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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Akademische Rriegsiiteratuc

kriegsbeschädigter Akademiker sowie das der Fortbildung während der langen
Kriegszeit in der Heimat und in der Fremde, die Schaffung von Kriegshoch¬
schulkursen und Ähnliches treten allmählich mehr hervor. Dagegen verschwinden
naturgemäß andere Fragen, die vor der Mobilmachung zum Teil die Gemüter
sehr erhitzten, zunächst völlig von der Tagesordnung wie die Frage des Sports
und die des studentischen Wohnens.*) Was sich im übrigen an Verbesserungs-
vorschlügen in der Broschürenliteratur wie in den studentischen Zeitungen geltend
macht, ist durchaus allgemeiner Natur. So wünscht der Rottenburger Bischof
Dr. von Keppler ("Unter deutschen Eichen"), daß in Zukunft "das kurze akade¬
mische Dasein nicht auf den schwanken, moorigen Grund des Genießens. träger
Sinnlichkeit, niedriger Lüste" gestellt werde, sondern "einzig und allein auf den
Felsengrund der Pflicht", daß "der Religion an unsern Universitäen wieder
das volle akademische Bürgerrecht zugestanden werde", daß der Gemeinsinn
mehr gepflegt und der Alkohol wirksam bekämpft werde.

Eine durchgreifende Änderung in der Gruppierung der Studentenschaft ist
nach dem Kriege kaum zu erwarten. Wohl alle Teile der akademischen Jugend
haben heftige Erschütterungen erlitten und werden Zeit brauchen, um sich zu
erholen, aber im großen und ganzen dürften sie sich in ihrer Eigenart in die
Friedenszeit dank ihrer Organisation hinüberretten. Den schwersten Schlag
haben zweifellos die auf internationale Studentenverbrüderung abzielenden
Bewegungen erhalten, wie sie in den bei der akademischen Jugend bisher
wenig heimischen "Internationalen Studentenvereinen" und in den noch in
den Anfängen steckenden Abzweigungen des "Christlichen Studenten-Welt¬
bundes" zum Leben strebten. Von den Erschütterungen, die dem letzteren
widerfuhren, gibt Pfarrer Humburg einen eingehenden Bericht, an dessen Schluß
er nach berechtigter Polemik gegen die Auslandspresse den deutschen Standpunkt
ruhig, aber nachdrücklich darlegt.

Ganz zweifellos wird nach dem Kriege das studentische Korporationswesen
weiterleben, wenn es sich auch in mancher Hinsicht wandeln dürfte; dagegen
läßt sich heute noch nicht voraussagen, in welcher Form die jüngeren Bewegungen
wie die des Freistudententums. der Freischaren und der Freideutschen sich in der
Zukunft erhalten und welche Kraft die neu aufkommenden Strömungen wie die
von Hans Binder und Franz Sachs laut verkündigte antifeministische entwickeln
werden. Ein Aphorismus der Schrift: "Wenn es gilt fürs Vaterland" rühmt



*) Eine abschließende Zusammenfassung der studentischen Sportbewegung und der Woh¬
nungsfrage bis zum Ausbruch des Weltkrieges bieten die beiden nachstehend genannten, gut
unterrichtenden Schriften: Die studentische Wohnungsfrage in Vergangenheit und Gegenwart.
Von Dr. Fritz Elsas. Berlin--Stuttgart--Leipzig. W. Kohlhammer, 1914. -- Turnen und
Sport im Leben des deutschen Studenten. Vortrag, gehalten auf dem zweiten deutschen
Wissenschaftertag in Frankfurt a. M. Pfingsten 1914. Von Hauptmann Carl Freiherr von
Seckendorff. Sonderabdruck aus der Akademischen Rundschau. Mit Geleitwort von Professor
Dr. Paul Ssymank. Leipzig 191ö. Verlag von K, F. Koester.
Akademische Rriegsiiteratuc

kriegsbeschädigter Akademiker sowie das der Fortbildung während der langen
Kriegszeit in der Heimat und in der Fremde, die Schaffung von Kriegshoch¬
schulkursen und Ähnliches treten allmählich mehr hervor. Dagegen verschwinden
naturgemäß andere Fragen, die vor der Mobilmachung zum Teil die Gemüter
sehr erhitzten, zunächst völlig von der Tagesordnung wie die Frage des Sports
und die des studentischen Wohnens.*) Was sich im übrigen an Verbesserungs-
vorschlügen in der Broschürenliteratur wie in den studentischen Zeitungen geltend
macht, ist durchaus allgemeiner Natur. So wünscht der Rottenburger Bischof
Dr. von Keppler („Unter deutschen Eichen"), daß in Zukunft „das kurze akade¬
mische Dasein nicht auf den schwanken, moorigen Grund des Genießens. träger
Sinnlichkeit, niedriger Lüste" gestellt werde, sondern „einzig und allein auf den
Felsengrund der Pflicht", daß „der Religion an unsern Universitäen wieder
das volle akademische Bürgerrecht zugestanden werde", daß der Gemeinsinn
mehr gepflegt und der Alkohol wirksam bekämpft werde.

Eine durchgreifende Änderung in der Gruppierung der Studentenschaft ist
nach dem Kriege kaum zu erwarten. Wohl alle Teile der akademischen Jugend
haben heftige Erschütterungen erlitten und werden Zeit brauchen, um sich zu
erholen, aber im großen und ganzen dürften sie sich in ihrer Eigenart in die
Friedenszeit dank ihrer Organisation hinüberretten. Den schwersten Schlag
haben zweifellos die auf internationale Studentenverbrüderung abzielenden
Bewegungen erhalten, wie sie in den bei der akademischen Jugend bisher
wenig heimischen „Internationalen Studentenvereinen" und in den noch in
den Anfängen steckenden Abzweigungen des „Christlichen Studenten-Welt¬
bundes" zum Leben strebten. Von den Erschütterungen, die dem letzteren
widerfuhren, gibt Pfarrer Humburg einen eingehenden Bericht, an dessen Schluß
er nach berechtigter Polemik gegen die Auslandspresse den deutschen Standpunkt
ruhig, aber nachdrücklich darlegt.

