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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Di>: Tagung für Ariegsbeschädigtenfürsorge in Loin a. Rh.

der kaufmännische Kriegsbeschädigte vertraut mit dem Geiste kaufmännischer
Berufe ist. Dagegen ist es dringend notwendig, ungelernte Leute oder nicht
genügend vorgebildete vorzubilden. Über die Unterbringung kriegsbeschädigter
Offiziere im Handel hat der Deutsche Handelstag bereits mit dem Hilfsbund
für kriegsverletzte Offiziere Verhandlungen angeknüpft. Es bleibt aber noch zu
fordern, daß der Offizier, der in den Handel übergehen will, vorher eine
mindestens sechsmonatliche theoretische und eine mindestens achtmonatliche
praktische Vorbildung auf sich nimmt. Auf jeden Fall muß die Stellen¬
vermittlung durch die Privatstellenvermittlung vermieden werden. Die private
Stellenvermittlung hat kein Interesse daran, Dauerstellungen zu vermitteln.

Das gleiche Thema, aber vom Standpunkt der kaufmännischen Angestellten,
behandelte Kaufmann Döring-Hamburg. Gegenwärtig stehen etwa sechshundert¬
tausend kaufmännische Angestellte im Felde, daher sind in den kaufmännischen
Betrieben zurzeit viele Lücken. Es werden aber auch Hunderttausende in die
alten Stellungen zurückkehren. Ob sich die zerrissenen Fäden der Weltwirtschaft
wieder anknüpfen werden, ob der Haß gegen Deutschland sich wieder legen
wird, davon wird es abhängen, wieviele Stellen sich später den kaufmännischen
Angestellten wieder öffnen. Die nicht kaufmännisch vorgebildeten Kriegs¬
beschädigten suchen sogenannte leichte Stellen. Dennoch irren sie sich in den
Anforderungen, die diese leichten Stellen fordern. Mindestens muß ver¬
langt werden: die Kenntnis der deutschen Sprache und der kaufmännischen
Gepflogenheiten. Zur Bekämpfung des Zustroms ungeeigneter Elemente ist
eine staatliche Aufsicht der Privathandelsschulen notwendig. Ein kurzer Unter¬
richt im Maschinenschreiben, Stenographie und Buchführung reicht für den
ungelernten Kriegsbeschädigten nicht aus. Die Berufsberatungsausschüsse müssen
kaufmännische Kräfte als Berufsberater heranziehen. Die ungelernten Kräfte
sind noch am ersten in der Registratur und im Bürodienst zu verwenden.
Gegenwärtig sind viele weibliche Hilfskräfte in derartige Stellen eingewandert.
Hier ist eine Änderung unbedingt notwendig.

Als nächster Redner sprach Obermeister Bienert-Chemnitz über die Ver¬
wendungsmöglichkeit der Kriegsbeschädigten im Handwerk. Die
wirtschaftlichen Schäden des Handwerks sind schon jetzt sehr große und es sind
Befürchtungen aufgetaucht, daß das deutsche Handwerk nach dem Kriege ver¬
nichtet sein würde. Diesen Befürchtungen kann der Vortragende sich nicht
anschließen. Das Handwerk wird auch nach dem Kriege die nötigen Arbeits¬
kräfte zur Verfügung haben müssen. Dazu ist notwendig, daß jeder kriegs-
beschädigte Handwerksgeselle seinem Beruf, wenn irgend möglich, erhalten bleibt.
Zunächst muß die Arbeitseutwöhnung bekämpft werden und daneben muß der
Zulauf zu den ungelernten Berufen und zu den Beamtenstellen aufgehalten werden.
Unbedingt ist der Zusammenschluß von Meistern, Gesellen, Gewerbeinspektoren, Ge¬
werbeschulen zu gemeinsamer Arbeit zu fordern. Berufliche und ärztliche Beratung
sind zu vereinigen, namentlich für die älteren Gesellen, die umlernen müssen.


