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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Mie spricht Tommy Aelius?

der Kanonen sich begnügt und aus Geistesblitze weniger Wert legt. Der
britische Soldatenslang, wie er heute im Felde gesprochen wird, besteht haupt¬
sächlich aus einer Anzahl von Necknamen (mLknames) und sehr vielen dem
sportlichen Leben entlehnten Fachausdrücken, die bildlich auf die kriegerischen
Aktionen angewendet werden.

Der auch bei uns bekannteste englische Neckname ist die Bezeichnung des
englischen Landsoldaten "Tommy Aelius" oder "Thomas Aelius", während der
britische Matrose "^ack l'ar" oder auch nur ,,^ar" (eigentlich Hans Teer)
heißt. Ursprünglich wurde Tommy Aelius das Taschenbuch genannt, das
früher jeder englische Soldat erhielt und in dem ähnlich wie in unserem
Militärpaß sein Nationale enthalten war. Damit die mit einem Vordruck
versehenen Seiten richtig ausgefüllt würden, fügte das >Var (Mich jedem Buch
ein Formular bei, in dem eine Seite beispielsweise ausgefüllt und der frei
erfundene Name Tommy Aelius hypothetisch angegeben war. Vom Buch ging
dann dieser Name bald auf den Inhaber des Buches, auf jeden britischen
Soldaten, über und wurde durch Kiplings Soldatengeschichten aus den indischen
Kolonien völlig popularisiert. Übrigens nennen auch unsere Feldsoldaten den
Engländer Tommy, wenn sie nicht den unübertrefflichen Spitznamen "Fußball¬
indianer" gebrauchen.

Vergeblich wird man in französischen Soldatenbriefen nach dem Worte
Allemant für Deutscher suchen, stets wird das herabsetzende Boche gebraucht.
Anders bei den Engländern. Hier ist der normale Ausdruck tke Qermans
durchaus vorherrschend, als Spitzname findet sich das harmlose "I^nlle Willis",
dann das derbere besonders beliebte "Lau8aZe8" (Würste) und "LauZaZe-
malcers" (Wurstfabrikanten) und nur sehr selten das den Alliierten entlehnte
"hock" oder französisch "hocke" geschrieben. Das ausgesprochene Schimpfwort
"tke leurs", das in der englischen Presse so häufig wiederkehrt, kommt in
englischen Soldatenbriefen nur ganz vereinzelt vor. Die deutschen Ulanen
werden "IZxve Jaub8" (Mutterschaflämmer) genannt, da beide Wörter in der
englischen Aussprache gleichklingen.

Die häufigsten Bezeichnungen haben Geschütze und Geschosse erhalten. So
heißen die 8 bis 9 Zoll kalibrigen Granaten der schweren Haubitzen "Loal-
ooxes" (auch die Feldgrauen sagen "Kohlenkasten" von gewissen feindlichen
Granaten) oder "LlacK IVlariss", (schwarze Marie werden von unseren Soldaten
die französischen 12 Zentimeter Granaten genannt) oder ,,^ÄcI< <1oKnson8", weil
diese Geschosse beim Zerplatzen schwarze Rauchwolken entwickeln. Für Schrap¬
nells wird wegen ihrer weißen wolligen Rauchwolke ">VooIly Naria8" gesagt.

Andere tragen je nach ihrer Wirkung auf Auge oder Ohr die Bezeich¬
nungen "V/Kj3tIinZ >ViIIic8" (pfeifende Willich), ,,V/iII-o'-tKe-V/l8v3" (Irr¬
lichter) oder "ttumminZ Virä8" (Kolibris) oder "LiZKinZ Larak8" (seufzende
Sarahs) oder "porriäZe ?ot8" (Suppentöpfe), das inhaltlich an die fran¬
zösische Benennung für Granate .Marmite" (Kochtopf) erinnert. Granaten


Mie spricht Tommy Aelius?

der Kanonen sich begnügt und aus Geistesblitze weniger Wert legt. Der
britische Soldatenslang, wie er heute im Felde gesprochen wird, besteht haupt¬
sächlich aus einer Anzahl von Necknamen (mLknames) und sehr vielen dem
sportlichen Leben entlehnten Fachausdrücken, die bildlich auf die kriegerischen
Aktionen angewendet werden.

Der auch bei uns bekannteste englische Neckname ist die Bezeichnung des
englischen Landsoldaten „Tommy Aelius" oder „Thomas Aelius", während der
britische Matrose »^ack l'ar" oder auch nur ,,^ar" (eigentlich Hans Teer)
heißt. Ursprünglich wurde Tommy Aelius das Taschenbuch genannt, das
früher jeder englische Soldat erhielt und in dem ähnlich wie in unserem
Militärpaß sein Nationale enthalten war. Damit die mit einem Vordruck
versehenen Seiten richtig ausgefüllt würden, fügte das >Var (Mich jedem Buch
ein Formular bei, in dem eine Seite beispielsweise ausgefüllt und der frei
erfundene Name Tommy Aelius hypothetisch angegeben war. Vom Buch ging
dann dieser Name bald auf den Inhaber des Buches, auf jeden britischen
Soldaten, über und wurde durch Kiplings Soldatengeschichten aus den indischen
Kolonien völlig popularisiert. Übrigens nennen auch unsere Feldsoldaten den
Engländer Tommy, wenn sie nicht den unübertrefflichen Spitznamen „Fußball¬
indianer" gebrauchen.

