Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Tagung für Aricgsbeschädigtenfürsorge in Cöln a. Rh.

Die hier bis jetzt skizzierten Forderungen sind von ihrer Verwirklichung
leider noch weit entfernt. Günstiger liegen die Verhältnisse bei dem Kapital-
abfindungsgesetz: hier kann als Abfindung der 8^fache bis l^fache Betrag
der kapitalisierungsfähigen Zulagen (Kriegszulage und Verstmnmelungszulage)
bewilligt werden. Es ist dadurch die Möglichkeit gegeben, wenn auch nur für
den Fall der Ansiedlung, den Kriegsbeschädigten mit einem größeren Kapital
zu versorgen. Mangelhaft ist die gesetzliche Regelung der Kriegsbeschädigungeu,
die durch feindliche Fliegerangriffe hervorgerufen sind. Für entstandene Sach¬
schäden fehlt bisher jede gesetzliche Regelung.

In einem Vortrag über Landwirtschaft und Kriegsbeschädigten¬
fürsorge legte Direktor a. D. Professor von Strebe!-Stuttgart dar, daß Fu߬
invaliden im allgemeinen in der Landwirtschaft ausnahmslos wieder unterzu¬
bringen sind. Die unvermeidliche Erschwerung des Betriebes muß eben hin¬
genommen werden. Es ist aber notwendig, die kriegsbeschädigten Landwirte
in landwirtschaftlicher Atmosphäre zu belassen und für sie eigene landwirtschaft¬
liche Lazarette, die mit Gutsbetrieben verbunden sind und unter militärischer
Leitung stehen, einzurichten. Es ist nicht wohlgetan, die Landwirte erst auf
längere Zeit in städtischer Lebensweise zu belassen, weil sie sonst leicht die Lust
zum Landleben verlieren. Die Landwirtschaft wird in Zukunft noch viel mehr
Kräfte gebrauchen als bisher. Das Einarbeiten in den landwirtschaftlichen
Beruf im eigenen Betriebe und bei dem alten Arbeitgeber ist im allgemeinen
nicht zu empfehlen. Der Kriegsbeschädigte wird zu sehr bedauert und bemit¬
leidet. Er soll erst dann in den alten Betrieb zurückkehren, wenn er sich ein¬
gearbeitet hat.

Wünschenswert aber ist es, die Zeit im Lazarett und beim Ersatz-Bataillon
abzukürzen und die Rente schnell festzusetzen. Dabei ist es notwendig, daß die
Arbeitsfähigkeit nicht überschätzt wird und dann Arbeiten von ihm verlangt
werden, die er nicht mehr vollbringen kann. Eingehend aber muß geprüft
werden, ob der Kriegsbeschädigte, der eine landwirtschaftliche Arbeit tatsächlich
verrichten kann, auch in der Lage ist, diese Arbeit längere Zeit hintereinander
zu leisten, wie es die Praxis verlangt. '

Im engen Zusammenhange mit der soeben besprochenen Frage steht die
der ländlichen Siedlung, über die Regierungspräsident von Schwerin-
Frankfurt a. O. nachstehende Ausführungen machte: Die Siedlungsbestrebungen
für sämtliche Kriegsbeschädigte haben ihre kräftigste Stütze gefunden im Kapital-
abfindungsgesetz. Dadurch werden tausende von kleinen selbständigen Existenzen
geschaffen werden. Die Reichsgesetzgebung hat hier eingegriffen in die Staats-
gesetzgebung. In allen Teilen des Reiches muß aber gleichmäßig vorgegangen
werden, damit Abwanderung aus den weniger gut gestellten Gebieten vermieden
wird. Die Erfahrungen mit dem preußischen Nentengutgesetz von 1890/91
und 1901 haben ergeben, daß bei Rentengütern Zwangsvollstreckungen
uur äußerst selten vorkommen und auch dann nur wegen Untüchtigkeit des


Die Tagung für Aricgsbeschädigtenfürsorge in Cöln a. Rh.

