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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Die Selbständigkeit Galiziens und die Deutschen

in Galizien großes Interesse an der weiteren Gestaltung der Dinge in diesem
Lande. Dieses muß aber um so größer werden, wenn man bedenkt, daß mit
dem Schicksal dieser Deutschen auch jenes der fünfundstebzigtausend Deutschen
in der Bukowina*) eng zusammenhängt und auch das Deutschtum in Nord¬
ungarn nur über Galizien wieder belebt werden könnte. Kann es dem deutschen
Volke gleichgültig sein, wenn dieses Deutschtum gerade in der Zeit geopfert
werden würde, da unser Interesse sich dem Osten zuzuwenden beginnt? Sollen
diese Brückenpfeiler nach dem Osten gerade jetzt unterwühlt werden.

Es ist ebenso klar, daß der Zusammenbruch der Karpathendeutschen
eine Gefahr für die Deutschen im Hinterland bedeutet; auf dieses werden sich
alle feindlichen Kräfte stürzen, die jetzt durch den Kampf im Grenzgebiet ge¬
bunden werden. Man kann das nicht oft genug betonen, daß das Aufgeben
des Ansiedlungsgürtels unbedingt die Verlegung des Kampfes in die dahinter
liegenden Gebiete zur Folge haben würde. Nach Galizien würde zunächst
Schlesien fallen. Aber auch andere Gebiete sind schon jetzt bedroht und die
Gefahr wird steigen, sobald weiter im Osten keine deutschen Güter auszulaufen,
deutsche Vereine zu bekämpfen, deutsche Schulen durch Trutzschulen zu beseitigen
sein werden.

Ebenso bedeutet die Zurückdrängung der Deutschen in Galizien und der
Bukowina eine Schwächung Österreichs, das doch ein deutscher Staat ist und
bleibt. Für uns Deutsche ist ein starkes, kräftiges Österreich unbedingt not¬
wendig. Was von Österreich abbröckelt, fällt feindlichen Mächten zu. Ein
starke's deutsches Österreich ist der beste Bundesgenosse.**)

Aus allen diesen Gründen ist es für die Deutschen nicht gleichgültig, wie
sich die Verhältnisse in Galizien gestalten. Galizien war und bleibt ein Einfallstor
für die Völker des Ostens; für uns ist es daher wichtig, wer dort Herr ist.
Daran ist nicht nur Österreich und Deutschland, sondern auch Ungarn sehr beteiligt.
Galizien in unsicheren oder feindlichen Händen, bedeutet auch für das Reich der
Stefanskrone eine erhöhte Gefahr. Der Karpathenkamm läßt sich ohne ein
Vorfeld nicht leicht halten; das hat der jüngste Einbruch der Rumänen nach
Siebenbürgen bewiesen. Im Interesse der verbündeten Staaten und der Deutschen
liegt es daher, daß in Galizien Verhältnisse geschaffen werden, die uns vor
Überraschungen sichern.

Wer mit den Verhältnissen weniger vertraut ist, wird nun zuerst dafür
eintreten, daß die Deutschen überhaupt gegen die Sonderstellung Galiziens
Stellung nehmen müßten. Das ist aber aus besonderen Gründen nicht durchführbar.




*) Vgl. meine Schrift "Die Deutschen in Galizien und der Bukowina" (Frankfurt,
Keller).
**) Die im vorstehenden entwickelten Gedanken über die Bedeutung der deutschen An-
siedlung im Osten sind in den Berichten der von mir geleiteten Tagungen der Karpathen¬
deutschen und in meiner Schrift "Deutsche Siedlung im Osten" (Stuttgart 1914) aus¬
führlicher dargetan.
Die Selbständigkeit Galiziens und die Deutschen

in Galizien großes Interesse an der weiteren Gestaltung der Dinge in diesem
Lande. Dieses muß aber um so größer werden, wenn man bedenkt, daß mit
dem Schicksal dieser Deutschen auch jenes der fünfundstebzigtausend Deutschen
in der Bukowina*) eng zusammenhängt und auch das Deutschtum in Nord¬
ungarn nur über Galizien wieder belebt werden könnte. Kann es dem deutschen
Volke gleichgültig sein, wenn dieses Deutschtum gerade in der Zeit geopfert
werden würde, da unser Interesse sich dem Osten zuzuwenden beginnt? Sollen
diese Brückenpfeiler nach dem Osten gerade jetzt unterwühlt werden.

Es ist ebenso klar, daß der Zusammenbruch der Karpathendeutschen
eine Gefahr für die Deutschen im Hinterland bedeutet; auf dieses werden sich
alle feindlichen Kräfte stürzen, die jetzt durch den Kampf im Grenzgebiet ge¬
bunden werden. Man kann das nicht oft genug betonen, daß das Aufgeben
des Ansiedlungsgürtels unbedingt die Verlegung des Kampfes in die dahinter
liegenden Gebiete zur Folge haben würde. Nach Galizien würde zunächst
Schlesien fallen. Aber auch andere Gebiete sind schon jetzt bedroht und die
Gefahr wird steigen, sobald weiter im Osten keine deutschen Güter auszulaufen,
deutsche Vereine zu bekämpfen, deutsche Schulen durch Trutzschulen zu beseitigen
sein werden.

