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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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flusse der dunkeln Elemente, von diesen kraftlosen und unfähigen Ministern
nicht erreicht werden kann. In dem Bilde der Einflüsse hinter den Kulissen . .
hat sich nichts geändert. Im Gegenteil, diese dunkeln Elemente, die nach meiner
Rede in die Defensive gedrängt waren, haben nun wieder die Offensive er¬
griffen. Ein Syndikat dieser dunkeln Elemente ist jetzt in der Wiederherstellung
seiner eingebüßten Kräfte begriffen und tritt mit einer solchen Frechheit und
Offenheit hervor, wie nie zuvor."

Kurze Zeit, nachdem diese Worte ausgesprochen wurden, war das Auto-
mobil von Purischkjewitsch nach jenem Hause in der Gorochowaja Straße Ur. 64
mit dem der höchsten Petersburger Gesellschaft angehörigen eleganten jungen
Manne unterwegs, der Grigori Rasputin zur Todesfahrt abholte.

Wie diese Nacht verlaufen ist, wissen wir nicht. Abenteuerlich und ein¬
ander widersprechend sind die Angaben der russischen Zeitungen, soweit sie mir
bis heute vorliegen,^) über diese letzte Fahrt, ebenso rätselvoll wie das Leben
Rasputins. Das Gastmahl in jenem eleganten Restaurant auf den Inseln, wo
man bei Sekt und Zigeunern würfelte (warfen diese Würfel das Todeslos des
so oft Totgesagten?), der glänzende Rout im Palais an der Moika 94, die
mit Blut getränkte Galosche Rasputins da draußen auf jener abgelegenen
Brücke hinter der Bavariabrauerei, die blutgetränkte Matte, das Loch im Newa¬
eise, zu dem noch in der Morgenfrühe die höchsten Beamten des russischen
Reiches, der Justizminister Makarow an der Spitze, pilgerten, die Schüsse im
Palais an der Moika, der tote Hund, die Worte des Abgeordneten Purischkjewitsch,
der den Schutzmann von dem Tode eines Hundes und dem Morde Rasputins
benachrichtigt -- das alles scheinen Tatsachen zu sein. Wir kennen nur nicht genau
ihre Verknüpfung.

Mag die Ermordung Rasputins mit persönlichen Erlebnissenn der be¬
teiligten Personen, mit persönlichem Rachebedürfnis zusammenhängen, ich glaube,
man kann trotzdem sagen, Rasputins Ermordung ist seit Stolyvins Tod der
größte politische Mord, den Rußland erlebt hat. Er ist eigentlich noch viel
aufregender, noch viel bedeutsamer, weil er in jene höchsten Höhen führt, die
man bisher vergeblich zu treffen versucht hat.

Einen Hund hat man in jener Nacht an der Moika erschossen. Was
bedeutet das? Wollte man nur die Spuren des Mordes verwischen, eine Er¬
klärung für gewisse Blutlachen schaffen, die man am anderen Tage in den
Zimmern jenes aristokratischen Palais fand? Oder hatte die Erschießung des
Hundes symbolische Bedeutung? Ich habe einmal in einem merkwürdigen Buche
eine Photographie Rasputins gefunden. Dort steht er an den finnischen Schären
zusammen mit der bekannten Freundin der Zarin, dem Hoffräulein Wyrnbowa,
mit Schlapphut und langem Rocke neben der Frau mit Kopftuch und ganz
kleinbürgerlichen Anzüge. Daneben finde ich eine Beschreibung der Religiosität



Bis zum 2. Januar neuen Stils.
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flusse der dunkeln Elemente, von diesen kraftlosen und unfähigen Ministern
nicht erreicht werden kann. In dem Bilde der Einflüsse hinter den Kulissen . .
hat sich nichts geändert. Im Gegenteil, diese dunkeln Elemente, die nach meiner
Rede in die Defensive gedrängt waren, haben nun wieder die Offensive er¬
griffen. Ein Syndikat dieser dunkeln Elemente ist jetzt in der Wiederherstellung
seiner eingebüßten Kräfte begriffen und tritt mit einer solchen Frechheit und
Offenheit hervor, wie nie zuvor."

Kurze Zeit, nachdem diese Worte ausgesprochen wurden, war das Auto-
mobil von Purischkjewitsch nach jenem Hause in der Gorochowaja Straße Ur. 64
mit dem der höchsten Petersburger Gesellschaft angehörigen eleganten jungen
Manne unterwegs, der Grigori Rasputin zur Todesfahrt abholte.

Wie diese Nacht verlaufen ist, wissen wir nicht. Abenteuerlich und ein¬
ander widersprechend sind die Angaben der russischen Zeitungen, soweit sie mir
bis heute vorliegen,^) über diese letzte Fahrt, ebenso rätselvoll wie das Leben
Rasputins. Das Gastmahl in jenem eleganten Restaurant auf den Inseln, wo
man bei Sekt und Zigeunern würfelte (warfen diese Würfel das Todeslos des
so oft Totgesagten?), der glänzende Rout im Palais an der Moika 94, die
mit Blut getränkte Galosche Rasputins da draußen auf jener abgelegenen
Brücke hinter der Bavariabrauerei, die blutgetränkte Matte, das Loch im Newa¬
eise, zu dem noch in der Morgenfrühe die höchsten Beamten des russischen
Reiches, der Justizminister Makarow an der Spitze, pilgerten, die Schüsse im
Palais an der Moika, der tote Hund, die Worte des Abgeordneten Purischkjewitsch,
der den Schutzmann von dem Tode eines Hundes und dem Morde Rasputins
benachrichtigt — das alles scheinen Tatsachen zu sein. Wir kennen nur nicht genau
ihre Verknüpfung.

