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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Deutschlands Wasserkräfte

neun Monate lang im Jahre nicht unterschritten waren, also mindestens diese
Zeit über disponibel waren. Auf einen Quaratkilometer dieser Fläche treffen
also im Durchschnitt etwa 20 PZ. In diesen Wasserkräften waren im Jahre
1909 rund 446 000 PZ., also etwa ein Viertel bereits ausgebaut, oder auf
einen Quadratkilometer rund 5 PS., also sehr viel mehr, als aus obiger
Gegenüberstellung Deutschlands mit anderen Ländern hervorgeht! In einigen
Flußgebieten, namentlich des rheinisch-westfälischen Industriegebietes war schon
ein viel größerer Bruchteil der vorhandenen Wasserkraft wirklich ausgenutzt,
in anderen Gegenden allerdings erheblich weniger. Man hat berechnet, daß
die in jenem Bezirk vorhandenen Wasserkräfte, wenn sie vollständig ausgenutzt
würden, ebensoviel leisten würden, wie die am 1. April 1913 in ganz Preußen
vorhandenen Dampfmaschinen und Dampfturbinen!

Im Königreich Sachsen waren im Jahre 1913 bereits dreiviertel aller
vorhandenen Wasserkräfte, deren Zahl auf rund 260 000 geschätzt werden,
technisch ausgenutzt, also bedeutend mehr als im preußischen Hügelland. Auch
in Württemberg ist das Verhältnis günstiger, denn von etwa 135 000 PS. sind
bereits 59 000, also zweifünftel im Betrieb. In Bayern soll nach Mit¬
teilungen des Ministerilllrat Hensel, Direktor des Hydrotechnischen Bureaus in
München, der Staat im ganzen 328 000 PZ. besitzen, von denen 114 000,
also 35 v. H. im Jahre 1910 ausgebaut waren. Falls die in Aussicht stehenden
Schiffahrtskanäle verwirklicht werden sollten, würden sich die Zahl der vor¬
handenen Pferdekräfte der Wasserläufe auf etwa 375000 PZ. erhöhen. Endlich
sei noch zum Vergleich die Schweiz herangezogen, deren Wasserkräfte aus rund
2^4 Millionen PZ. geschätzt wird, also im Verhältnis zur Fläche erheblich
mehr als in Mitteldeutschland, während das Verhältnis der ausgenutzten zur
vorhandenen Wasserkraft etwas ungünstiger ist, nämlich nur etwa 20 v. H. be¬
trägt, obwohl die Schweiz mehr als Deutschland alle Ursache hätte, seine Wasser¬
schätze nach Kräften auszubauen, da es ja an Kohlen ärmer als dieses ist.

Daß sowohl in Bayern, wie in andern bisher noch nicht namentlich an¬
geführten Gegenden Deutschlands die wirklich vorhandenen Wasserkräfte weit
größer sein müssen, als man bisher allgemein angenommen hatte, folgt aus einer
einfachen Betrachtung. Die Größe einer Wasserkraft ist einmal von der Nieder¬
schlagsmenge und dann von dem Gefäll abhängig, mit welchem diese in den
Flüssen nach dem Meere zuströmen. Von den Niederschlägen fließt eben immer
nur ein gewisser Prozentsatz ab, über dessen Größe in den verschiedenen Teilen
Deutschlands man jetzt ganz gut orientiert ist. Da auch die Niederschlags¬
inengen im ganzen bekannt sind und man auch über das Durchschnittsgefäll in
den einzelnen Flußgebieten, nach dem Vorbilde der Untersuchungen der Preußi¬
schen Landesanstalt für Gewässerkunde einer der Wirklichkeit sich gewiß einiger-
maßen auschmiegende Vorstellung besitzt, so hält es nicht schwer durch einfache
Rechnungen, die wir hier übergehen wollen, die Gesamtzahl der theoretisch
möglichen Wasserkräfte Deutschlands in Pferdestärken auszudrücken.


