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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin

Jetzt zu Schleswigholstein, das uns ganz und gar erfüllt, so daß wir
eigentlich nichts anderes thun und treiben, als Zeitungen erwarten und ver¬
schlingen. Der arme Otto^) von dessen Krankheit Sie wohl gehört haben, er
wäre ja sonst längst in Gotha, lebt noch mehr von hoffnungsvollen Nachrichten,
als von der Medicin. Ist es nicht tragisch daß ein langjähriges Uebel (Blasen-
und Nierenleiden) das ihm die Kugel von Kolding zuerst erzeugt hat, jetzt
gerade wieder in der ganzen ersten Stärke auftritt. Er wollte anfangs gleich
nach Carlsbad um sich wieder dienstfertig zu machen, aber davon wollen die
Ärzte nichts wissen. Er hat uns große und schwere Sorge gemacht. Gottlob
gehts jetzt besser -- er liegt sehr mager geworden auf der ZeKaise lonZue
und empfängt Besuch von Officieren und Holsteinern am liebsten. Unter den
Letzten ist der Treuste der eifrige unermüdliche Pastor Rosenhagen, der ohne
Rücksicht auf die Collegen die ihm den patriotischen Eifer in ihrer frömmelnden
Anschauung vorwerfen überall öffentlich für unsere Sache auftritt. Im ganzen
ist der Sachse gut gesinnt, aber ohne Enthusiasmus. Gestern als die Soldaten
auszogen vorläufig auf die Dörfer, konnte ich nicht einen ordentlchen Gassen¬
jungen auftreiben der Schleswig-Holstein hätte leben lassen, von dem Augusten-
burger nicht zu reden. Unser Mäßigkeitsverein, die sächsische Kammer blickt
auch ängstlich zum König auf, der indessen als guter Jurist und der nur der
eignen Prüfung traut wohl sehr wenig mehr gegen den Augustenburger einzu¬
wenden hat. Jetzt nur der Baier für uns u. Alles wäre gut. England nimmt
sicher den Mund voller als die Kanonen? -- Louis ist schließlich wie Sie es
oft gesagt haben gar nicht so schlimm u. wo wäre dann der Feind? aber es
lebe der Coburger ohne ihn fehlte ja jeder Schauplatz für unsern Herzog u. es
könnte factisch das Stück nicht aufgeführt werden. Wolf der einige Tage sehr
stumm u. hoffnungslos war, hat wieder neuen Muth gewonnen. Wir leben
so ganz in diesen Ideen daß wir kaum ein Buch in die Hand nehmen u. nur
der gute Reuter hat uns endlich zum Lesen von gebundenen Blättern gezwungen,
man bleibt im Lande bei ihm. -- Wolf hat was den Augustenburger betrifft
nur einen Wunsch, daß er wenn er wills Gott unser Herzog wird das liebe
Ländchen nicht mit Kammerherrn und Leibgarde bekannt machen u. in seiner
Unschuld U.Unwissenheit was Höfische Gewohnheiten betrifft lasse. /.Wolf meint,
da Herzog Friedrich ja gar keine Präcedenzien habe könne er das leicht erreichen.

Nun wären wir erst so weit!


Jetzt leben Sie wohl u. glauben Sie an die unverbrüchliche treue Gesinnung
I Dresdener Freunde. hrer
Nachschrift von Gf. Wolf B: (11. December 1863)

Ich hoffe, daß was meine Frau Ihnen eben schreibt, hypochondrische
Grillen von ihr sind. -- Eben schickt meine Schwägerin Naumann in Bonn



") Graf Wolf's Bruder, General Graf Otto von Baudissin.
Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin

Jetzt zu Schleswigholstein, das uns ganz und gar erfüllt, so daß wir
eigentlich nichts anderes thun und treiben, als Zeitungen erwarten und ver¬
schlingen. Der arme Otto^) von dessen Krankheit Sie wohl gehört haben, er
wäre ja sonst längst in Gotha, lebt noch mehr von hoffnungsvollen Nachrichten,
als von der Medicin. Ist es nicht tragisch daß ein langjähriges Uebel (Blasen-
und Nierenleiden) das ihm die Kugel von Kolding zuerst erzeugt hat, jetzt
gerade wieder in der ganzen ersten Stärke auftritt. Er wollte anfangs gleich
nach Carlsbad um sich wieder dienstfertig zu machen, aber davon wollen die
Ärzte nichts wissen. Er hat uns große und schwere Sorge gemacht. Gottlob
gehts jetzt besser — er liegt sehr mager geworden auf der ZeKaise lonZue
und empfängt Besuch von Officieren und Holsteinern am liebsten. Unter den
Letzten ist der Treuste der eifrige unermüdliche Pastor Rosenhagen, der ohne
Rücksicht auf die Collegen die ihm den patriotischen Eifer in ihrer frömmelnden
Anschauung vorwerfen überall öffentlich für unsere Sache auftritt. Im ganzen
ist der Sachse gut gesinnt, aber ohne Enthusiasmus. Gestern als die Soldaten
auszogen vorläufig auf die Dörfer, konnte ich nicht einen ordentlchen Gassen¬
jungen auftreiben der Schleswig-Holstein hätte leben lassen, von dem Augusten-
burger nicht zu reden. Unser Mäßigkeitsverein, die sächsische Kammer blickt
auch ängstlich zum König auf, der indessen als guter Jurist und der nur der
eignen Prüfung traut wohl sehr wenig mehr gegen den Augustenburger einzu¬
wenden hat. Jetzt nur der Baier für uns u. Alles wäre gut. England nimmt
sicher den Mund voller als die Kanonen? — Louis ist schließlich wie Sie es
oft gesagt haben gar nicht so schlimm u. wo wäre dann der Feind? aber es
lebe der Coburger ohne ihn fehlte ja jeder Schauplatz für unsern Herzog u. es
könnte factisch das Stück nicht aufgeführt werden. Wolf der einige Tage sehr
stumm u. hoffnungslos war, hat wieder neuen Muth gewonnen. Wir leben
so ganz in diesen Ideen daß wir kaum ein Buch in die Hand nehmen u. nur
der gute Reuter hat uns endlich zum Lesen von gebundenen Blättern gezwungen,
man bleibt im Lande bei ihm. — Wolf hat was den Augustenburger betrifft
nur einen Wunsch, daß er wenn er wills Gott unser Herzog wird das liebe
Ländchen nicht mit Kammerherrn und Leibgarde bekannt machen u. in seiner
Unschuld U.Unwissenheit was Höfische Gewohnheiten betrifft lasse. /.Wolf meint,
da Herzog Friedrich ja gar keine Präcedenzien habe könne er das leicht erreichen.