Mag die Ermordung Rasputins mit persönlichen Erlebnissenn der be¬
teiligten Personen, mit persönlichem Rachebedürfnis zusammenhängen, ich glaube,
man kann trotzdem sagen, Rasputins Ermordung ist seit Stolyvins Tod der
größte politische Mord, den Rußland erlebt hat. Er ist eigentlich noch viel
aufregender, noch viel bedeutsamer, weil er in jene höchsten Höhen führt, die
man bisher vergeblich zu treffen versucht hat.

Einen Hund hat man in jener Nacht an der Moika erschossen. Was
bedeutet das? Wollte man nur die Spuren des Mordes verwischen, eine Er¬
klärung für gewisse Blutlachen schaffen, die man am anderen Tage in den
Zimmern jenes aristokratischen Palais fand? Oder hatte die Erschießung des
Hundes symbolische Bedeutung? Ich habe einmal in einem merkwürdigen Buche
eine Photographie Rasputins gefunden. Dort steht er an den finnischen Schären
zusammen mit der bekannten Freundin der Zarin, dem Hoffräulein Wyrnbowa,
mit Schlapphut und langem Rocke neben der Frau mit Kopftuch und ganz
kleinbürgerlichen Anzüge. Daneben finde ich eine Beschreibung der Religiosität



Bis zum 2. Januar neuen Stils.
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[0111] Rasxutin flusse der dunkeln Elemente, von diesen kraftlosen und unfähigen Ministern nicht erreicht werden kann. In dem Bilde der Einflüsse hinter den Kulissen . . hat sich nichts geändert. Im Gegenteil, diese dunkeln Elemente, die nach meiner Rede in die Defensive gedrängt waren, haben nun wieder die Offensive er¬ griffen. Ein Syndikat dieser dunkeln Elemente ist jetzt in der Wiederherstellung seiner eingebüßten Kräfte begriffen und tritt mit einer solchen Frechheit und Offenheit hervor, wie nie zuvor." Kurze Zeit, nachdem diese Worte ausgesprochen wurden, war das Auto- mobil von Purischkjewitsch nach jenem Hause in der Gorochowaja Straße Ur. 64 mit dem der höchsten Petersburger Gesellschaft angehörigen eleganten jungen Manne unterwegs, der Grigori Rasputin zur Todesfahrt abholte. Wie diese Nacht verlaufen ist, wissen wir nicht. Abenteuerlich und ein¬ ander widersprechend sind die Angaben der russischen Zeitungen, soweit sie mir bis heute vorliegen,^) über diese letzte Fahrt, ebenso rätselvoll wie das Leben Rasputins. Das Gastmahl in jenem eleganten Restaurant auf den Inseln, wo man bei Sekt und Zigeunern würfelte (warfen diese Würfel das Todeslos des so oft Totgesagten?), der glänzende Rout im Palais an der Moika 94, die mit Blut getränkte Galosche Rasputins da draußen auf jener abgelegenen Brücke hinter der Bavariabrauerei, die blutgetränkte Matte, das Loch im Newa¬ eise, zu dem noch in der Morgenfrühe die höchsten Beamten des russischen Reiches, der Justizminister Makarow an der Spitze, pilgerten, die Schüsse im Palais an der Moika, der tote Hund, die Worte des Abgeordneten Purischkjewitsch, der den Schutzmann von dem Tode eines Hundes und dem Morde Rasputins benachrichtigt — das alles scheinen Tatsachen zu sein. Wir kennen nur nicht genau ihre Verknüpfung. Mag die Ermordung Rasputins mit persönlichen Erlebnissenn der be¬ teiligten Personen, mit persönlichem Rachebedürfnis zusammenhängen, ich glaube, man kann trotzdem sagen, Rasputins Ermordung ist seit Stolyvins Tod der größte politische Mord, den Rußland erlebt hat. Er ist eigentlich noch viel aufregender, noch viel bedeutsamer, weil er in jene höchsten Höhen führt, die man bisher vergeblich zu treffen versucht hat. Einen Hund hat man in jener Nacht an der Moika erschossen. Was bedeutet das? Wollte man nur die Spuren des Mordes verwischen, eine Er¬ klärung für gewisse Blutlachen schaffen, die man am anderen Tage in den Zimmern jenes aristokratischen Palais fand? Oder hatte die Erschießung des Hundes symbolische Bedeutung? Ich habe einmal in einem merkwürdigen Buche eine Photographie Rasputins gefunden. Dort steht er an den finnischen Schären zusammen mit der bekannten Freundin der Zarin, dem Hoffräulein Wyrnbowa, mit Schlapphut und langem Rocke neben der Frau mit Kopftuch und ganz kleinbürgerlichen Anzüge. Daneben finde ich eine Beschreibung der Religiosität Bis zum 2. Januar neuen Stils. 7*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/111>, abgerufen am 25.08.2024.