Die hier bis jetzt skizzierten Forderungen sind von ihrer Verwirklichung
leider noch weit entfernt. Günstiger liegen die Verhältnisse bei dem Kapital-
abfindungsgesetz: hier kann als Abfindung der 8^fache bis l^fache Betrag
der kapitalisierungsfähigen Zulagen (Kriegszulage und Verstmnmelungszulage)
bewilligt werden. Es ist dadurch die Möglichkeit gegeben, wenn auch nur für
den Fall der Ansiedlung, den Kriegsbeschädigten mit einem größeren Kapital
zu versorgen. Mangelhaft ist die gesetzliche Regelung der Kriegsbeschädigungeu,
die durch feindliche Fliegerangriffe hervorgerufen sind. Für entstandene Sach¬
schäden fehlt bisher jede gesetzliche Regelung.

In einem Vortrag über Landwirtschaft und Kriegsbeschädigten¬
fürsorge legte Direktor a. D. Professor von Strebe!-Stuttgart dar, daß Fu߬
invaliden im allgemeinen in der Landwirtschaft ausnahmslos wieder unterzu¬
bringen sind. Die unvermeidliche Erschwerung des Betriebes muß eben hin¬
genommen werden. Es ist aber notwendig, die kriegsbeschädigten Landwirte
in landwirtschaftlicher Atmosphäre zu belassen und für sie eigene landwirtschaft¬
liche Lazarette, die mit Gutsbetrieben verbunden sind und unter militärischer
Leitung stehen, einzurichten. Es ist nicht wohlgetan, die Landwirte erst auf
längere Zeit in städtischer Lebensweise zu belassen, weil sie sonst leicht die Lust
zum Landleben verlieren. Die Landwirtschaft wird in Zukunft noch viel mehr
Kräfte gebrauchen als bisher. Das Einarbeiten in den landwirtschaftlichen
Beruf im eigenen Betriebe und bei dem alten Arbeitgeber ist im allgemeinen
nicht zu empfehlen. Der Kriegsbeschädigte wird zu sehr bedauert und bemit¬
leidet. Er soll erst dann in den alten Betrieb zurückkehren, wenn er sich ein¬
gearbeitet hat.

Wünschenswert aber ist es, die Zeit im Lazarett und beim Ersatz-Bataillon
abzukürzen und die Rente schnell festzusetzen. Dabei ist es notwendig, daß die
Arbeitsfähigkeit nicht überschätzt wird und dann Arbeiten von ihm verlangt
werden, die er nicht mehr vollbringen kann. Eingehend aber muß geprüft
werden, ob der Kriegsbeschädigte, der eine landwirtschaftliche Arbeit tatsächlich
verrichten kann, auch in der Lage ist, diese Arbeit längere Zeit hintereinander
zu leisten, wie es die Praxis verlangt. '

Im engen Zusammenhange mit der soeben besprochenen Frage steht die
der ländlichen Siedlung, über die Regierungspräsident von Schwerin-
Frankfurt a. O. nachstehende Ausführungen machte: Die Siedlungsbestrebungen
für sämtliche Kriegsbeschädigte haben ihre kräftigste Stütze gefunden im Kapital-
abfindungsgesetz. Dadurch werden tausende von kleinen selbständigen Existenzen
geschaffen werden. Die Reichsgesetzgebung hat hier eingegriffen in die Staats-
gesetzgebung. In allen Teilen des Reiches muß aber gleichmäßig vorgegangen
werden, damit Abwanderung aus den weniger gut gestellten Gebieten vermieden
wird. Die Erfahrungen mit dem preußischen Nentengutgesetz von 1890/91
und 1901 haben ergeben, daß bei Rentengütern Zwangsvollstreckungen
uur äußerst selten vorkommen und auch dann nur wegen Untüchtigkeit des


