteigt, was sich England jemals von einer fremden Macht gefallen lassen
mußte. In den japanischen Zeitungen und Zeitschriften, die trotz der englischen
Hetzpresse die Kriegslage meist sehr objektiv behandeln, wird nicht nur laut
und offen eine Kündigung des japanisch-englischen Bündnisvertrages gefordert,
sondern sogar mit einem deutsch-japanischen Bündnis gegen England offen ge¬
droht. Nicht nur die angesehene Monatsschrift „Dal Nippon" erörtert solche
Vorschläge, auch in anderen japanischen Zeitungen findet man Wendungen wie
die folgende: „Heute versorgt Amerika die Alliierten mit Waffen und Munition
gegen Deutschland; vielleicht kommt einmal der Tag. da Deutschland uns gegen
die Vereinigten Staaten und Australien versorgt" („Franks. Zeitung", Abend¬
blatt vom 7. Januar 1916). Der Gegensatz zwischen Japan und den Ver¬
einigten Staaten hat sich im Weltkrieg weiter verschärft, der zwischen ihm und
England ist sogar seit der Eroberung Tstngtaus ins Ungemessene gewachsen.
Zwischen Japan und den britischen Dominien Australien und Britisch Kolumbien
bestehen dieselben Streitigkeiten wie zwischen jenem und den Vereinigten Staaten,
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