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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Die Grundgedanken des Wirtschaftskrieges

Valuta kreditfähig bleibt für die Zeit der neuen großen Kapitalanstrengungen.
Das oben besagte Prohibitivsnstem hat logischerweise zu dem Bestreben geführt,
sich mehr und mehr selbst zu genügen. Das ist ja auch die Grundidee der
mitteleuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft, daß wir uns späterhin für alle Fälle
ein verläßliches Wirtschaftsbündnis schaffen, das uns die politische Stärkung
eines geschlossenen Handelsstaates in jedem Augenblick zu gewähren imstande
ist, daß das Mitteleuropa, um mit Friedrich List zu reden, als eine einheitliche
"Agrikulturmanufalturhandelsnation" in die Erscheinung tritt.

Von gar nicht zu überschätzender und trotzdem merkwürdigerweise vielfach
übersehener Wichtigkeit ist nun ein zweiter Punkt: England baut vor für seine
ganzen Weltmarktinteressen, nicht nur für seine Verrechnung mit Deutschland.
Es ist durch die Tatsache, daß es in von den Leitern der Londoner Politik
ungeahntem Umfange zur tätigen Teilnahme am Kriege gezwungen worden ist,
in sehr beträchtlichem Maße von den wirtschaftlichen Geschehnissen fern¬
gehalten worden. Seine europäische politische Bedeutung hat, das darf man
ruhig angesichts der bedeutenden Verpflichtungen der Ententegenossen gegenüber
England aussprechen, wohl kaum gelitten, dagegen ist seine weltwirtschaftliche
Stellung nicht unerheblich erschüttert. Menschen und Maschinen arbeiten heute
aus dem Jnsellande wenig genug für den Export von Friedenswaren. Auch
die englische Industrie ist mehr und mehr zu einer Rüstungsindustrie geworden.
Diese Sorge, zu viel eingebüßt zu haben von der Weltmachtstellung in wirt¬
schaftlicher Hinsicht, drückt die Londoner Machthaber heute unseres Erachtens
ebensosehr wie das Bangen um den Kriegsausfall selber. Die Vereinigten
Staaten von Amerika und Japan haben England in großem Maße Abbruch
getan. Die Märkte der Welt diesen beiden Konkurrenten gegenüber sich soweit
wie möglich zu erhalten und neu zu gewinnen, darauf laufen die Bemühungen
hinaus. Wie stark die Schwierigkeiten, die sich diesen Anstrengungen entgegen¬
setzen, übrigens sind, geht aus den folgenden Ausführungen des Londoner Mit¬
arbeiters der "Züricher Post" hervor: "Die Verewigten Staaten machen
gewaltige Anstrengungen, um den Handel in Südamerika an sich zu reißen,
und sie haben schon bemerkenswerte Erfolge erzielt. Auch in Südafrika sind
es die Amerikaner, die den Minenbesitzern, besonders bei der Ausbeutung der
Diamanten die modernsten Maschinen verkaufen. Auch die amerikanischen Werk¬
zeuge finden größeren Absatz als die britischen. In Australien sind es wieder
die amerikanischen Häuser, die überallhin ihre Vertreter aussenden, um genau
die lokalen Verhältnisse zu erkunden. Seit dem Krieg hat sich dieses England
ungünstige Verhältnis noch bedeutend zugunsten Amerikas verschoben. Daß
Kanada von den Amerikanern besonders aufmerksam bearbeitet wird, ist bekannt.
Die Japaner befassen sich hauptsächlich mit Indien und Neuseeland. Besonders
in dieser letzteren Kolonie haben die Japaner den Platz der Deutschen ein¬
genommen und verkaufen dort zu bedeutend billigeren Preisen als die Deutschen
dies je getan haben. Gegenwärtig ist in Neuseeland kein Geschäft, das nicht


Die Grundgedanken des Wirtschaftskrieges

Valuta kreditfähig bleibt für die Zeit der neuen großen Kapitalanstrengungen.
Das oben besagte Prohibitivsnstem hat logischerweise zu dem Bestreben geführt,
sich mehr und mehr selbst zu genügen. Das ist ja auch die Grundidee der
mitteleuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft, daß wir uns späterhin für alle Fälle
ein verläßliches Wirtschaftsbündnis schaffen, das uns die politische Stärkung
eines geschlossenen Handelsstaates in jedem Augenblick zu gewähren imstande
ist, daß das Mitteleuropa, um mit Friedrich List zu reden, als eine einheitliche
„Agrikulturmanufalturhandelsnation" in die Erscheinung tritt.

Von gar nicht zu überschätzender und trotzdem merkwürdigerweise vielfach
übersehener Wichtigkeit ist nun ein zweiter Punkt: England baut vor für seine
ganzen Weltmarktinteressen, nicht nur für seine Verrechnung mit Deutschland.
Es ist durch die Tatsache, daß es in von den Leitern der Londoner Politik
ungeahntem Umfange zur tätigen Teilnahme am Kriege gezwungen worden ist,
in sehr beträchtlichem Maße von den wirtschaftlichen Geschehnissen fern¬
gehalten worden. Seine europäische politische Bedeutung hat, das darf man
ruhig angesichts der bedeutenden Verpflichtungen der Ententegenossen gegenüber
England aussprechen, wohl kaum gelitten, dagegen ist seine weltwirtschaftliche
Stellung nicht unerheblich erschüttert. Menschen und Maschinen arbeiten heute
aus dem Jnsellande wenig genug für den Export von Friedenswaren. Auch
die englische Industrie ist mehr und mehr zu einer Rüstungsindustrie geworden.
Diese Sorge, zu viel eingebüßt zu haben von der Weltmachtstellung in wirt¬
schaftlicher Hinsicht, drückt die Londoner Machthaber heute unseres Erachtens
ebensosehr wie das Bangen um den Kriegsausfall selber. Die Vereinigten
Staaten von Amerika und Japan haben England in großem Maße Abbruch
getan. Die Märkte der Welt diesen beiden Konkurrenten gegenüber sich soweit
wie möglich zu erhalten und neu zu gewinnen, darauf laufen die Bemühungen
hinaus. Wie stark die Schwierigkeiten, die sich diesen Anstrengungen entgegen¬
setzen, übrigens sind, geht aus den folgenden Ausführungen des Londoner Mit¬
arbeiters der „Züricher Post" hervor: „Die Verewigten Staaten machen
gewaltige Anstrengungen, um den Handel in Südamerika an sich zu reißen,
und sie haben schon bemerkenswerte Erfolge erzielt. Auch in Südafrika sind
es die Amerikaner, die den Minenbesitzern, besonders bei der Ausbeutung der
Diamanten die modernsten Maschinen verkaufen. Auch die amerikanischen Werk¬
zeuge finden größeren Absatz als die britischen. In Australien sind es wieder
die amerikanischen Häuser, die überallhin ihre Vertreter aussenden, um genau
die lokalen Verhältnisse zu erkunden. Seit dem Krieg hat sich dieses England
ungünstige Verhältnis noch bedeutend zugunsten Amerikas verschoben. Daß
Kanada von den Amerikanern besonders aufmerksam bearbeitet wird, ist bekannt.
Die Japaner befassen sich hauptsächlich mit Indien und Neuseeland. Besonders
in dieser letzteren Kolonie haben die Japaner den Platz der Deutschen ein¬
genommen und verkaufen dort zu bedeutend billigeren Preisen als die Deutschen
dies je getan haben. Gegenwärtig ist in Neuseeland kein Geschäft, das nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/88>, abgerufen am 23.07.2024.