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0379" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330917"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Tagung für Aricgsbeschädigtenfürsorge in Cöln a. Rh.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1176"> Die hier bis jetzt skizzierten Forderungen sind von ihrer Verwirklichung<lb/>
leider noch weit entfernt. Günstiger liegen die Verhältnisse bei dem Kapital-<lb/>
abfindungsgesetz: hier kann als Abfindung der 8^fache bis l^fache Betrag<lb/>
der kapitalisierungsfähigen Zulagen (Kriegszulage und Verstmnmelungszulage)<lb/>
bewilligt werden. Es ist dadurch die Möglichkeit gegeben, wenn auch nur für<lb/>
den Fall der Ansiedlung, den Kriegsbeschädigten mit einem größeren Kapital<lb/>
zu versorgen. Mangelhaft ist die gesetzliche Regelung der Kriegsbeschädigungeu,<lb/>
die durch feindliche Fliegerangriffe hervorgerufen sind. Für entstandene Sach¬<lb/>
schäden fehlt bisher jede gesetzliche Regelung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1177"> In einem Vortrag über Landwirtschaft und Kriegsbeschädigten¬<lb/>
fürsorge legte Direktor a. D. Professor von Strebe!-Stuttgart dar, daß Fu߬<lb/>
invaliden im allgemeinen in der Landwirtschaft ausnahmslos wieder unterzu¬<lb/>
bringen sind. Die unvermeidliche Erschwerung des Betriebes muß eben hin¬<lb/>
genommen werden. Es ist aber notwendig, die kriegsbeschädigten Landwirte<lb/>
in landwirtschaftlicher Atmosphäre zu belassen und für sie eigene landwirtschaft¬<lb/>
liche Lazarette, die mit Gutsbetrieben verbunden sind und unter militärischer<lb/>
Leitung stehen, einzurichten. Es ist nicht wohlgetan, die Landwirte erst auf<lb/>
längere Zeit in städtischer Lebensweise zu belassen, weil sie sonst leicht die Lust<lb/>
zum Landleben verlieren. Die Landwirtschaft wird in Zukunft noch viel mehr<lb/>
Kräfte gebrauchen als bisher. Das Einarbeiten in den landwirtschaftlichen<lb/>
Beruf im eigenen Betriebe und bei dem alten Arbeitgeber ist im allgemeinen<lb/>
nicht zu empfehlen. Der Kriegsbeschädigte wird zu sehr bedauert und bemit¬<lb/>
leidet. Er soll erst dann in den alten Betrieb zurückkehren, wenn er sich ein¬<lb/>
gearbeitet hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1178"> Wünschenswert aber ist es, die Zeit im Lazarett und beim Ersatz-Bataillon<lb/>
abzukürzen und die Rente schnell festzusetzen. Dabei ist es notwendig, daß die<lb/>
Arbeitsfähigkeit nicht überschätzt wird und dann Arbeiten von ihm verlangt<lb/>
werden, die er nicht mehr vollbringen kann. Eingehend aber muß geprüft<lb/>
werden, ob der Kriegsbeschädigte, der eine landwirtschaftliche Arbeit tatsächlich<lb/>
verrichten kann, auch in der Lage ist, diese Arbeit längere Zeit hintereinander<lb/>
zu leisten, wie es die Praxis verlangt. '</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1179" next="#ID_1180"> Im engen Zusammenhange mit der soeben besprochenen Frage steht die<lb/>
der ländlichen Siedlung, über die Regierungspräsident von Schwerin-<lb/>
Frankfurt a. O. nachstehende Ausführungen machte: Die Siedlungsbestrebungen<lb/>
für sämtliche Kriegsbeschädigte haben ihre kräftigste Stütze gefunden im Kapital-<lb/>
abfindungsgesetz. Dadurch werden tausende von kleinen selbständigen Existenzen<lb/>
geschaffen werden. Die Reichsgesetzgebung hat hier eingegriffen in die Staats-<lb/>
gesetzgebung. In allen Teilen des Reiches muß aber gleichmäßig vorgegangen<lb/>
werden, damit Abwanderung aus den weniger gut gestellten Gebieten vermieden<lb/>
