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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Sammlung und Nutzbarmachung der Zeitungen

spüren mußten und noch spüren. Ein Netz von Agenten überzog die Welt, und
englisches Geld wirkte bestimmend auf die Gesinnung von Völkern, die neutral
oder mit uns verbündet waren. Aus dem Kriege selbst sind uns die Leistungen
der Northcliffpresse, die vor allem in Italien den Umschwung der Volksstimmung
in einem uns ungünstigen Sinne miterzeugen half, zur Genüge bekannt. Es ist
eine Notwendigkeit für die Zukunft, die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes mit
wissenschaftlichen, journalistischen und diplomatischen Kräften so auszustatten, daß
sie sowohl alle Nachrichten vom Ausland her blitzschnell verarbeiten, tendenziöse und
falsche Meldungen richtig stellen als auch der eigenen Presse, wie der des Auslandes
in geeigneter Form die Tatsachen mitteilen kann, die geeignet sind, die deutsche
Politik wirksam zu unterstützen. Man könnte fragen, ob wir in demselben
Maße über Fachleute verfügen, wie das Ausland. An bedeutenden Publizisten
ist bei uns nie Mangel gewesen, die Schwierigkeit einer solchen Arbeit, bei der
Männer der verschiedensten Berufszweige Hand in Hand gehen müßten, dürfte
vielmehr in der Organisation zu suchen sein. Es handelt sich darum, diesem
Institut innerhalb der Reichsämter diejenige Unabhängigkeit und Schnelligkeit
des Betriebes zu geben, deren es zur erfolgreichen Durchführung seiner Auf¬
gaben bedarf, oder es zu einem selbständigen Reichsamt auszugestalten.
Frühere Wünsche und Anträge in dieser Richtung könnten hierbei berücksichtigt
werden.

Gerade der Krieg ist wie kein anderes Ereignis geeignet, das Interesse an den
Vorgängen des Tages zu steigern. Der Bedeutung der Frage aber, leistungs¬
fähige und tüchtige Männer der Gründlichkeit, nicht nur der bloßen Fertigkeit,
in den journalistischen Berufen zu sehen, hat zuerst deutscher Bürgerstnn Rechnung ge¬
tragen. Die Stadt Köln, der uralte Mittelpunkt von Handel und Verkehr am Nieder¬
rhein, hat beschlossen, nach dem Kriege an ihren beiden Hochschulen, der Handels¬
hochschule und der Hochschule für kommunale und soziale Verwaltung, einen
Lehrstuhl für Zeitungswesen zu errichten. Wird ein damit verbundenes Seminar
im Sinne des engen Zusammenhanges zwischen neuerer Geschichte und Zeitungs¬
wesen geleitet, so kann eine derartige Vertiefung ihres Wissens durch geschicht¬
liches Denken für Berufsjournalisten von höchstem Nutzen sein. Erinnern wir
uns an Görres, der im "Rheinischen Merkur", an David Friedrich Strauß,
der in der "Augsburger Allgemeinen Zeitung", an Heinrich von Treitschke und
Konstantin Rößler, die in den "Grenzboten" und den "Preußischen Jahr¬
büchern" schrieben, so wird uns der hohe geistige Gehalt der deutschen Publizistik
im vergangenen Jahrhundert völlig klar. Diese Männer kämpften für große
politische Gedanken, ihre journalistische Tätigkeit hatte eine starke Grundlage
geschichtlichen Interesses und wissenschaftlicher Bildung. Das gebildete Deutsch¬
land wird das Kölner Unternehmen in der Hoffnung begrüßen, neben anderen
Aufgaben auch die der Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, vielleicht
auch der Schaffung eines neuen geschichtlich-politischen Stiles, an den dortigen
Hochschulen gelöst zu sehen.


Sammlung und Nutzbarmachung der Zeitungen

spüren mußten und noch spüren. Ein Netz von Agenten überzog die Welt, und
englisches Geld wirkte bestimmend auf die Gesinnung von Völkern, die neutral
oder mit uns verbündet waren. Aus dem Kriege selbst sind uns die Leistungen
der Northcliffpresse, die vor allem in Italien den Umschwung der Volksstimmung
in einem uns ungünstigen Sinne miterzeugen half, zur Genüge bekannt. Es ist
eine Notwendigkeit für die Zukunft, die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes mit
wissenschaftlichen, journalistischen und diplomatischen Kräften so auszustatten, daß
sie sowohl alle Nachrichten vom Ausland her blitzschnell verarbeiten, tendenziöse und
falsche Meldungen richtig stellen als auch der eigenen Presse, wie der des Auslandes
in geeigneter Form die Tatsachen mitteilen kann, die geeignet sind, die deutsche
Politik wirksam zu unterstützen. Man könnte fragen, ob wir in demselben
Maße über Fachleute verfügen, wie das Ausland. An bedeutenden Publizisten
ist bei uns nie Mangel gewesen, die Schwierigkeit einer solchen Arbeit, bei der
Männer der verschiedensten Berufszweige Hand in Hand gehen müßten, dürfte
vielmehr in der Organisation zu suchen sein. Es handelt sich darum, diesem
Institut innerhalb der Reichsämter diejenige Unabhängigkeit und Schnelligkeit
des Betriebes zu geben, deren es zur erfolgreichen Durchführung seiner Auf¬
gaben bedarf, oder es zu einem selbständigen Reichsamt auszugestalten.
Frühere Wünsche und Anträge in dieser Richtung könnten hierbei berücksichtigt
werden.

Gerade der Krieg ist wie kein anderes Ereignis geeignet, das Interesse an den
Vorgängen des Tages zu steigern. Der Bedeutung der Frage aber, leistungs¬
fähige und tüchtige Männer der Gründlichkeit, nicht nur der bloßen Fertigkeit,
in den journalistischen Berufen zu sehen, hat zuerst deutscher Bürgerstnn Rechnung ge¬
tragen. Die Stadt Köln, der uralte Mittelpunkt von Handel und Verkehr am Nieder¬
rhein, hat beschlossen, nach dem Kriege an ihren beiden Hochschulen, der Handels¬
hochschule und der Hochschule für kommunale und soziale Verwaltung, einen
Lehrstuhl für Zeitungswesen zu errichten. Wird ein damit verbundenes Seminar
im Sinne des engen Zusammenhanges zwischen neuerer Geschichte und Zeitungs¬
wesen geleitet, so kann eine derartige Vertiefung ihres Wissens durch geschicht¬
liches Denken für Berufsjournalisten von höchstem Nutzen sein. Erinnern wir
uns an Görres, der im „Rheinischen Merkur", an David Friedrich Strauß,
der in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung", an Heinrich von Treitschke und
Konstantin Rößler, die in den „Grenzboten" und den „Preußischen Jahr¬
büchern" schrieben, so wird uns der hohe geistige Gehalt der deutschen Publizistik
im vergangenen Jahrhundert völlig klar. Diese Männer kämpften für große
politische Gedanken, ihre journalistische Tätigkeit hatte eine starke Grundlage
geschichtlichen Interesses und wissenschaftlicher Bildung. Das gebildete Deutsch¬
land wird das Kölner Unternehmen in der Hoffnung begrüßen, neben anderen
Aufgaben auch die der Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, vielleicht
auch der Schaffung eines neuen geschichtlich-politischen Stiles, an den dortigen
Hochschulen gelöst zu sehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/135>, abgerufen am 23.07.2024.