Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das deutsche Soldatenlied im Felde

die Gesangsübungen im Heere, die auch jetzt im Kriege, wo es immer die
Verhältnisse gestatten, vor allem auch bei der Truppenausbildung, mit besonde¬
rem Eifer gepflegt werden. Da wird uns von Übungsplätzen hinter der Front
berichtet, daß es für schlechtes Singen Nachexerzieren gibt, und bei den auszu¬
bildenden Truppen übt man direkt Gesang im Marschieren, um Gesang und
Marschschritt zusammenzupassen." So faßt die Erfahrungen vieler Beobachter
aus den verschiedensten Dienstgraden und Stellungen einer der aufmerksamsten
und liebevollsten Beobachter des Volksliedes in seinem Werden und Wandern
zusammen -- Professor John Meier in Freiburg i. B., der Leiter des großen
deutschen Volksliedarchivs, der erst kürzlich Aufrufe zur Verzeichnung der bei
unsern Truppen gesungenen Lieder in den wichtigsten Tagesblättern ausgehen
ließ,*) und der nun auf Grund des bisher gesammelten Stoffes im knappen
Überblick eine fesselnde und genußreiche Darstellung des "Deutschen Soldaten¬
liedes im Felde" gegeben hat.**)

Aus den reichen Mitteilungen, die dieser Darstellung zugrunde liegen,
entnehmen wir mit aufrichtiger Freude, daß es jener etwas gewaltsamen Auf¬
forderungen zum Singen an unsere Soldaten nur in den seltensten Fällen
bedarf. Im allgemeinen regt sich überall die deutsche Sangeslust und ermög¬
licht dem Kundigen einen unmittelbaren Einblick in die Seele und in die augen¬
blickliche Stimmung der Truppe. Dabei ist es ziemlich gleichgiltig, ob das,
was gesungen wird, auch an Ort und Stelle entstanden oder von sern oder
nah übernommen worden ist. Nur in den allerseltensten Fällen werden sich
unter den Soldaten selbst schöpferische Geister finden, die ein flottes, lebens¬
kräftiges Lied auf ein kriegerisches Erlebnis zu erfinden vermögen. Das meiste,
was von einzelnen oder von Gruppen gedichtet wird, geht wieder unter, sobald
sich der ursprüngliche Zuhörerkreis aufgelöst hat, es sei denn, daß die Gedichte
eine innere Bedeutung haben, die sie weit über den engen Kreis hinausträgt,
oder daß sie sich gleich an eine größere Gemeinschaft wenden. Das letztere
gilt von den Regimentsliedern, wie sie besonders einzelnen Offizieren gelungen sind:




*) Wir empfehlen allen unsern Lesern angelegentlichst diesen "Aufruf zur Sammlung
deutscher Soldatenlieder", der stets in jeder beliebigen Anzahl von Abzügen von dem "Deut¬
schen Volksliedarchiv" in Freiburg i. Br,, Bertholdstrasze 17, kostenlos zu beziehen ist. Er
beginnt mit den Worten: "Mit allen guten Geistern unseres Volkes hat auch das deutsche
Lied unser Heer ins Feld begleitet. Es ist eine nationale Pflicht, seine Lieder künftigen
Geschlechtern zu erhalten und zu zeigen, welch hohe Bedeutung sie im Kampfleben des Sol¬
daten haben. Wir haben deshalb eine Sammlung der im gegenwärtigen Kriege gesungenen
Soldatenlieder unternommen, die aber nur dann ein richtiges Bild geben kann, wenn alle
mithelfen, die es können. Helfen auch Sie mit, indem Sie uns Lieder aufzeichnen und so
gut als möglich die folgenden Fragen beantworten."
**) Trübners Bibliothek, Band 4. (Straßburg, Karl I. Trübner, 191V).
Das deutsche Soldatenlied im Felde