wird. Die Erfahrungen mit dem preußischen Nentengutgesetz von 1890/91<lb/>
und 1901 haben ergeben, daß bei Rentengütern Zwangsvollstreckungen<lb/>
uur äußerst selten vorkommen und auch dann nur wegen Untüchtigkeit des</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0379] Die Tagung für Aricgsbeschädigtenfürsorge in Cöln a. Rh. Die hier bis jetzt skizzierten Forderungen sind von ihrer Verwirklichung leider noch weit entfernt. Günstiger liegen die Verhältnisse bei dem Kapital- abfindungsgesetz: hier kann als Abfindung der 8^fache bis l^fache Betrag der kapitalisierungsfähigen Zulagen (Kriegszulage und Verstmnmelungszulage) bewilligt werden. Es ist dadurch die Möglichkeit gegeben, wenn auch nur für den Fall der Ansiedlung, den Kriegsbeschädigten mit einem größeren Kapital zu versorgen. Mangelhaft ist die gesetzliche Regelung der Kriegsbeschädigungeu, die durch feindliche Fliegerangriffe hervorgerufen sind. Für entstandene Sach¬ schäden fehlt bisher jede gesetzliche Regelung. In einem Vortrag über Landwirtschaft und Kriegsbeschädigten¬ fürsorge legte Direktor a. D. Professor von Strebe!-Stuttgart dar, daß Fu߬ invaliden im allgemeinen in der Landwirtschaft ausnahmslos wieder unterzu¬ bringen sind. Die unvermeidliche Erschwerung des Betriebes muß eben hin¬ genommen werden. Es ist aber notwendig, die kriegsbeschädigten Landwirte in landwirtschaftlicher Atmosphäre zu belassen und für sie eigene landwirtschaft¬ liche Lazarette, die mit Gutsbetrieben verbunden sind und unter militärischer Leitung stehen, einzurichten. Es ist nicht wohlgetan, die Landwirte erst auf längere Zeit in städtischer Lebensweise zu belassen, weil sie sonst leicht die Lust zum Landleben verlieren. Die Landwirtschaft wird in Zukunft noch viel mehr Kräfte gebrauchen als bisher. Das Einarbeiten in den landwirtschaftlichen Beruf im eigenen Betriebe und bei dem alten Arbeitgeber ist im allgemeinen nicht zu empfehlen. Der Kriegsbeschädigte wird zu sehr bedauert und bemit¬ leidet. Er soll erst dann in den alten Betrieb zurückkehren, wenn er sich ein¬ gearbeitet hat. Wünschenswert aber ist es, die Zeit im Lazarett und beim Ersatz-Bataillon abzukürzen und die Rente schnell festzusetzen. Dabei ist es notwendig, daß die Arbeitsfähigkeit nicht überschätzt wird und dann Arbeiten von ihm verlangt werden, die er nicht mehr vollbringen kann. Eingehend aber muß geprüft werden, ob der Kriegsbeschädigte, der eine landwirtschaftliche Arbeit tatsächlich verrichten kann, auch in der Lage ist, diese Arbeit längere Zeit hintereinander zu leisten, wie es die Praxis verlangt. ' Im engen Zusammenhange mit der soeben besprochenen Frage steht die der ländlichen Siedlung, über die Regierungspräsident von Schwerin- Frankfurt a. O. nachstehende Ausführungen machte: Die Siedlungsbestrebungen für sämtliche Kriegsbeschädigte haben ihre kräftigste Stütze gefunden im Kapital- abfindungsgesetz. Dadurch werden tausende von kleinen selbständigen Existenzen geschaffen werden. Die Reichsgesetzgebung hat hier eingegriffen in die Staats- gesetzgebung. In allen Teilen des Reiches muß aber gleichmäßig vorgegangen werden, damit Abwanderung aus den weniger gut gestellten Gebieten vermieden wird. Die Erfahrungen mit dem preußischen Nentengutgesetz von 1890/91 und 1901 haben ergeben, daß bei Rentengütern Zwangsvollstreckungen uur äußerst selten vorkommen und auch dann nur wegen Untüchtigkeit des

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/379
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/379>, abgerufen am 23.07.2024.