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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Die deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen

Die deutschen Ritter zogen sofort nach der Fertigstellung der Lehens¬
urkunde zahlreiche deutsche Kolonisten nach dem Burzenlande, teils aus Deutsch¬
land, teils aus den bereits kolonisierten Teilen Siebenbürgens. Zum Schutze
der Ansiedler und zur Verteidigung der Grenzen erbauten sie in dem vom
König genau umschriebenen Gebiete eine Anzahl "hölzerne Burgen", d. h. Pfahl¬
bürger, in deren Nähe nun die einzelnen Ortschaften des Burzenlandes an¬
gelegt wurden. Es waren im wesentlichen die heute noch blühenden deutschen
Ortschaften in der Umgebung von Kronstäbe.

Bald mußten freilich die Ritter erkennen, daß die Behauptung dieses neu
gewonnenen Besitztums so lange nicht als gesichert gelten konnte, so lange man
den heidnischen Kumanen nicht in ihrem eigenen Lande entgegentrat. Sie
richteten daher ihr Bestreben dahin "jenseits der Schneeberge" selbst festen
Fuß zu fassen. Darum sandten sie zahlreiche deutsche und wohl auch magyarische
Ansiedler ins Gebiet der Kumanen, siedelten sie dort an und errichteten zu
ihrem Schutze starke Festungen.

Es handelt sich dabei vor allem um CÄmpulung am südlichen Ausgange
des Törzburger Passes und um die Lewtea I^eamtului. -- In Cumvulung,
das noch auf der von dem siebenbürgischen Reformator Johannes Honterus
ausgeführten ältesten Karte von Siebenbürgen den ursprünglich deutschen Namen
Langenowe (Langenau) führt, haben die Sachsen nachweislich noch im vierzehnten
Jahrhundert eigene "Grafen" gehabt. Heute noch führen die Ruinen eines
uralten Klosters, dessen Gründung auf die deutschen Ritter zurückgeführt wird,
bei der einheimischen rumänischen Bevölkerung den deutschen Namen "cloaZtsr".
Die Bürger von Wmpulung wählten noch später ihre Richter selbständig aus
der Reihe der "Geschworenen". Mit dem Rufe: "Es lebe unser Richter!"
hoben sie den von ihnen erkorenen in die Höhe. Der Fürst der Walachei
hatte nach der zum Ausdruck gebrachten Willenskundgebung der Stadt¬
gemeinde nur das Recht der Bestätigung. -- Der Richter war oberster Ver¬
waltungsbeamter und zugleich höchster Vertreter der Gerichtsbarkeit. Markt¬
verkehr, Festsetzung von Maß und Gewicht, Bestätigung von Verträgen und
Testamenten, die Eintreibung der Steuern und Strafgelder lag in seiner
Hand; ja sogar das Strafrecht für "große und kleine Vergehen" (mit Ausnahme
der Todesstrafe) stand ihm zu. -- Die deutsche Bevölkerung CLmpulungs hatte
zudem ausschließliches Bürger- und Eigentumsrecht. Auch dies, wie es im
Andreanischen Freibrief festgesetzt war und auch in den sächsischen Städten
Siebenbürgens in Geltung war.

Ähnlich mag es auch in anderen Orten Rumäniens, die von den Deutschen
gegründet waren, gewesen sein, so vor allem in Neamtu, Baja u. v. a. --
Neamtu im besonderen lag bereits im Gebiet der Kumanen. Dem entsprechend
war auch die Burg sehr stark ausgebaut. Ihre Ruinen stehen noch heute. Man
hat in ihnen Steinmetzzeichen aufgefunden, die deutlich darauf hinweisen, daß
wir es hier mit einer Gründung der Deutschen Ritter zu tun haben. Be-


Die deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen

Die deutschen Ritter zogen sofort nach der Fertigstellung der Lehens¬
urkunde zahlreiche deutsche Kolonisten nach dem Burzenlande, teils aus Deutsch¬
land, teils aus den bereits kolonisierten Teilen Siebenbürgens. Zum Schutze
der Ansiedler und zur Verteidigung der Grenzen erbauten sie in dem vom
König genau umschriebenen Gebiete eine Anzahl „hölzerne Burgen", d. h. Pfahl¬
bürger, in deren Nähe nun die einzelnen Ortschaften des Burzenlandes an¬
gelegt wurden. Es waren im wesentlichen die heute noch blühenden deutschen
Ortschaften in der Umgebung von Kronstäbe.

Bald mußten freilich die Ritter erkennen, daß die Behauptung dieses neu
gewonnenen Besitztums so lange nicht als gesichert gelten konnte, so lange man
den heidnischen Kumanen nicht in ihrem eigenen Lande entgegentrat. Sie
richteten daher ihr Bestreben dahin „jenseits der Schneeberge" selbst festen
Fuß zu fassen. Darum sandten sie zahlreiche deutsche und wohl auch magyarische
Ansiedler ins Gebiet der Kumanen, siedelten sie dort an und errichteten zu
ihrem Schutze starke Festungen.