die Gesangsübungen im Heere, die auch jetzt im Kriege, wo es immer die
Verhältnisse gestatten, vor allem auch bei der Truppenausbildung, mit besonde¬
rem Eifer gepflegt werden. Da wird uns von Übungsplätzen hinter der Front
berichtet, daß es für schlechtes Singen Nachexerzieren gibt, und bei den auszu¬
bildenden Truppen übt man direkt Gesang im Marschieren, um Gesang und
Marschschritt zusammenzupassen." So faßt die Erfahrungen vieler Beobachter
aus den verschiedensten Dienstgraden und Stellungen einer der aufmerksamsten
und liebevollsten Beobachter des Volksliedes in seinem Werden und Wandern
zusammen — Professor John Meier in Freiburg i. B., der Leiter des großen
deutschen Volksliedarchivs, der erst kürzlich Aufrufe zur Verzeichnung der bei
unsern Truppen gesungenen Lieder in den wichtigsten Tagesblättern ausgehen
ließ,*) und der nun auf Grund des bisher gesammelten Stoffes im knappen
Überblick eine fesselnde und genußreiche Darstellung des „Deutschen Soldaten¬
liedes im Felde" gegeben hat.**)

Aus den reichen Mitteilungen, die dieser Darstellung zugrunde liegen,
entnehmen wir mit aufrichtiger Freude, daß es jener etwas gewaltsamen Auf¬
forderungen zum Singen an unsere Soldaten nur in den seltensten Fällen
bedarf. Im allgemeinen regt sich überall die deutsche Sangeslust und ermög¬
licht dem Kundigen einen unmittelbaren Einblick in die Seele und in die augen¬
blickliche Stimmung der Truppe. Dabei ist es ziemlich gleichgiltig, ob das,
was gesungen wird, auch an Ort und Stelle entstanden oder von sern oder
nah übernommen worden ist. Nur in den allerseltensten Fällen werden sich
unter den Soldaten selbst schöpferische Geister finden, die ein flottes, lebens¬
kräftiges Lied auf ein kriegerisches Erlebnis zu erfinden vermögen. Das meiste,
was von einzelnen oder von Gruppen gedichtet wird, geht wieder unter, sobald
sich der ursprüngliche Zuhörerkreis aufgelöst hat, es sei denn, daß die Gedichte
eine innere Bedeutung haben, die sie weit über den engen Kreis hinausträgt,
oder daß sie sich gleich an eine größere Gemeinschaft wenden. Das letztere
gilt von den Regimentsliedern, wie sie besonders einzelnen Offizieren gelungen sind:




