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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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?>elli Omer

Bürste. Alle diese Dinge bekommt Hussein, mein Vater. Wird der Augen
machen!"

"Aber in zehn Tagen kommst du ja gar nicht bis Jsnik!" spottete Achmed.

"Wozu gibt es Schiffe und Eisenbahnen, du Eselssohn? Ich fahre im
Dampfer nach Haidar-Pascha, setze mich dort auf den Zug und bin nach
einem halben Tag in Mekedsche. Von dort habe ich nur noch drei Stunden
zu laufen. Siehst du, so macht man basi"

"Und das Geld, mein Schäfchen?"

Omer klopfte auf seinen Brustbeutel. "Da steckt's drin! Seht ihr, das
hat man davon, wenn man arbeiten lernt wie die ,Franken'I"

Er schwatzte noch lange von dem, was er in Jsnik anzufangen ge¬
dachte, aber niemand hörte ihm weiter zu; die Hmnals schienen plötzlich taub
geworden zu sein.

Nachdem er gegangen war, machte sich der allgemeine Unmut Luft.

"Er ist der Jüngste hier und will den Großvater bei uns spielen!" rief
eine Stimme, "und so einen Haufen Geld," polterte eine andere. "Man sollte
doch Haut Effendi fragen, ob es sich für einen Moslem schicke, im Hause eines
Ungläubigen zu schlafen!"

Haut hatte den aufgeweckten Burschen zuerst gern gehabt, da er gern
plauderte und in Omer stets einen willigen Zuhörer fand. Seit ihm aber
bekannt war, daß der Jsniker allen Hamals umsonst die Briefe schrieb, hatte
er ihm seine Gunst entzogen. Hier fand sich nun eine gute Gelegenheit, ihm
sogar zu schaden.

"Ihr habt recht, Freunde", sprach er zu den Lastträgern, "wir können
nicht dulden, daß Omer weiter mit diesen "Franken" umgeht. Ihr müßt ihn
zwingen, seinen Dienst im "weißen Haus" aufzugeben."

"Gib uns einen Rat, Väterchen, wie sollen wir das anfangen?"

"Die Sache ist ganz einfach. Wenn er von Jsnik zurückkehrt, kennt ihn
keiner von uns mehr. Er tritt ins Kaffeehaus ein, niemand steht ihn. Er
fängt ein Gespräch an, keiner hört drauf. Er kommt zur Arbeit, von keiner
Seele wird er beachtet. Ihr sollt sehen, nach kurzer Zeit duckt er sich und ihr
könnt eure Bedingungen stellen. Seid ihr damit einverstanden?"

Als Omer von Jsnik zurückkam, merkte er sofort, daß man ihm übel wollte.

Er ging stracks zu Haut Effendi. "Das hast du angerichtet, Väterchen",
sprach er, "aber du brauchst nichts weiter zu befürchten, meinen sauberen Freunden
schreibe ich keine Briefe mehr!"




Omer wurde Einsiedler. Standhaft ertrug er alle Demütigungen von
feiten seiner früheren Kameraden. Nur Hassan, der Baschi, hatte den Mut,
ihn nicht zu verleugnen. Er war es auch, der ihm riet, seinen Posten im
"weißen Haus" aufzugeben und sich bei einem türkischen Bey eine Neben¬
beschäftigung zu suchen.


?>elli Omer

Bürste. Alle diese Dinge bekommt Hussein, mein Vater. Wird der Augen
machen!"

„Aber in zehn Tagen kommst du ja gar nicht bis Jsnik!" spottete Achmed.

„Wozu gibt es Schiffe und Eisenbahnen, du Eselssohn? Ich fahre im
Dampfer nach Haidar-Pascha, setze mich dort auf den Zug und bin nach
einem halben Tag in Mekedsche. Von dort habe ich nur noch drei Stunden
zu laufen. Siehst du, so macht man basi"

„Und das Geld, mein Schäfchen?"

Omer klopfte auf seinen Brustbeutel. „Da steckt's drin! Seht ihr, das
hat man davon, wenn man arbeiten lernt wie die ,Franken'I"

Er schwatzte noch lange von dem, was er in Jsnik anzufangen ge¬
dachte, aber niemand hörte ihm weiter zu; die Hmnals schienen plötzlich taub
geworden zu sein.

Nachdem er gegangen war, machte sich der allgemeine Unmut Luft.

„Er ist der Jüngste hier und will den Großvater bei uns spielen!" rief
eine Stimme, „und so einen Haufen Geld," polterte eine andere. „Man sollte
doch Haut Effendi fragen, ob es sich für einen Moslem schicke, im Hause eines
Ungläubigen zu schlafen!"

Haut hatte den aufgeweckten Burschen zuerst gern gehabt, da er gern
plauderte und in Omer stets einen willigen Zuhörer fand. Seit ihm aber
bekannt war, daß der Jsniker allen Hamals umsonst die Briefe schrieb, hatte
er ihm seine Gunst entzogen. Hier fand sich nun eine gute Gelegenheit, ihm
sogar zu schaden.

„Ihr habt recht, Freunde", sprach er zu den Lastträgern, „wir können
nicht dulden, daß Omer weiter mit diesen „Franken" umgeht. Ihr müßt ihn
zwingen, seinen Dienst im „weißen Haus" aufzugeben."

„Gib uns einen Rat, Väterchen, wie sollen wir das anfangen?"

„Die Sache ist ganz einfach. Wenn er von Jsnik zurückkehrt, kennt ihn
keiner von uns mehr. Er tritt ins Kaffeehaus ein, niemand steht ihn. Er
fängt ein Gespräch an, keiner hört drauf. Er kommt zur Arbeit, von keiner
Seele wird er beachtet. Ihr sollt sehen, nach kurzer Zeit duckt er sich und ihr
könnt eure Bedingungen stellen. Seid ihr damit einverstanden?"

Als Omer von Jsnik zurückkam, merkte er sofort, daß man ihm übel wollte.

Er ging stracks zu Haut Effendi. „Das hast du angerichtet, Väterchen",
sprach er, „aber du brauchst nichts weiter zu befürchten, meinen sauberen Freunden
schreibe ich keine Briefe mehr!"




Omer wurde Einsiedler. Standhaft ertrug er alle Demütigungen von
feiten seiner früheren Kameraden. Nur Hassan, der Baschi, hatte den Mut,
ihn nicht zu verleugnen. Er war es auch, der ihm riet, seinen Posten im
„weißen Haus" aufzugeben und sich bei einem türkischen Bey eine Neben¬
beschäftigung zu suchen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/416>, abgerufen am 23.07.2024.