Vergeblich wird man in französischen Soldatenbriefen nach dem Worte
Allemant für Deutscher suchen, stets wird das herabsetzende Boche gebraucht.
Anders bei den Engländern. Hier ist der normale Ausdruck tke Qermans
durchaus vorherrschend, als Spitzname findet sich das harmlose „I^nlle Willis",
dann das derbere besonders beliebte „Lau8aZe8" (Würste) und „LauZaZe-
malcers" (Wurstfabrikanten) und nur sehr selten das den Alliierten entlehnte
„hock" oder französisch „hocke" geschrieben. Das ausgesprochene Schimpfwort
„tke leurs", das in der englischen Presse so häufig wiederkehrt, kommt in
englischen Soldatenbriefen nur ganz vereinzelt vor. Die deutschen Ulanen
werden „IZxve Jaub8" (Mutterschaflämmer) genannt, da beide Wörter in der
englischen Aussprache gleichklingen.

Die häufigsten Bezeichnungen haben Geschütze und Geschosse erhalten. So
heißen die 8 bis 9 Zoll kalibrigen Granaten der schweren Haubitzen „Loal-
ooxes" (auch die Feldgrauen sagen „Kohlenkasten" von gewissen feindlichen
Granaten) oder „LlacK IVlariss", (schwarze Marie werden von unseren Soldaten
die französischen 12 Zentimeter Granaten genannt) oder ,,^ÄcI< <1oKnson8", weil
diese Geschosse beim Zerplatzen schwarze Rauchwolken entwickeln. Für Schrap¬
nells wird wegen ihrer weißen wolligen Rauchwolke „>VooIly Naria8" gesagt.

Andere tragen je nach ihrer Wirkung auf Auge oder Ohr die Bezeich¬
nungen „V/Kj3tIinZ >ViIIic8" (pfeifende Willich), ,,V/iII-o'-tKe-V/l8v3" (Irr¬
lichter) oder „ttumminZ Virä8" (Kolibris) oder „LiZKinZ Larak8" (seufzende
Sarahs) oder „porriäZe ?ot8" (Suppentöpfe), das inhaltlich an die fran¬
zösische Benennung für Granate .Marmite" (Kochtopf) erinnert. Granaten


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[0198] Mie spricht Tommy Aelius? der Kanonen sich begnügt und aus Geistesblitze weniger Wert legt. Der britische Soldatenslang, wie er heute im Felde gesprochen wird, besteht haupt¬ sächlich aus einer Anzahl von Necknamen (mLknames) und sehr vielen dem sportlichen Leben entlehnten Fachausdrücken, die bildlich auf die kriegerischen Aktionen angewendet werden. Der auch bei uns bekannteste englische Neckname ist die Bezeichnung des englischen Landsoldaten „Tommy Aelius" oder „Thomas Aelius", während der britische Matrose »^ack l'ar" oder auch nur ,,^ar" (eigentlich Hans Teer) heißt. Ursprünglich wurde Tommy Aelius das Taschenbuch genannt, das früher jeder englische Soldat erhielt und in dem ähnlich wie in unserem Militärpaß sein Nationale enthalten war. Damit die mit einem Vordruck versehenen Seiten richtig ausgefüllt würden, fügte das >Var (Mich jedem Buch ein Formular bei, in dem eine Seite beispielsweise ausgefüllt und der frei erfundene Name Tommy Aelius hypothetisch angegeben war. Vom Buch ging dann dieser Name bald auf den Inhaber des Buches, auf jeden britischen Soldaten, über und wurde durch Kiplings Soldatengeschichten aus den indischen Kolonien völlig popularisiert. Übrigens nennen auch unsere Feldsoldaten den Engländer Tommy, wenn sie nicht den unübertrefflichen Spitznamen „Fußball¬ indianer" gebrauchen. Vergeblich wird man in französischen Soldatenbriefen nach dem Worte Allemant für Deutscher suchen, stets wird das herabsetzende Boche gebraucht. Anders bei den Engländern. Hier ist der normale Ausdruck tke Qermans durchaus vorherrschend, als Spitzname findet sich das harmlose „I^nlle Willis", dann das derbere besonders beliebte „Lau8aZe8" (Würste) und „LauZaZe- malcers" (Wurstfabrikanten) und nur sehr selten das den Alliierten entlehnte „hock" oder französisch „hocke" geschrieben. Das ausgesprochene Schimpfwort „tke leurs", das in der englischen Presse so häufig wiederkehrt, kommt in englischen Soldatenbriefen nur ganz vereinzelt vor. Die deutschen Ulanen werden „IZxve Jaub8" (Mutterschaflämmer) genannt, da beide Wörter in der englischen Aussprache gleichklingen. Die häufigsten Bezeichnungen haben Geschütze und Geschosse erhalten. So heißen die 8 bis 9 Zoll kalibrigen Granaten der schweren Haubitzen „Loal- ooxes" (auch die Feldgrauen sagen „Kohlenkasten" von gewissen feindlichen Granaten) oder „LlacK IVlariss", (schwarze Marie werden von unseren Soldaten die französischen 12 Zentimeter Granaten genannt) oder ,,^ÄcI< <1oKnson8", weil diese Geschosse beim Zerplatzen schwarze Rauchwolken entwickeln. Für Schrap¬ nells wird wegen ihrer weißen wolligen Rauchwolke „>VooIly Naria8" gesagt. Andere tragen je nach ihrer Wirkung auf Auge oder Ohr die Bezeich¬ nungen „V/Kj3tIinZ >ViIIic8" (pfeifende Willich), ,,V/iII-o'-tKe-V/l8v3" (Irr¬ lichter) oder „ttumminZ Virä8" (Kolibris) oder „LiZKinZ Larak8" (seufzende Sarahs) oder „porriäZe ?ot8" (Suppentöpfe), das inhaltlich an die fran¬ zösische Benennung für Granate .Marmite" (Kochtopf) erinnert. Granaten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/198>, abgerufen am 23.07.2024.