Deutschlands Wasserkräfte

neun Monate lang im Jahre nicht unterschritten waren, also mindestens diese
Zeit über disponibel waren. Auf einen Quaratkilometer dieser Fläche treffen
also im Durchschnitt etwa 20 PZ. In diesen Wasserkräften waren im Jahre
1909 rund 446 000 PZ., also etwa ein Viertel bereits ausgebaut, oder auf
einen Quadratkilometer rund 5 PS., also sehr viel mehr, als aus obiger
Gegenüberstellung Deutschlands mit anderen Ländern hervorgeht! In einigen
Flußgebieten, namentlich des rheinisch-westfälischen Industriegebietes war schon
ein viel größerer Bruchteil der vorhandenen Wasserkraft wirklich ausgenutzt,
in anderen Gegenden allerdings erheblich weniger. Man hat berechnet, daß
die in jenem Bezirk vorhandenen Wasserkräfte, wenn sie vollständig ausgenutzt
würden, ebensoviel leisten würden, wie die am 1. April 1913 in ganz Preußen
vorhandenen Dampfmaschinen und Dampfturbinen!

Im Königreich Sachsen waren im Jahre 1913 bereits dreiviertel aller
vorhandenen Wasserkräfte, deren Zahl auf rund 260 000 geschätzt werden,
technisch ausgenutzt, also bedeutend mehr als im preußischen Hügelland. Auch
in Württemberg ist das Verhältnis günstiger, denn von etwa 135 000 PS. sind
bereits 59 000, also zweifünftel im Betrieb. In Bayern soll nach Mit¬
teilungen des Ministerilllrat Hensel, Direktor des Hydrotechnischen Bureaus in
München, der Staat im ganzen 328 000 PZ. besitzen, von denen 114 000,
also 35 v. H. im Jahre 1910 ausgebaut waren. Falls die in Aussicht stehenden
Schiffahrtskanäle verwirklicht werden sollten, würden sich die Zahl der vor¬
handenen Pferdekräfte der Wasserläufe auf etwa 375000 PZ. erhöhen. Endlich
sei noch zum Vergleich die Schweiz herangezogen, deren Wasserkräfte aus rund
2^4 Millionen PZ. geschätzt wird, also im Verhältnis zur Fläche erheblich
mehr als in Mitteldeutschland, während das Verhältnis der ausgenutzten zur
vorhandenen Wasserkraft etwas ungünstiger ist, nämlich nur etwa 20 v. H. be¬
trägt, obwohl die Schweiz mehr als Deutschland alle Ursache hätte, seine Wasser¬
schätze nach Kräften auszubauen, da es ja an Kohlen ärmer als dieses ist.

Daß sowohl in Bayern, wie in andern bisher noch nicht namentlich an¬
geführten Gegenden Deutschlands die wirklich vorhandenen Wasserkräfte weit
größer sein müssen, als man bisher allgemein angenommen hatte, folgt aus einer
einfachen Betrachtung. Die Größe einer Wasserkraft ist einmal von der Nieder¬
schlagsmenge und dann von dem Gefäll abhängig, mit welchem diese in den
Flüssen nach dem Meere zuströmen. Von den Niederschlägen fließt eben immer
nur ein gewisser Prozentsatz ab, über dessen Größe in den verschiedenen Teilen
Deutschlands man jetzt ganz gut orientiert ist. Da auch die Niederschlags¬
inengen im ganzen bekannt sind und man auch über das Durchschnittsgefäll in
den einzelnen Flußgebieten, nach dem Vorbilde der Untersuchungen der Preußi¬
schen Landesanstalt für Gewässerkunde einer der Wirklichkeit sich gewiß einiger-
maßen auschmiegende Vorstellung besitzt, so hält es nicht schwer durch einfache
Rechnungen, die wir hier übergehen wollen, die Gesamtzahl der theoretisch
möglichen Wasserkräfte Deutschlands in Pferdestärken auszudrücken.


