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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Landvergabung nach Lehenrecht

römisch-rechtlichen Besonderheit, man möchte sagen, Perversität, Liegenschaft
und Fahrnis rechtlich gleich zu behandeln. Und das ist unzweifelhaft falsch,
übrigens selbst vom rein technisch - juristischen Standpunkt, weil die Begriffe
und Grundsätze, die für bewegliche Sachen entstanden waren und dann vermöge
jener Überstarrheit des römischen Rechts einfach auf die erst später dem
Privatrechtsverkehr unterfallenen Grundstücke übertragen wurden, schon rein
logisch gar nicht auf diese passen.

Der Grund und Boden ist unzweifelhaft keine Ware wie jede andere auch.
Erstens, weil er nicht hergestellt werden kann, weil das Angebot sich dem
Bedarf nicht anpassen kann, sondern bei gedeihenden Volkstum eine stetig
steigende Nachfrage einem stetig sich gleich bleibenden Vorrat gegenübersteht.
Und zweitens und vor allem, weil er nicht bewegt werden kann. Das klingt
sehr selbstverständlich, aber es ergibt eine recht wichtige und trotz ihrer ein¬
leuchtenden Natur noch wenig betonte Folgerung für das volkswirtschaftliche
Wesen des Handels mit Grundstücken. In der bewirkten Ortsveränderung
liegt der volkswirtschaftliche Nutzen des Handels. Wer Getreide, das am Ort
seiner Erzeugung verfaulen müßte, in Gegenden verbringt, wo es gebraucht
wird, leistet eine Arbeit, die in höchstem Maße werterzeugend ist. Der privat¬
wirtschaftliche Gewinn entspricht dabei einem von ihm produzierten gesamtwirt¬
schaftlichen Mehrwert. Und so kann, wie man kaum zu betonen braucht, auch
schon das bloße Sammeln von Vorräten, das Erhalten und Sichten von Waren
volkswirtschaftlich produktiv sein, indem es eben diese zur Verteilung des Produkts
nötige Arbeit leistet. Da nun der Grund und Boden keinerlei Bewegung und
Verteilung erfahren kann, liegt bei ihm. wenn einer z. B. einen Bauplatz kauft,
nicht um ihn irgendwie zu benutzen, sondern nur um ihn später mit Gewinn
weiter zu veräußern, wenn ihm das gelingt, lediglich ein privatwirtschaftlicher
Nutzen vor; was der Händler gewonnen hat, belastet den späteren Benutzer des
Bodens im genau entsprechendem Maße. Der bloße Handel mit dem Grundstück,
also abgesehen selbstverständlich von Anlagen und Kapitalverwendungen auf dem
Grundstück, die etwa bei dieser Gelegenheit vorgenommen worden sind, ist in
keiner Weise produktiv.

Man spricht von einem zu schaffenden staatlichen Getreidehandelmonopol.
Obwohl der Getreidehandel an sich unzweifelhaft wirtschaftlich notwendig und
produktiv ist, scheut man den Gedanken nicht, das Betätigungsfeld des privaten
Handels derart einzuengen. Der gewerbsmäßige Handel mit Grundstücken
kann sicherlich noch viel unbedenklicher eingeschränkt oder selbst geopfert werden,
wenn sich derartige Maßregeln etwa gegenüber den großen Terraingesellschaften
als notwendig herausstellen sollten, um den öffentlich rechtlichen Körperschaften
zunächst das zu einer Landvergabung im größeren Maßstab notwendige Gelände
zu verschaffen. Wir hoffen natürlich zunächst darauf, wovon noch zu reden
sem wird, daß das zur Verbesserung unserer strategischen Lage sowohl wie
zur Siedelung von. Volksgenossen unserem Staatsgebiet anzugliedernde Land


Landvergabung nach Lehenrecht

römisch-rechtlichen Besonderheit, man möchte sagen, Perversität, Liegenschaft
und Fahrnis rechtlich gleich zu behandeln. Und das ist unzweifelhaft falsch,
übrigens selbst vom rein technisch - juristischen Standpunkt, weil die Begriffe
und Grundsätze, die für bewegliche Sachen entstanden waren und dann vermöge
jener Überstarrheit des römischen Rechts einfach auf die erst später dem
Privatrechtsverkehr unterfallenen Grundstücke übertragen wurden, schon rein
logisch gar nicht auf diese passen.

Der Grund und Boden ist unzweifelhaft keine Ware wie jede andere auch.
Erstens, weil er nicht hergestellt werden kann, weil das Angebot sich dem
Bedarf nicht anpassen kann, sondern bei gedeihenden Volkstum eine stetig
steigende Nachfrage einem stetig sich gleich bleibenden Vorrat gegenübersteht.
Und zweitens und vor allem, weil er nicht bewegt werden kann. Das klingt
sehr selbstverständlich, aber es ergibt eine recht wichtige und trotz ihrer ein¬
leuchtenden Natur noch wenig betonte Folgerung für das volkswirtschaftliche
Wesen des Handels mit Grundstücken. In der bewirkten Ortsveränderung
liegt der volkswirtschaftliche Nutzen des Handels. Wer Getreide, das am Ort
seiner Erzeugung verfaulen müßte, in Gegenden verbringt, wo es gebraucht
wird, leistet eine Arbeit, die in höchstem Maße werterzeugend ist. Der privat¬
wirtschaftliche Gewinn entspricht dabei einem von ihm produzierten gesamtwirt¬
schaftlichen Mehrwert. Und so kann, wie man kaum zu betonen braucht, auch
schon das bloße Sammeln von Vorräten, das Erhalten und Sichten von Waren
volkswirtschaftlich produktiv sein, indem es eben diese zur Verteilung des Produkts
nötige Arbeit leistet. Da nun der Grund und Boden keinerlei Bewegung und
Verteilung erfahren kann, liegt bei ihm. wenn einer z. B. einen Bauplatz kauft,
nicht um ihn irgendwie zu benutzen, sondern nur um ihn später mit Gewinn
weiter zu veräußern, wenn ihm das gelingt, lediglich ein privatwirtschaftlicher
Nutzen vor; was der Händler gewonnen hat, belastet den späteren Benutzer des
Bodens im genau entsprechendem Maße. Der bloße Handel mit dem Grundstück,
also abgesehen selbstverständlich von Anlagen und Kapitalverwendungen auf dem
Grundstück, die etwa bei dieser Gelegenheit vorgenommen worden sind, ist in
keiner Weise produktiv.

Man spricht von einem zu schaffenden staatlichen Getreidehandelmonopol.
Obwohl der Getreidehandel an sich unzweifelhaft wirtschaftlich notwendig und
produktiv ist, scheut man den Gedanken nicht, das Betätigungsfeld des privaten
Handels derart einzuengen. Der gewerbsmäßige Handel mit Grundstücken
kann sicherlich noch viel unbedenklicher eingeschränkt oder selbst geopfert werden,
wenn sich derartige Maßregeln etwa gegenüber den großen Terraingesellschaften
als notwendig herausstellen sollten, um den öffentlich rechtlichen Körperschaften
zunächst das zu einer Landvergabung im größeren Maßstab notwendige Gelände
zu verschaffen. Wir hoffen natürlich zunächst darauf, wovon noch zu reden
sem wird, daß das zur Verbesserung unserer strategischen Lage sowohl wie
zur Siedelung von. Volksgenossen unserem Staatsgebiet anzugliedernde Land


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/71>, abgerufen am 03.07.2024.