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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Deutschlands Wasserkräfte

von 300 Millionen kapitalisieren wollte. In Schweden waren bis Ende 1911
640 000 ?L. Wasserkräfte nutzbar gemacht und schon drei Jahre darauf wurden
sie auf 000 000 PS. geschätzt, wobei man beachten möge, daß in Schweden
im Jahre 1908 der gesamte Kraftverbrauch für Industrie, Bergbau und Hand¬
werk nur 950 000 ?3. betrug, also nur wenig mehr, als heute allein durch
Wasserkraft geleistet wird. In dem "zurückgebliebenen" Nußland sollten für
eine Wasserkraftanlage am salina-See kurz vor Ausbruch des Krieges allein
360 000 ?3. Wasserkraft ausgebeutet werden.

Auf den Quadratkilometer kamen 1905 in der Schweiz 9.27, in Italien
1.70. in Frankreich 1.20. in Deutschland nur 0.54 ?3. aufgebaute Wasser¬
kräfte. In den letzten zehn Jahren ist Deutschland mit neuen Wasserkraft¬
anlagen kaum über 100 000 l?Z. hinausgekommen, und die führenden deutschen
Turbinenfirmen zählen unter ihren Lieferungen an Wasserturbinen im Gesamt¬
betrage von nahezu 7 Millionen ?3., nur wenig mehr als den funfzigsten Teil
solche deutschen Auftrags!

Im Jahre 1910 machten in Deutschland die bereits ausgenutzten Wasser¬
kräfte noch nicht ganz 5 v. H. des gleichzeitig durch Dampfkraft gedeckten Kraft¬
bedarfes aus, in Frankreich dagegen 40 v. H.I

Dabei führte Deutschland im Jahre unmittelbar vor dem Kriege an
Stoffen, welche im Lande selbst unter Anwendung von Wasserkräften Hütten
erzeugt werden können, für über 400 Millionen Mark ein, darunter allein
Salpeter für 200 Millionen Mark. Die Herstellung und Lieferung dieser
Stoffe im Kriege wurde, um die Lücken ohne Rücksicht auf die Kosten mög¬
lichst schnell wieder auszufüllen, einheimischen Dampfanlagen zugewiesen, die
dabei aber doch nicht imstande waren, den Ausfall völlig zu decken. Hätte
Deutschland damals bereits mindestens eine Million ?8. aus seinen Wasser¬
kräften zur Verfügung gehabt, so wären der deutschen Volkswirtschaft dadurch
Nachteile entgangen, deren Geldwert sich nur mit zehnstelligen Ziffern aus¬
drücken läßt. -- Auf alle Fälle müssen wir dafür sorgen, daß wir nach dem
Kriege in Bezug auf viele unentbehrliche Stoffe, wie z. B. den Salpeter, nicht
wieder auf das Ausland angewiesen find, und die dazu nötigen Betriebe
müssen sich in der Hauptsache auf die einheimischen Wasserkräfte stützen. --

Nun wird dem Vorwurf, daß Deutschland im Vergleich mit feinen Nachbarn
viel zu wenig Wasserkräfte ausgebaut habe, gewöhnlich mit dem Argument be¬
gegnet, Deutschland sei eben arm an Wasserkräften und könne infolgedessen
auch nicht viel Wasserkräfte ausbauen.

Es haben aber die Untersuchungen der Preußischen Landesanstalt für Ge¬
wässerkunde ergeben, daß allein im Berg- und Hügellande Preußens und be¬
nachbarten Staatsgebieten mit Ausschluß des Königreich Sachsens, auf einem
Gebiete, das nur 92 000 Quadratkilometer, also nur etwa den sechsten Teil
des ganzen Deutschen Reiches umfaßt, nicht weniger als rund 1 800 000 ?S.
mittlere jährliche Wasserkraft vorhanden waren, von denen über ein Drittel


Deutschlands Wasserkräfte

von 300 Millionen kapitalisieren wollte. In Schweden waren bis Ende 1911
640 000 ?L. Wasserkräfte nutzbar gemacht und schon drei Jahre darauf wurden
sie auf 000 000 PS. geschätzt, wobei man beachten möge, daß in Schweden
im Jahre 1908 der gesamte Kraftverbrauch für Industrie, Bergbau und Hand¬
werk nur 950 000 ?3. betrug, also nur wenig mehr, als heute allein durch
Wasserkraft geleistet wird. In dem „zurückgebliebenen" Nußland sollten für
eine Wasserkraftanlage am salina-See kurz vor Ausbruch des Krieges allein
360 000 ?3. Wasserkraft ausgebeutet werden.

Auf den Quadratkilometer kamen 1905 in der Schweiz 9.27, in Italien
1.70. in Frankreich 1.20. in Deutschland nur 0.54 ?3. aufgebaute Wasser¬
kräfte. In den letzten zehn Jahren ist Deutschland mit neuen Wasserkraft¬
anlagen kaum über 100 000 l?Z. hinausgekommen, und die führenden deutschen
Turbinenfirmen zählen unter ihren Lieferungen an Wasserturbinen im Gesamt¬
betrage von nahezu 7 Millionen ?3., nur wenig mehr als den funfzigsten Teil
solche deutschen Auftrags!

Im Jahre 1910 machten in Deutschland die bereits ausgenutzten Wasser¬
kräfte noch nicht ganz 5 v. H. des gleichzeitig durch Dampfkraft gedeckten Kraft¬
bedarfes aus, in Frankreich dagegen 40 v. H.I

Dabei führte Deutschland im Jahre unmittelbar vor dem Kriege an
Stoffen, welche im Lande selbst unter Anwendung von Wasserkräften Hütten
erzeugt werden können, für über 400 Millionen Mark ein, darunter allein
Salpeter für 200 Millionen Mark. Die Herstellung und Lieferung dieser
Stoffe im Kriege wurde, um die Lücken ohne Rücksicht auf die Kosten mög¬
lichst schnell wieder auszufüllen, einheimischen Dampfanlagen zugewiesen, die
dabei aber doch nicht imstande waren, den Ausfall völlig zu decken. Hätte
Deutschland damals bereits mindestens eine Million ?8. aus seinen Wasser¬
kräften zur Verfügung gehabt, so wären der deutschen Volkswirtschaft dadurch
Nachteile entgangen, deren Geldwert sich nur mit zehnstelligen Ziffern aus¬
drücken läßt. — Auf alle Fälle müssen wir dafür sorgen, daß wir nach dem
Kriege in Bezug auf viele unentbehrliche Stoffe, wie z. B. den Salpeter, nicht
wieder auf das Ausland angewiesen find, und die dazu nötigen Betriebe
müssen sich in der Hauptsache auf die einheimischen Wasserkräfte stützen. —

Nun wird dem Vorwurf, daß Deutschland im Vergleich mit feinen Nachbarn
viel zu wenig Wasserkräfte ausgebaut habe, gewöhnlich mit dem Argument be¬
gegnet, Deutschland sei eben arm an Wasserkräften und könne infolgedessen
auch nicht viel Wasserkräfte ausbauen.

Es haben aber die Untersuchungen der Preußischen Landesanstalt für Ge¬
wässerkunde ergeben, daß allein im Berg- und Hügellande Preußens und be¬
nachbarten Staatsgebieten mit Ausschluß des Königreich Sachsens, auf einem
Gebiete, das nur 92 000 Quadratkilometer, also nur etwa den sechsten Teil
des ganzen Deutschen Reiches umfaßt, nicht weniger als rund 1 800 000 ?S.
mittlere jährliche Wasserkraft vorhanden waren, von denen über ein Drittel


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/342>, abgerufen am 23.07.2024.