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[0343] Deutschlands Wasserkräfte neun Monate lang im Jahre nicht unterschritten waren, also mindestens diese Zeit über disponibel waren. Auf einen Quaratkilometer dieser Fläche treffen also im Durchschnitt etwa 20 PZ. In diesen Wasserkräften waren im Jahre 1909 rund 446 000 PZ., also etwa ein Viertel bereits ausgebaut, oder auf einen Quadratkilometer rund 5 PS., also sehr viel mehr, als aus obiger Gegenüberstellung Deutschlands mit anderen Ländern hervorgeht! In einigen Flußgebieten, namentlich des rheinisch-westfälischen Industriegebietes war schon ein viel größerer Bruchteil der vorhandenen Wasserkraft wirklich ausgenutzt, in anderen Gegenden allerdings erheblich weniger. Man hat berechnet, daß die in jenem Bezirk vorhandenen Wasserkräfte, wenn sie vollständig ausgenutzt würden, ebensoviel leisten würden, wie die am 1. April 1913 in ganz Preußen vorhandenen Dampfmaschinen und Dampfturbinen! Im Königreich Sachsen waren im Jahre 1913 bereits dreiviertel aller vorhandenen Wasserkräfte, deren Zahl auf rund 260 000 geschätzt werden, technisch ausgenutzt, also bedeutend mehr als im preußischen Hügelland. Auch in Württemberg ist das Verhältnis günstiger, denn von etwa 135 000 PS. sind bereits 59 000, also zweifünftel im Betrieb. In Bayern soll nach Mit¬ teilungen des Ministerilllrat Hensel, Direktor des Hydrotechnischen Bureaus in München, der Staat im ganzen 328 000 PZ. besitzen, von denen 114 000, also 35 v. H. im Jahre 1910 ausgebaut waren. Falls die in Aussicht stehenden Schiffahrtskanäle verwirklicht werden sollten, würden sich die Zahl der vor¬ handenen Pferdekräfte der Wasserläufe auf etwa 375000 PZ. erhöhen. Endlich sei noch zum Vergleich die Schweiz herangezogen, deren Wasserkräfte aus rund 2^4 Millionen PZ. geschätzt wird, also im Verhältnis zur Fläche erheblich mehr als in Mitteldeutschland, während das Verhältnis der ausgenutzten zur vorhandenen Wasserkraft etwas ungünstiger ist, nämlich nur etwa 20 v. H. be¬ trägt, obwohl die Schweiz mehr als Deutschland alle Ursache hätte, seine Wasser¬ schätze nach Kräften auszubauen, da es ja an Kohlen ärmer als dieses ist. Daß sowohl in Bayern, wie in andern bisher noch nicht namentlich an¬ geführten Gegenden Deutschlands die wirklich vorhandenen Wasserkräfte weit größer sein müssen, als man bisher allgemein angenommen hatte, folgt aus einer einfachen Betrachtung. Die Größe einer Wasserkraft ist einmal von der Nieder¬ schlagsmenge und dann von dem Gefäll abhängig, mit welchem diese in den Flüssen nach dem Meere zuströmen. Von den Niederschlägen fließt eben immer nur ein gewisser Prozentsatz ab, über dessen Größe in den verschiedenen Teilen Deutschlands man jetzt ganz gut orientiert ist. Da auch die Niederschlags¬ inengen im ganzen bekannt sind und man auch über das Durchschnittsgefäll in den einzelnen Flußgebieten, nach dem Vorbilde der Untersuchungen der Preußi¬ schen Landesanstalt für Gewässerkunde einer der Wirklichkeit sich gewiß einiger- maßen auschmiegende Vorstellung besitzt, so hält es nicht schwer durch einfache Rechnungen, die wir hier übergehen wollen, die Gesamtzahl der theoretisch möglichen Wasserkräfte Deutschlands in Pferdestärken auszudrücken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/343>, abgerufen am 23.07.2024.