Ebenso bedeutet die Zurückdrängung der Deutschen in Galizien und der
Bukowina eine Schwächung Österreichs, das doch ein deutscher Staat ist und
bleibt. Für uns Deutsche ist ein starkes, kräftiges Österreich unbedingt not¬
wendig. Was von Österreich abbröckelt, fällt feindlichen Mächten zu. Ein
starke's deutsches Österreich ist der beste Bundesgenosse.**)

Aus allen diesen Gründen ist es für die Deutschen nicht gleichgültig, wie
sich die Verhältnisse in Galizien gestalten. Galizien war und bleibt ein Einfallstor
für die Völker des Ostens; für uns ist es daher wichtig, wer dort Herr ist.
Daran ist nicht nur Österreich und Deutschland, sondern auch Ungarn sehr beteiligt.
Galizien in unsicheren oder feindlichen Händen, bedeutet auch für das Reich der
Stefanskrone eine erhöhte Gefahr. Der Karpathenkamm läßt sich ohne ein
Vorfeld nicht leicht halten; das hat der jüngste Einbruch der Rumänen nach
Siebenbürgen bewiesen. Im Interesse der verbündeten Staaten und der Deutschen
liegt es daher, daß in Galizien Verhältnisse geschaffen werden, die uns vor
Überraschungen sichern.

Wer mit den Verhältnissen weniger vertraut ist, wird nun zuerst dafür
eintreten, daß die Deutschen überhaupt gegen die Sonderstellung Galiziens
Stellung nehmen müßten. Das ist aber aus besonderen Gründen nicht durchführbar.




*) Vgl. meine Schrift „Die Deutschen in Galizien und der Bukowina" (Frankfurt,
Keller).
**) Die im vorstehenden entwickelten Gedanken über die Bedeutung der deutschen An-
siedlung im Osten sind in den Berichten der von mir geleiteten Tagungen der Karpathen¬
deutschen und in meiner Schrift „Deutsche Siedlung im Osten" (Stuttgart 1914) aus¬
führlicher dargetan.
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[0338] Die Selbständigkeit Galiziens und die Deutschen in Galizien großes Interesse an der weiteren Gestaltung der Dinge in diesem Lande. Dieses muß aber um so größer werden, wenn man bedenkt, daß mit dem Schicksal dieser Deutschen auch jenes der fünfundstebzigtausend Deutschen in der Bukowina*) eng zusammenhängt und auch das Deutschtum in Nord¬ ungarn nur über Galizien wieder belebt werden könnte. Kann es dem deutschen Volke gleichgültig sein, wenn dieses Deutschtum gerade in der Zeit geopfert werden würde, da unser Interesse sich dem Osten zuzuwenden beginnt? Sollen diese Brückenpfeiler nach dem Osten gerade jetzt unterwühlt werden. Es ist ebenso klar, daß der Zusammenbruch der Karpathendeutschen eine Gefahr für die Deutschen im Hinterland bedeutet; auf dieses werden sich alle feindlichen Kräfte stürzen, die jetzt durch den Kampf im Grenzgebiet ge¬ bunden werden. Man kann das nicht oft genug betonen, daß das Aufgeben des Ansiedlungsgürtels unbedingt die Verlegung des Kampfes in die dahinter liegenden Gebiete zur Folge haben würde. Nach Galizien würde zunächst Schlesien fallen. Aber auch andere Gebiete sind schon jetzt bedroht und die Gefahr wird steigen, sobald weiter im Osten keine deutschen Güter auszulaufen, deutsche Vereine zu bekämpfen, deutsche Schulen durch Trutzschulen zu beseitigen sein werden. Ebenso bedeutet die Zurückdrängung der Deutschen in Galizien und der Bukowina eine Schwächung Österreichs, das doch ein deutscher Staat ist und bleibt. Für uns Deutsche ist ein starkes, kräftiges Österreich unbedingt not¬ wendig. Was von Österreich abbröckelt, fällt feindlichen Mächten zu. Ein starke's deutsches Österreich ist der beste Bundesgenosse.**) Aus allen diesen Gründen ist es für die Deutschen nicht gleichgültig, wie sich die Verhältnisse in Galizien gestalten. Galizien war und bleibt ein Einfallstor für die Völker des Ostens; für uns ist es daher wichtig, wer dort Herr ist. Daran ist nicht nur Österreich und Deutschland, sondern auch Ungarn sehr beteiligt. Galizien in unsicheren oder feindlichen Händen, bedeutet auch für das Reich der Stefanskrone eine erhöhte Gefahr. Der Karpathenkamm läßt sich ohne ein Vorfeld nicht leicht halten; das hat der jüngste Einbruch der Rumänen nach Siebenbürgen bewiesen. Im Interesse der verbündeten Staaten und der Deutschen liegt es daher, daß in Galizien Verhältnisse geschaffen werden, die uns vor Überraschungen sichern. Wer mit den Verhältnissen weniger vertraut ist, wird nun zuerst dafür eintreten, daß die Deutschen überhaupt gegen die Sonderstellung Galiziens Stellung nehmen müßten. Das ist aber aus besonderen Gründen nicht durchführbar. *) Vgl. meine Schrift „Die Deutschen in Galizien und der Bukowina" (Frankfurt, Keller). **) Die im vorstehenden entwickelten Gedanken über die Bedeutung der deutschen An- siedlung im Osten sind in den Berichten der von mir geleiteten Tagungen der Karpathen¬ deutschen und in meiner Schrift „Deutsche Siedlung im Osten" (Stuttgart 1914) aus¬ führlicher dargetan.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/338>, abgerufen am 23.07.2024.