Di>: Tagung für Ariegsbeschädigtenfürsorge in Loin a. Rh.

der kaufmännische Kriegsbeschädigte vertraut mit dem Geiste kaufmännischer
Berufe ist. Dagegen ist es dringend notwendig, ungelernte Leute oder nicht
genügend vorgebildete vorzubilden. Über die Unterbringung kriegsbeschädigter
Offiziere im Handel hat der Deutsche Handelstag bereits mit dem Hilfsbund
für kriegsverletzte Offiziere Verhandlungen angeknüpft. Es bleibt aber noch zu
fordern, daß der Offizier, der in den Handel übergehen will, vorher eine
mindestens sechsmonatliche theoretische und eine mindestens achtmonatliche
praktische Vorbildung auf sich nimmt. Auf jeden Fall muß die Stellen¬
vermittlung durch die Privatstellenvermittlung vermieden werden. Die private
Stellenvermittlung hat kein Interesse daran, Dauerstellungen zu vermitteln.

Das gleiche Thema, aber vom Standpunkt der kaufmännischen Angestellten,
behandelte Kaufmann Döring-Hamburg. Gegenwärtig stehen etwa sechshundert¬
tausend kaufmännische Angestellte im Felde, daher sind in den kaufmännischen
Betrieben zurzeit viele Lücken. Es werden aber auch Hunderttausende in die
alten Stellungen zurückkehren. Ob sich die zerrissenen Fäden der Weltwirtschaft
wieder anknüpfen werden, ob der Haß gegen Deutschland sich wieder legen
wird, davon wird es abhängen, wieviele Stellen sich später den kaufmännischen
Angestellten wieder öffnen. Die nicht kaufmännisch vorgebildeten Kriegs¬
beschädigten suchen sogenannte leichte Stellen. Dennoch irren sie sich in den
Anforderungen, die diese leichten Stellen fordern. Mindestens muß ver¬
langt werden: die Kenntnis der deutschen Sprache und der kaufmännischen
Gepflogenheiten. Zur Bekämpfung des Zustroms ungeeigneter Elemente ist
eine staatliche Aufsicht der Privathandelsschulen notwendig. Ein kurzer Unter¬
richt im Maschinenschreiben, Stenographie und Buchführung reicht für den
ungelernten Kriegsbeschädigten nicht aus. Die Berufsberatungsausschüsse müssen
kaufmännische Kräfte als Berufsberater heranziehen. Die ungelernten Kräfte
sind noch am ersten in der Registratur und im Bürodienst zu verwenden.
Gegenwärtig sind viele weibliche Hilfskräfte in derartige Stellen eingewandert.
Hier ist eine Änderung unbedingt notwendig.

Als nächster Redner sprach Obermeister Bienert-Chemnitz über die Ver¬
wendungsmöglichkeit der Kriegsbeschädigten im Handwerk. Die
wirtschaftlichen Schäden des Handwerks sind schon jetzt sehr große und es sind
Befürchtungen aufgetaucht, daß das deutsche Handwerk nach dem Kriege ver¬
nichtet sein würde. Diesen Befürchtungen kann der Vortragende sich nicht
anschließen. Das Handwerk wird auch nach dem Kriege die nötigen Arbeits¬
kräfte zur Verfügung haben müssen. Dazu ist notwendig, daß jeder kriegs-
beschädigte Handwerksgeselle seinem Beruf, wenn irgend möglich, erhalten bleibt.
Zunächst muß die Arbeitseutwöhnung bekämpft werden und daneben muß der
Zulauf zu den ungelernten Berufen und zu den Beamtenstellen aufgehalten werden.
Unbedingt ist der Zusammenschluß von Meistern, Gesellen, Gewerbeinspektoren, Ge¬
werbeschulen zu gemeinsamer Arbeit zu fordern. Berufliche und ärztliche Beratung
sind zu vereinigen, namentlich für die älteren Gesellen, die umlernen müssen.