*) Wir empfehlen allen unsern Lesern angelegentlichst diesen „Aufruf zur Sammlung
deutscher Soldatenlieder", der stets in jeder beliebigen Anzahl von Abzügen von dem „Deut¬
schen Volksliedarchiv" in Freiburg i. Br,, Bertholdstrasze 17, kostenlos zu beziehen ist. Er
beginnt mit den Worten: „Mit allen guten Geistern unseres Volkes hat auch das deutsche
Lied unser Heer ins Feld begleitet. Es ist eine nationale Pflicht, seine Lieder künftigen
Geschlechtern zu erhalten und zu zeigen, welch hohe Bedeutung sie im Kampfleben des Sol¬
daten haben. Wir haben deshalb eine Sammlung der im gegenwärtigen Kriege gesungenen
Soldatenlieder unternommen, die aber nur dann ein richtiges Bild geben kann, wenn alle
mithelfen, die es können. Helfen auch Sie mit, indem Sie uns Lieder aufzeichnen und so
gut als möglich die folgenden Fragen beantworten."
**) Trübners Bibliothek, Band 4. (Straßburg, Karl I. Trübner, 191V).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0360" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330898"/>
          <fw type="header" place="top"> Das deutsche Soldatenlied im Felde</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1119" prev="#ID_1118"> die Gesangsübungen im Heere, die auch jetzt im Kriege, wo es immer die<lb/>
Verhältnisse gestatten, vor allem auch bei der Truppenausbildung, mit besonde¬<lb/>
rem Eifer gepflegt werden. Da wird uns von Übungsplätzen hinter der Front<lb/>
berichtet, daß es für schlechtes Singen Nachexerzieren gibt, und bei den auszu¬<lb/>
bildenden Truppen übt man direkt Gesang im Marschieren, um Gesang und<lb/>
Marschschritt zusammenzupassen." So faßt die Erfahrungen vieler Beobachter<lb/>
aus den verschiedensten Dienstgraden und Stellungen einer der aufmerksamsten<lb/>
und liebevollsten Beobachter des Volksliedes in seinem Werden und Wandern<lb/>
zusammen &#x2014; Professor John Meier in Freiburg i. B., der Leiter des großen<lb/>
deutschen Volksliedarchivs, der erst kürzlich Aufrufe zur Verzeichnung der bei<lb/>
unsern Truppen gesungenen Lieder in den wichtigsten Tagesblättern ausgehen<lb/>
ließ,*) und der nun auf Grund des bisher gesammelten Stoffes im knappen<lb/>
Überblick eine fesselnde und genußreiche Darstellung des &#x201E;Deutschen Soldaten¬<lb/>
liedes im Felde" gegeben hat.**)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1120"> Aus den reichen Mitteilungen, die dieser Darstellung zugrunde liegen,<lb/>
entnehmen wir mit aufrichtiger Freude, daß es jener etwas gewaltsamen Auf¬<lb/>
forderungen zum Singen an unsere Soldaten nur in den seltensten Fällen<lb/>
bedarf. Im allgemeinen regt sich überall die deutsche Sangeslust und ermög¬<lb/>
licht dem Kundigen einen unmittelbaren Einblick in die Seele und in die augen¬<lb/>
blickliche Stimmung der Truppe. Dabei ist es ziemlich gleichgiltig, ob das,<lb/>
was gesungen wird, auch an Ort und Stelle entstanden oder von sern oder<lb/>
nah übernommen worden ist. Nur in den allerseltensten Fällen werden sich<lb/>
unter den Soldaten selbst schöpferische Geister finden, die ein flottes, lebens¬<lb/>
kräftiges Lied auf ein kriegerisches Erlebnis zu erfinden vermögen. Das meiste,<lb/>
was von einzelnen oder von Gruppen gedichtet wird, geht wieder unter, sobald<lb/>
sich der ursprüngliche Zuhörerkreis aufgelöst hat, es sei denn, daß die Gedichte<lb/>
eine innere Bedeutung haben, die sie weit über den engen Kreis hinausträgt,<lb/>
oder daß sie sich gleich an eine größere Gemeinschaft wenden. Das letztere<lb/>
gilt von den Regimentsliedern, wie sie besonders einzelnen Offizieren gelungen sind:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_2" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <note xml:id="FID_73" place="foot"> *) Wir empfehlen allen unsern Lesern angelegentlichst diesen &#x201E;Aufruf zur Sammlung<lb/>
deutscher Soldatenlieder", der stets in jeder beliebigen Anzahl von Abzügen von dem &#x201E;Deut¬<lb/>
schen Volksliedarchiv" in Freiburg i. Br,, Bertholdstrasze 17, kostenlos zu beziehen ist. Er<lb/>
