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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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laut zu gewinnen. Daß die freien katholischen Schulen und die Klöster
unbehelligt bestehen bleiben müssen, sieht Bornhak ja selber ein. Warum also
nicht auch die katholische Universität? Dagegen fallen muß natürlich die
liberale Universität in Brüssel, dieser Hort der deutschfeindlichen französischen
Kulturpropaganda. Mit ihrer Vernichtung würden wir der katholischen Kirche
schon einen Gefallen tun, den wir uns durch politische Gegendienste bezahlen
lassen können.

Darum noch einmal: Divicie et impera! Unser Feind in Belgien ist
der Geist jener westeuropäischen politischen Kultur, der fast in allen Haupt¬
städten Europas den heiligen Krieg gegen uns gepredigt hat. Wollen wir
diesen Geist wirksam bekämpfen, fo brauchen wir jene einzige Macht, die außer
ihm noch auf die Seelen der breiten vlämisch-wallonischen Volksmassen Einfluß
hat: die katholische Kirche zum Bundesgenossen. Wer vorurteilsfrei denkt, wird
sich der Logik dieses Gedankenganges nicht entziehen können. Soll also Belgien
annektiert werden, wie Bornhak mit überzeugenden Gründen fordert, so lasse
man auf die Annexion gleich die richtige Politik folgen.

Ich kenne wohl das warnende Wort: "()ni munZe an pupe en meurt".
Aber wir haben keine Wahl und brauchen nicht mehr vor dem Jesuwiterhütlem
zu erbleichen. Deutschland ist ja selber zum nicht geringen Teile ein katholisches
Land, und nach der Geburtenstatistik wird der Prozentsatz der Katholiken eher
steigen als fallen. In unserer mitteleuropäischen Zukunftspolitik wird der
Katholizismus ohnehin eine noch weit wichtigere Rolle spielen als in der bis¬
herigen inneren Reichspolitik, weil Österreich-Ungarn katholisch und die Kirche
der Donaumonarchie als Ausgleichsfaktor unter den Nationalitäten längst be¬
währt ist. Das wäre eine kluge und wahrhaft staatsmännische Annexions¬
politik, die aus der alten Not der konfessionellen Zerrissenheit Deutschlands eine
neue Tugend zu machen verstünde. Wir sollten in Belgien ebenso im Bunde
mit der katholischen Kirche austreten wie im protestantischen Kurland, das doch
hoffentlich auch deutsch wird, im Bunde mit der norddeutschen protestantischen
Kultur. Nützen wir aus, was wir haben und lernen wir überall den eigent¬
lichen Feind, die Staatskultur Englands und Frankreichs, nicht bloß militärisch
und wirtschaftlich, sondern auch in den Gesinnungen Europas zu bekämpfen!




laut zu gewinnen. Daß die freien katholischen Schulen und die Klöster
unbehelligt bestehen bleiben müssen, sieht Bornhak ja selber ein. Warum also
nicht auch die katholische Universität? Dagegen fallen muß natürlich die
liberale Universität in Brüssel, dieser Hort der deutschfeindlichen französischen
Kulturpropaganda. Mit ihrer Vernichtung würden wir der katholischen Kirche
schon einen Gefallen tun, den wir uns durch politische Gegendienste bezahlen
lassen können.

Darum noch einmal: Divicie et impera! Unser Feind in Belgien ist
der Geist jener westeuropäischen politischen Kultur, der fast in allen Haupt¬
städten Europas den heiligen Krieg gegen uns gepredigt hat. Wollen wir
diesen Geist wirksam bekämpfen, fo brauchen wir jene einzige Macht, die außer
ihm noch auf die Seelen der breiten vlämisch-wallonischen Volksmassen Einfluß
hat: die katholische Kirche zum Bundesgenossen. Wer vorurteilsfrei denkt, wird
sich der Logik dieses Gedankenganges nicht entziehen können. Soll also Belgien
annektiert werden, wie Bornhak mit überzeugenden Gründen fordert, so lasse
man auf die Annexion gleich die richtige Politik folgen.