Ganz zweifellos wird nach dem Kriege das studentische Korporationswesen
weiterleben, wenn es sich auch in mancher Hinsicht wandeln dürfte; dagegen
läßt sich heute noch nicht voraussagen, in welcher Form die jüngeren Bewegungen
wie die des Freistudententums. der Freischaren und der Freideutschen sich in der
Zukunft erhalten und welche Kraft die neu aufkommenden Strömungen wie die
von Hans Binder und Franz Sachs laut verkündigte antifeministische entwickeln
werden. Ein Aphorismus der Schrift: „Wenn es gilt fürs Vaterland" rühmt



*) Eine abschließende Zusammenfassung der studentischen Sportbewegung und der Woh¬
nungsfrage bis zum Ausbruch des Weltkrieges bieten die beiden nachstehend genannten, gut
unterrichtenden Schriften: Die studentische Wohnungsfrage in Vergangenheit und Gegenwart.
Von Dr. Fritz Elsas. Berlin—Stuttgart—Leipzig. W. Kohlhammer, 1914. — Turnen und
Sport im Leben des deutschen Studenten. Vortrag, gehalten auf dem zweiten deutschen
Wissenschaftertag in Frankfurt a. M. Pfingsten 1914. Von Hauptmann Carl Freiherr von
Seckendorff. Sonderabdruck aus der Akademischen Rundschau. Mit Geleitwort von Professor
Dr. Paul Ssymank. Leipzig 191ö. Verlag von K, F. Koester.
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[0037] Akademische Rriegsiiteratuc kriegsbeschädigter Akademiker sowie das der Fortbildung während der langen Kriegszeit in der Heimat und in der Fremde, die Schaffung von Kriegshoch¬ schulkursen und Ähnliches treten allmählich mehr hervor. Dagegen verschwinden naturgemäß andere Fragen, die vor der Mobilmachung zum Teil die Gemüter sehr erhitzten, zunächst völlig von der Tagesordnung wie die Frage des Sports und die des studentischen Wohnens.*) Was sich im übrigen an Verbesserungs- vorschlügen in der Broschürenliteratur wie in den studentischen Zeitungen geltend macht, ist durchaus allgemeiner Natur. So wünscht der Rottenburger Bischof Dr. von Keppler („Unter deutschen Eichen"), daß in Zukunft „das kurze akade¬ mische Dasein nicht auf den schwanken, moorigen Grund des Genießens. träger Sinnlichkeit, niedriger Lüste" gestellt werde, sondern „einzig und allein auf den Felsengrund der Pflicht", daß „der Religion an unsern Universitäen wieder das volle akademische Bürgerrecht zugestanden werde", daß der Gemeinsinn mehr gepflegt und der Alkohol wirksam bekämpft werde. Eine durchgreifende Änderung in der Gruppierung der Studentenschaft ist nach dem Kriege kaum zu erwarten. Wohl alle Teile der akademischen Jugend haben heftige Erschütterungen erlitten und werden Zeit brauchen, um sich zu erholen, aber im großen und ganzen dürften sie sich in ihrer Eigenart in die Friedenszeit dank ihrer Organisation hinüberretten. Den schwersten Schlag haben zweifellos die auf internationale Studentenverbrüderung abzielenden Bewegungen erhalten, wie sie in den bei der akademischen Jugend bisher wenig heimischen „Internationalen Studentenvereinen" und in den noch in den Anfängen steckenden Abzweigungen des „Christlichen Studenten-Welt¬ bundes" zum Leben strebten. Von den Erschütterungen, die dem letzteren widerfuhren, gibt Pfarrer Humburg einen eingehenden Bericht, an dessen Schluß er nach berechtigter Polemik gegen die Auslandspresse den deutschen Standpunkt ruhig, aber nachdrücklich darlegt. Ganz zweifellos wird nach dem Kriege das studentische Korporationswesen weiterleben, wenn es sich auch in mancher Hinsicht wandeln dürfte; dagegen läßt sich heute noch nicht voraussagen, in welcher Form die jüngeren Bewegungen wie die des Freistudententums. der Freischaren und der Freideutschen sich in der Zukunft erhalten und welche Kraft die neu aufkommenden Strömungen wie die von Hans Binder und Franz Sachs laut verkündigte antifeministische entwickeln werden. Ein Aphorismus der Schrift: „Wenn es gilt fürs Vaterland" rühmt *) Eine abschließende Zusammenfassung der studentischen Sportbewegung und der Woh¬ nungsfrage bis zum Ausbruch des Weltkrieges bieten die beiden nachstehend genannten, gut unterrichtenden Schriften: Die studentische Wohnungsfrage in Vergangenheit und Gegenwart. Von Dr. Fritz Elsas. Berlin—Stuttgart—Leipzig. W. Kohlhammer, 1914. — Turnen und Sport im Leben des deutschen Studenten. Vortrag, gehalten auf dem zweiten deutschen Wissenschaftertag in Frankfurt a. M. Pfingsten 1914. Von Hauptmann Carl Freiherr von Seckendorff. Sonderabdruck aus der Akademischen Rundschau. Mit Geleitwort von Professor Dr. Paul Ssymank. Leipzig 191ö. Verlag von K, F. Koester.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/37>, abgerufen am 23.07.2024.