Es handelt sich dabei vor allem um CÄmpulung am südlichen Ausgange
des Törzburger Passes und um die Lewtea I^eamtului. — In Cumvulung,
das noch auf der von dem siebenbürgischen Reformator Johannes Honterus
ausgeführten ältesten Karte von Siebenbürgen den ursprünglich deutschen Namen
Langenowe (Langenau) führt, haben die Sachsen nachweislich noch im vierzehnten
Jahrhundert eigene „Grafen" gehabt. Heute noch führen die Ruinen eines
uralten Klosters, dessen Gründung auf die deutschen Ritter zurückgeführt wird,
bei der einheimischen rumänischen Bevölkerung den deutschen Namen „cloaZtsr".
Die Bürger von Wmpulung wählten noch später ihre Richter selbständig aus
der Reihe der „Geschworenen". Mit dem Rufe: „Es lebe unser Richter!"
hoben sie den von ihnen erkorenen in die Höhe. Der Fürst der Walachei
hatte nach der zum Ausdruck gebrachten Willenskundgebung der Stadt¬
gemeinde nur das Recht der Bestätigung. — Der Richter war oberster Ver¬
waltungsbeamter und zugleich höchster Vertreter der Gerichtsbarkeit. Markt¬
verkehr, Festsetzung von Maß und Gewicht, Bestätigung von Verträgen und
Testamenten, die Eintreibung der Steuern und Strafgelder lag in seiner
Hand; ja sogar das Strafrecht für „große und kleine Vergehen" (mit Ausnahme
der Todesstrafe) stand ihm zu. — Die deutsche Bevölkerung CLmpulungs hatte
zudem ausschließliches Bürger- und Eigentumsrecht. Auch dies, wie es im
Andreanischen Freibrief festgesetzt war und auch in den sächsischen Städten
Siebenbürgens in Geltung war.

Ähnlich mag es auch in anderen Orten Rumäniens, die von den Deutschen
gegründet waren, gewesen sein, so vor allem in Neamtu, Baja u. v. a. —
Neamtu im besonderen lag bereits im Gebiet der Kumanen. Dem entsprechend
war auch die Burg sehr stark ausgebaut. Ihre Ruinen stehen noch heute. Man
hat in ihnen Steinmetzzeichen aufgefunden, die deutlich darauf hinweisen, daß
wir es hier mit einer Gründung der Deutschen Ritter zu tun haben. Be-


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[0320] Die deutschen Einwanderungen in Siebenbürgen Die deutschen Ritter zogen sofort nach der Fertigstellung der Lehens¬ urkunde zahlreiche deutsche Kolonisten nach dem Burzenlande, teils aus Deutsch¬ land, teils aus den bereits kolonisierten Teilen Siebenbürgens. Zum Schutze der Ansiedler und zur Verteidigung der Grenzen erbauten sie in dem vom König genau umschriebenen Gebiete eine Anzahl „hölzerne Burgen", d. h. Pfahl¬ bürger, in deren Nähe nun die einzelnen Ortschaften des Burzenlandes an¬ gelegt wurden. Es waren im wesentlichen die heute noch blühenden deutschen Ortschaften in der Umgebung von Kronstäbe. Bald mußten freilich die Ritter erkennen, daß die Behauptung dieses neu gewonnenen Besitztums so lange nicht als gesichert gelten konnte, so lange man den heidnischen Kumanen nicht in ihrem eigenen Lande entgegentrat. Sie richteten daher ihr Bestreben dahin „jenseits der Schneeberge" selbst festen Fuß zu fassen. Darum sandten sie zahlreiche deutsche und wohl auch magyarische Ansiedler ins Gebiet der Kumanen, siedelten sie dort an und errichteten zu ihrem Schutze starke Festungen. Es handelt sich dabei vor allem um CÄmpulung am südlichen Ausgange des Törzburger Passes und um die Lewtea I^eamtului. — In Cumvulung, das noch auf der von dem siebenbürgischen Reformator Johannes Honterus ausgeführten ältesten Karte von Siebenbürgen den ursprünglich deutschen Namen Langenowe (Langenau) führt, haben die Sachsen nachweislich noch im vierzehnten Jahrhundert eigene „Grafen" gehabt. Heute noch führen die Ruinen eines uralten Klosters, dessen Gründung auf die deutschen Ritter zurückgeführt wird, bei der einheimischen rumänischen Bevölkerung den deutschen Namen „cloaZtsr". Die Bürger von Wmpulung wählten noch später ihre Richter selbständig aus der Reihe der „Geschworenen". Mit dem Rufe: „Es lebe unser Richter!" hoben sie den von ihnen erkorenen in die Höhe. Der Fürst der Walachei hatte nach der zum Ausdruck gebrachten Willenskundgebung der Stadt¬ gemeinde nur das Recht der Bestätigung. — Der Richter war oberster Ver¬ waltungsbeamter und zugleich höchster Vertreter der Gerichtsbarkeit. Markt¬ verkehr, Festsetzung von Maß und Gewicht, Bestätigung von Verträgen und Testamenten, die Eintreibung der Steuern und Strafgelder lag in seiner Hand; ja sogar das Strafrecht für „große und kleine Vergehen" (mit Ausnahme der Todesstrafe) stand ihm zu. — Die deutsche Bevölkerung CLmpulungs hatte zudem ausschließliches Bürger- und Eigentumsrecht. Auch dies, wie es im Andreanischen Freibrief festgesetzt war und auch in den sächsischen Städten Siebenbürgens in Geltung war. Ähnlich mag es auch in anderen Orten Rumäniens, die von den Deutschen gegründet waren, gewesen sein, so vor allem in Neamtu, Baja u. v. a. — Neamtu im besonderen lag bereits im Gebiet der Kumanen. Dem entsprechend war auch die Burg sehr stark ausgebaut. Ihre Ruinen stehen noch heute. Man hat in ihnen Steinmetzzeichen aufgefunden, die deutlich darauf hinweisen, daß wir es hier mit einer Gründung der Deutschen Ritter zu tun haben. Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/320>, abgerufen am 23.07.2024.