beginnt mit den Worten: &#x201E;Mit allen guten Geistern unseres Volkes hat auch das deutsche<lb/>
Lied unser Heer ins Feld begleitet. Es ist eine nationale Pflicht, seine Lieder künftigen<lb/>
Geschlechtern zu erhalten und zu zeigen, welch hohe Bedeutung sie im Kampfleben des Sol¬<lb/>
daten haben. Wir haben deshalb eine Sammlung der im gegenwärtigen Kriege gesungenen<lb/>
Soldatenlieder unternommen, die aber nur dann ein richtiges Bild geben kann, wenn alle<lb/>
mithelfen, die es können. Helfen auch Sie mit, indem Sie uns Lieder aufzeichnen und so<lb/>
gut als möglich die folgenden Fragen beantworten."</note><lb/>
          <note xml:id="FID_74" place="foot"> **) Trübners Bibliothek, Band 4. (Straßburg, Karl I. Trübner, 191V).</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0360] Das deutsche Soldatenlied im Felde die Gesangsübungen im Heere, die auch jetzt im Kriege, wo es immer die Verhältnisse gestatten, vor allem auch bei der Truppenausbildung, mit besonde¬ rem Eifer gepflegt werden. Da wird uns von Übungsplätzen hinter der Front berichtet, daß es für schlechtes Singen Nachexerzieren gibt, und bei den auszu¬ bildenden Truppen übt man direkt Gesang im Marschieren, um Gesang und Marschschritt zusammenzupassen." So faßt die Erfahrungen vieler Beobachter aus den verschiedensten Dienstgraden und Stellungen einer der aufmerksamsten und liebevollsten Beobachter des Volksliedes in seinem Werden und Wandern zusammen — Professor John Meier in Freiburg i. B., der Leiter des großen deutschen Volksliedarchivs, der erst kürzlich Aufrufe zur Verzeichnung der bei unsern Truppen gesungenen Lieder in den wichtigsten Tagesblättern ausgehen ließ,*) und der nun auf Grund des bisher gesammelten Stoffes im knappen Überblick eine fesselnde und genußreiche Darstellung des „Deutschen Soldaten¬ liedes im Felde" gegeben hat.**) Aus den reichen Mitteilungen, die dieser Darstellung zugrunde liegen, entnehmen wir mit aufrichtiger Freude, daß es jener etwas gewaltsamen Auf¬ forderungen zum Singen an unsere Soldaten nur in den seltensten Fällen bedarf. Im allgemeinen regt sich überall die deutsche Sangeslust und ermög¬ licht dem Kundigen einen unmittelbaren Einblick in die Seele und in die augen¬ blickliche Stimmung der Truppe. Dabei ist es ziemlich gleichgiltig, ob das, was gesungen wird, auch an Ort und Stelle entstanden oder von sern oder nah übernommen worden ist. Nur in den allerseltensten Fällen werden sich unter den Soldaten selbst schöpferische Geister finden, die ein flottes, lebens¬ kräftiges Lied auf ein kriegerisches Erlebnis zu erfinden vermögen. Das meiste, was von einzelnen oder von Gruppen gedichtet wird, geht wieder unter, sobald sich der ursprüngliche Zuhörerkreis aufgelöst hat, es sei denn, daß die Gedichte eine innere Bedeutung haben, die sie weit über den engen Kreis hinausträgt, oder daß sie sich gleich an eine größere Gemeinschaft wenden. Das letztere gilt von den Regimentsliedern, wie sie besonders einzelnen Offizieren gelungen sind: *) Wir empfehlen allen unsern Lesern angelegentlichst diesen „Aufruf zur Sammlung deutscher Soldatenlieder", der stets in jeder beliebigen Anzahl von Abzügen von dem „Deut¬ schen Volksliedarchiv" in Freiburg i. Br,, Bertholdstrasze 17, kostenlos zu beziehen ist. Er beginnt mit den Worten: „Mit allen guten Geistern unseres Volkes hat auch das deutsche Lied unser Heer ins Feld begleitet. Es ist eine nationale Pflicht, seine Lieder künftigen Geschlechtern zu erhalten und zu zeigen, welch hohe Bedeutung sie im Kampfleben des Sol¬ daten haben. Wir haben deshalb eine Sammlung der im gegenwärtigen Kriege gesungenen Soldatenlieder unternommen, die aber nur dann ein richtiges Bild geben kann, wenn alle mithelfen, die es können. Helfen auch Sie mit, indem Sie uns Lieder aufzeichnen und so gut als möglich die folgenden Fragen beantworten." **) Trübners Bibliothek, Band 4. (Straßburg, Karl I. Trübner, 191V).

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/360
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/360>, abgerufen am 23.07.2024.