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[0385] Di>: Tagung für Ariegsbeschädigtenfürsorge in Loin a. Rh. der kaufmännische Kriegsbeschädigte vertraut mit dem Geiste kaufmännischer Berufe ist. Dagegen ist es dringend notwendig, ungelernte Leute oder nicht genügend vorgebildete vorzubilden. Über die Unterbringung kriegsbeschädigter Offiziere im Handel hat der Deutsche Handelstag bereits mit dem Hilfsbund für kriegsverletzte Offiziere Verhandlungen angeknüpft. Es bleibt aber noch zu fordern, daß der Offizier, der in den Handel übergehen will, vorher eine mindestens sechsmonatliche theoretische und eine mindestens achtmonatliche praktische Vorbildung auf sich nimmt. Auf jeden Fall muß die Stellen¬ vermittlung durch die Privatstellenvermittlung vermieden werden. Die private Stellenvermittlung hat kein Interesse daran, Dauerstellungen zu vermitteln. Das gleiche Thema, aber vom Standpunkt der kaufmännischen Angestellten, behandelte Kaufmann Döring-Hamburg. Gegenwärtig stehen etwa sechshundert¬ tausend kaufmännische Angestellte im Felde, daher sind in den kaufmännischen Betrieben zurzeit viele Lücken. Es werden aber auch Hunderttausende in die alten Stellungen zurückkehren. Ob sich die zerrissenen Fäden der Weltwirtschaft wieder anknüpfen werden, ob der Haß gegen Deutschland sich wieder legen wird, davon wird es abhängen, wieviele Stellen sich später den kaufmännischen Angestellten wieder öffnen. Die nicht kaufmännisch vorgebildeten Kriegs¬ beschädigten suchen sogenannte leichte Stellen. Dennoch irren sie sich in den Anforderungen, die diese leichten Stellen fordern. Mindestens muß ver¬ langt werden: die Kenntnis der deutschen Sprache und der kaufmännischen Gepflogenheiten. Zur Bekämpfung des Zustroms ungeeigneter Elemente ist eine staatliche Aufsicht der Privathandelsschulen notwendig. Ein kurzer Unter¬ richt im Maschinenschreiben, Stenographie und Buchführung reicht für den ungelernten Kriegsbeschädigten nicht aus. Die Berufsberatungsausschüsse müssen kaufmännische Kräfte als Berufsberater heranziehen. Die ungelernten Kräfte sind noch am ersten in der Registratur und im Bürodienst zu verwenden. Gegenwärtig sind viele weibliche Hilfskräfte in derartige Stellen eingewandert. Hier ist eine Änderung unbedingt notwendig. Als nächster Redner sprach Obermeister Bienert-Chemnitz über die Ver¬ wendungsmöglichkeit der Kriegsbeschädigten im Handwerk. Die wirtschaftlichen Schäden des Handwerks sind schon jetzt sehr große und es sind Befürchtungen aufgetaucht, daß das deutsche Handwerk nach dem Kriege ver¬ nichtet sein würde. Diesen Befürchtungen kann der Vortragende sich nicht anschließen. Das Handwerk wird auch nach dem Kriege die nötigen Arbeits¬ kräfte zur Verfügung haben müssen. Dazu ist notwendig, daß jeder kriegs- beschädigte Handwerksgeselle seinem Beruf, wenn irgend möglich, erhalten bleibt. Zunächst muß die Arbeitseutwöhnung bekämpft werden und daneben muß der Zulauf zu den ungelernten Berufen und zu den Beamtenstellen aufgehalten werden. Unbedingt ist der Zusammenschluß von Meistern, Gesellen, Gewerbeinspektoren, Ge¬ werbeschulen zu gemeinsamer Arbeit zu fordern. Berufliche und ärztliche Beratung sind zu vereinigen, namentlich für die älteren Gesellen, die umlernen müssen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/385>, abgerufen am 23.07.2024.