Ich kenne wohl das warnende Wort: „()ni munZe an pupe en meurt".
Aber wir haben keine Wahl und brauchen nicht mehr vor dem Jesuwiterhütlem
zu erbleichen. Deutschland ist ja selber zum nicht geringen Teile ein katholisches
Land, und nach der Geburtenstatistik wird der Prozentsatz der Katholiken eher
steigen als fallen. In unserer mitteleuropäischen Zukunftspolitik wird der
Katholizismus ohnehin eine noch weit wichtigere Rolle spielen als in der bis¬
herigen inneren Reichspolitik, weil Österreich-Ungarn katholisch und die Kirche
der Donaumonarchie als Ausgleichsfaktor unter den Nationalitäten längst be¬
währt ist. Das wäre eine kluge und wahrhaft staatsmännische Annexions¬
politik, die aus der alten Not der konfessionellen Zerrissenheit Deutschlands eine
neue Tugend zu machen verstünde. Wir sollten in Belgien ebenso im Bunde
mit der katholischen Kirche austreten wie im protestantischen Kurland, das doch
hoffentlich auch deutsch wird, im Bunde mit der norddeutschen protestantischen
Kultur. Nützen wir aus, was wir haben und lernen wir überall den eigent¬
lichen Feind, die Staatskultur Englands und Frankreichs, nicht bloß militärisch
und wirtschaftlich, sondern auch in den Gesinnungen Europas zu bekämpfen!




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[0379] laut zu gewinnen. Daß die freien katholischen Schulen und die Klöster unbehelligt bestehen bleiben müssen, sieht Bornhak ja selber ein. Warum also nicht auch die katholische Universität? Dagegen fallen muß natürlich die liberale Universität in Brüssel, dieser Hort der deutschfeindlichen französischen Kulturpropaganda. Mit ihrer Vernichtung würden wir der katholischen Kirche schon einen Gefallen tun, den wir uns durch politische Gegendienste bezahlen lassen können. Darum noch einmal: Divicie et impera! Unser Feind in Belgien ist der Geist jener westeuropäischen politischen Kultur, der fast in allen Haupt¬ städten Europas den heiligen Krieg gegen uns gepredigt hat. Wollen wir diesen Geist wirksam bekämpfen, fo brauchen wir jene einzige Macht, die außer ihm noch auf die Seelen der breiten vlämisch-wallonischen Volksmassen Einfluß hat: die katholische Kirche zum Bundesgenossen. Wer vorurteilsfrei denkt, wird sich der Logik dieses Gedankenganges nicht entziehen können. Soll also Belgien annektiert werden, wie Bornhak mit überzeugenden Gründen fordert, so lasse man auf die Annexion gleich die richtige Politik folgen. Ich kenne wohl das warnende Wort: „()ni munZe an pupe en meurt". Aber wir haben keine Wahl und brauchen nicht mehr vor dem Jesuwiterhütlem zu erbleichen. Deutschland ist ja selber zum nicht geringen Teile ein katholisches Land, und nach der Geburtenstatistik wird der Prozentsatz der Katholiken eher steigen als fallen. In unserer mitteleuropäischen Zukunftspolitik wird der Katholizismus ohnehin eine noch weit wichtigere Rolle spielen als in der bis¬ herigen inneren Reichspolitik, weil Österreich-Ungarn katholisch und die Kirche der Donaumonarchie als Ausgleichsfaktor unter den Nationalitäten längst be¬ währt ist. Das wäre eine kluge und wahrhaft staatsmännische Annexions¬ politik, die aus der alten Not der konfessionellen Zerrissenheit Deutschlands eine neue Tugend zu machen verstünde. Wir sollten in Belgien ebenso im Bunde mit der katholischen Kirche austreten wie im protestantischen Kurland, das doch hoffentlich auch deutsch wird, im Bunde mit der norddeutschen protestantischen Kultur. Nützen wir aus, was wir haben und lernen wir überall den eigent¬ lichen Feind, die Staatskultur Englands und Frankreichs, nicht bloß militärisch und wirtschaftlich, sondern auch in den Gesinnungen Europas zu bekämpfen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/379>, abgerufen am 26.08.2024.