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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Frankreich und die Gründung des Norddeutschen Bundes

schlagen werde, und ließ im April 1865 in Paris Sortieren, ob Frankreich
sich nicht etwa Österreich nähere. Benedetti, der französische Botschafter in
Berlin, stellte nun direkt die Frage, was Preußen im Falle eines Krieges mit
Österreich von Frankreich erwartete. Bismarck antwortete ausweichend und
schob wieder die Abneigung König Wilhelms gegen Abmachungen mit Frank¬
reich vor. Benedetti riet darauf seiner Regierung vollkommene Zurückhaltung
in der Entwicklung des deutschen Konflikts an. Bismarck Hütte gern eine
Äußerung Benedettis gehört, daß Frankreich auf deutsches Gebiet verzichte.
Deswegen schlug er Kompensationen in Belgien oder in der welschen Schweiz
vor, ohne daß er selber recht glaubte, daß diese möglich sein würden. Es
gelang nicht, Benedetti zu einer derartigen Äußerung zu bringen. Man sieht
zur Genüge, daß beiderseits alle Register der Diplomatie gezogen wurden.
Bismarcks Stellung war noch erschwert durch die öfters mangelnde Unterstützung
des Grafen Goltz. Der Botschafter mißbilligte Bismarcks Politik, wünschte
immer den Abschluß förmlicher Verträge mit Frankreich und regte diese im
Sommer 1865 sogar gegen seine Instruktion, aber ohne Erfolg an.

Bekanntlich brachte der Sommer 1865 im Vertrag von Gastein die letzte
Aussöhnung zwischen Preußen und Österreich. Die Enttäuschung in Frankreich
darüber war groß, so groß, daß Bismarck, der den Bruch mit Österreich trotz Gastein
ja doch schließlich an der Frage der deutschen Bundesreform herbeiführen wollte,
das Bedürfnis fühlte, selber den Kaiser Napoleon zu beruhigen. Er erwirkte
von seinem König die Erlaubnis, in Biarritz mit Napoleon zusammenzutreffen.
Die Beruhigung des Kaisers über die preußischen Absichten gelang ihm. Ver¬
geblich versuchte er aber auch diesmal, eine Zusage zu erlangen, daß sich
Frankreich mit außerdeutschen Kompensationen zufriedengeben würde.

Die erneute Verschlechterung der preußisch-österreichischen Beziehungen trat
schon Anfang 1866 ein und zeitigte neue Verhandlungen mit Frankreich.
Napoleon forderte jetzt zum erstenmal offen deutsches Gebiet und wurde zurück¬
gewiesen. Trotzdem war der König Wilhelm einem Bruch mit Österreich und
einer Annäherung an Frankreich nicht mehr so abgeneigt wie früher, weil die
Unhaltbarkeit des preußisch-österreichischen Kondominats über Schleswig-Holstein
auch für ihn offen zutage trat. Diesen Moment benutzte Bismarck zur Auf¬
rollung der Bundesreformfrage und damit zur Entzündung des Konflikts. In
längeren Verhandlungen gelang es. Frankreich zu der Zusage zu bestimmen,
es werde die Durchführung der preußischen Reformpläne ohne Kompensation
hinnehmen. Natürlich hoffte Napoleon nach wie vor im stillen, daß der Krieg
doch noch eine neue Lage und Gelegenheiten zu anderweitigen Forderungen
bringen würde. Selbst mit der Möglichkeit seines Übertritts auf die österreichische
Seite rechnete er bereits. In der Tat versuchten die Österreicher durch das
Angebot freiwilliger Abtretung Venetiens Napoleon zu gewinnen. Indessen
war Bismarck dieser Gefahr bereits durch Abschluß eines Bündnisses mit Italien
begegnet. Diesem Vertrag getreu, weigerte sich Italien, Venetien als Geschenk


Frankreich und die Gründung des Norddeutschen Bundes

schlagen werde, und ließ im April 1865 in Paris Sortieren, ob Frankreich
sich nicht etwa Österreich nähere. Benedetti, der französische Botschafter in
Berlin, stellte nun direkt die Frage, was Preußen im Falle eines Krieges mit
Österreich von Frankreich erwartete. Bismarck antwortete ausweichend und
schob wieder die Abneigung König Wilhelms gegen Abmachungen mit Frank¬
reich vor. Benedetti riet darauf seiner Regierung vollkommene Zurückhaltung
in der Entwicklung des deutschen Konflikts an. Bismarck Hütte gern eine
Äußerung Benedettis gehört, daß Frankreich auf deutsches Gebiet verzichte.
Deswegen schlug er Kompensationen in Belgien oder in der welschen Schweiz
vor, ohne daß er selber recht glaubte, daß diese möglich sein würden. Es
gelang nicht, Benedetti zu einer derartigen Äußerung zu bringen. Man sieht
zur Genüge, daß beiderseits alle Register der Diplomatie gezogen wurden.
Bismarcks Stellung war noch erschwert durch die öfters mangelnde Unterstützung
des Grafen Goltz. Der Botschafter mißbilligte Bismarcks Politik, wünschte
immer den Abschluß förmlicher Verträge mit Frankreich und regte diese im
Sommer 1865 sogar gegen seine Instruktion, aber ohne Erfolg an.

Bekanntlich brachte der Sommer 1865 im Vertrag von Gastein die letzte
Aussöhnung zwischen Preußen und Österreich. Die Enttäuschung in Frankreich
darüber war groß, so groß, daß Bismarck, der den Bruch mit Österreich trotz Gastein
ja doch schließlich an der Frage der deutschen Bundesreform herbeiführen wollte,
das Bedürfnis fühlte, selber den Kaiser Napoleon zu beruhigen. Er erwirkte
von seinem König die Erlaubnis, in Biarritz mit Napoleon zusammenzutreffen.
Die Beruhigung des Kaisers über die preußischen Absichten gelang ihm. Ver¬
geblich versuchte er aber auch diesmal, eine Zusage zu erlangen, daß sich
Frankreich mit außerdeutschen Kompensationen zufriedengeben würde.

Die erneute Verschlechterung der preußisch-österreichischen Beziehungen trat
schon Anfang 1866 ein und zeitigte neue Verhandlungen mit Frankreich.
Napoleon forderte jetzt zum erstenmal offen deutsches Gebiet und wurde zurück¬
gewiesen. Trotzdem war der König Wilhelm einem Bruch mit Österreich und
einer Annäherung an Frankreich nicht mehr so abgeneigt wie früher, weil die
Unhaltbarkeit des preußisch-österreichischen Kondominats über Schleswig-Holstein
auch für ihn offen zutage trat. Diesen Moment benutzte Bismarck zur Auf¬
rollung der Bundesreformfrage und damit zur Entzündung des Konflikts. In
längeren Verhandlungen gelang es. Frankreich zu der Zusage zu bestimmen,
es werde die Durchführung der preußischen Reformpläne ohne Kompensation
hinnehmen. Natürlich hoffte Napoleon nach wie vor im stillen, daß der Krieg
doch noch eine neue Lage und Gelegenheiten zu anderweitigen Forderungen
bringen würde. Selbst mit der Möglichkeit seines Übertritts auf die österreichische
Seite rechnete er bereits. In der Tat versuchten die Österreicher durch das
Angebot freiwilliger Abtretung Venetiens Napoleon zu gewinnen. Indessen
war Bismarck dieser Gefahr bereits durch Abschluß eines Bündnisses mit Italien
begegnet. Diesem Vertrag getreu, weigerte sich Italien, Venetien als Geschenk


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/89>, abgerufen am 25.08.2024.