Nun wären wir erst so weit!


Jetzt leben Sie wohl u. glauben Sie an die unverbrüchliche treue Gesinnung
I Dresdener Freunde. hrer
Nachschrift von Gf. Wolf B: (11. December 1863)

Ich hoffe, daß was meine Frau Ihnen eben schreibt, hypochondrische
Grillen von ihr sind. — Eben schickt meine Schwägerin Naumann in Bonn



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[0060] Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin Jetzt zu Schleswigholstein, das uns ganz und gar erfüllt, so daß wir eigentlich nichts anderes thun und treiben, als Zeitungen erwarten und ver¬ schlingen. Der arme Otto^) von dessen Krankheit Sie wohl gehört haben, er wäre ja sonst längst in Gotha, lebt noch mehr von hoffnungsvollen Nachrichten, als von der Medicin. Ist es nicht tragisch daß ein langjähriges Uebel (Blasen- und Nierenleiden) das ihm die Kugel von Kolding zuerst erzeugt hat, jetzt gerade wieder in der ganzen ersten Stärke auftritt. Er wollte anfangs gleich nach Carlsbad um sich wieder dienstfertig zu machen, aber davon wollen die Ärzte nichts wissen. Er hat uns große und schwere Sorge gemacht. Gottlob gehts jetzt besser — er liegt sehr mager geworden auf der ZeKaise lonZue und empfängt Besuch von Officieren und Holsteinern am liebsten. Unter den Letzten ist der Treuste der eifrige unermüdliche Pastor Rosenhagen, der ohne Rücksicht auf die Collegen die ihm den patriotischen Eifer in ihrer frömmelnden Anschauung vorwerfen überall öffentlich für unsere Sache auftritt. Im ganzen ist der Sachse gut gesinnt, aber ohne Enthusiasmus. Gestern als die Soldaten auszogen vorläufig auf die Dörfer, konnte ich nicht einen ordentlchen Gassen¬ jungen auftreiben der Schleswig-Holstein hätte leben lassen, von dem Augusten- burger nicht zu reden. Unser Mäßigkeitsverein, die sächsische Kammer blickt auch ängstlich zum König auf, der indessen als guter Jurist und der nur der eignen Prüfung traut wohl sehr wenig mehr gegen den Augustenburger einzu¬ wenden hat. Jetzt nur der Baier für uns u. Alles wäre gut. England nimmt sicher den Mund voller als die Kanonen? — Louis ist schließlich wie Sie es oft gesagt haben gar nicht so schlimm u. wo wäre dann der Feind? aber es lebe der Coburger ohne ihn fehlte ja jeder Schauplatz für unsern Herzog u. es könnte factisch das Stück nicht aufgeführt werden. Wolf der einige Tage sehr stumm u. hoffnungslos war, hat wieder neuen Muth gewonnen. Wir leben so ganz in diesen Ideen daß wir kaum ein Buch in die Hand nehmen u. nur der gute Reuter hat uns endlich zum Lesen von gebundenen Blättern gezwungen, man bleibt im Lande bei ihm. — Wolf hat was den Augustenburger betrifft nur einen Wunsch, daß er wenn er wills Gott unser Herzog wird das liebe Ländchen nicht mit Kammerherrn und Leibgarde bekannt machen u. in seiner Unschuld U.Unwissenheit was Höfische Gewohnheiten betrifft lasse. /.Wolf meint, da Herzog Friedrich ja gar keine Präcedenzien habe könne er das leicht erreichen. Nun wären wir erst so weit! Jetzt leben Sie wohl u. glauben Sie an die unverbrüchliche treue Gesinnung I Dresdener Freunde. hrer Nachschrift von Gf. Wolf B: (11. December 1863) Ich hoffe, daß was meine Frau Ihnen eben schreibt, hypochondrische Grillen von ihr sind. — Eben schickt meine Schwägerin Naumann in Bonn «) Graf Wolf's Bruder, General Graf Otto von Baudissin.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/60>, abgerufen am 23.07.2024.