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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Außenpolitisches aus Rußland

deutschen Konkurrenten das Objekt der industriellen Ausbeutung seitens der
Kapitalisten der Alliierten werden soll.

Das russisch-japanische Bündnis findet jedenfalls in der russischen öffent¬
lichen Meinung bei weitem nicht diejenige enthusiastische Aufnahme, die es in
Japan gefunden hat. Von allgemeineren Betrachtungen über das Bündnis ist
beachtenswert ein Artikel der "Birsjewyje Wjedomosti", aus dem ich folgende
Stellen zitieren möchte:

"Viel Energie und Arbeit des Volkes wird nach dem Kriege darauf ver¬
wandt werden müssen, um das gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen, und
gleichfalls muß eine innere Schöpfungsarbeit einsetzen, die dazu bestimmt ist,
das Leben des Landes zu erneuern und die schlafenden produktiven Kräfte des¬
selben x.u erwecken. Wir brauchen deshalb im fernen Osten einen treuen Freund,
der uns nicht verrät und nicht betrügt. Japan ist ein derartiger Freund.
Gestützt auf seine Freundschaft können wir uns ruhig der uns notwendigen
schöpferischen Arbeit in Europa und bei uns zu Hause widmen.

Wir haben uns eine gemäßigte und loyale Politik Japans in China ge¬
sichert. Als bester Beweis hierfür dient die Rückgabe der von Japan eroberten
Festung Tsingtau an China. Gleichzeitig haben die Anzeichen des japanischen
Eindringens in das Innere des Festlandes aufgehört, uns zu beunruhigen.
Der japanische Gedanke ist gegenwärtig auf den asiatischen Teil des Stillen
Ozeans konzentriert. Zwischen den Vereinigten Staaten und Japan kommt
immer mehr der beiderseitige Wunsch zum Ausdruck, die Einflußsphären des
Ozeans friedlich zu teilen. Die Vereinbarung mit England, welcher in nächster
Zukunft der Ausgangspunkt der ganzen russischen Politik zu werden bestimmt
ist, und insonderheit desjenigen Teiles, der die russisch-japanischen Interessen
berührt, bildet für uns eine Rückversicherung, die unsere Position in Asien
garantiert. Aus diesem Grunde hoben wir den Japanern bei Ausarbeitung
der letzten Vereinbarung freiwillig den zwischen Sungart und Kuantschensy ge¬
legenen Teil der ostsibirischen Bahn abgetreten und ihnen das Recht der
Schiffahrt auf dem Sungari eingeräumt. Durch Abtretung dieses Teiles der
Bahn haben wir ohne Frage diejenigen Transporte nach Dalny abgelenkt, die
bisher nach Wladiwostok gingen und haben auf diese Weise erheblich die
Chancen der japanischen südmandschurischen Bahn verbessert. Dadurch aber
haben wir Japan für die unschätzbaren Dienste belohnt, die es uns im gegen¬
wärtigen Kriege durch Zustellung von Kriegsmaterial erwiesen hat und gleich¬
falls durch den Export von Getreide für Europa auf seinen Dampfern aus
Wladiwostok und Import von Baumwolle, Maschinen u. a. aus Amerika.
Das Erscheinen von japanischen Waren auf unseren Märkten wird nur günstig
für den russischen Käufer fein. Die Freundschaft der Völker wird aber nicht
allein durch die runden Ziffern des Warenaustausches begründet. Wir haben
noch andere Beweise des tiefen Interesses seitens Japans für unser Land, und
alles dies im Zusammenhang mit der bevorstehenden Ankunft der Vertreter der


Außenpolitisches aus Rußland

deutschen Konkurrenten das Objekt der industriellen Ausbeutung seitens der
Kapitalisten der Alliierten werden soll.

Das russisch-japanische Bündnis findet jedenfalls in der russischen öffent¬
lichen Meinung bei weitem nicht diejenige enthusiastische Aufnahme, die es in
Japan gefunden hat. Von allgemeineren Betrachtungen über das Bündnis ist
beachtenswert ein Artikel der „Birsjewyje Wjedomosti", aus dem ich folgende
Stellen zitieren möchte:

„Viel Energie und Arbeit des Volkes wird nach dem Kriege darauf ver¬
wandt werden müssen, um das gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen, und
gleichfalls muß eine innere Schöpfungsarbeit einsetzen, die dazu bestimmt ist,
das Leben des Landes zu erneuern und die schlafenden produktiven Kräfte des¬
selben x.u erwecken. Wir brauchen deshalb im fernen Osten einen treuen Freund,
der uns nicht verrät und nicht betrügt. Japan ist ein derartiger Freund.
Gestützt auf seine Freundschaft können wir uns ruhig der uns notwendigen
schöpferischen Arbeit in Europa und bei uns zu Hause widmen.

Wir haben uns eine gemäßigte und loyale Politik Japans in China ge¬
sichert. Als bester Beweis hierfür dient die Rückgabe der von Japan eroberten
Festung Tsingtau an China. Gleichzeitig haben die Anzeichen des japanischen
Eindringens in das Innere des Festlandes aufgehört, uns zu beunruhigen.
Der japanische Gedanke ist gegenwärtig auf den asiatischen Teil des Stillen
Ozeans konzentriert. Zwischen den Vereinigten Staaten und Japan kommt
immer mehr der beiderseitige Wunsch zum Ausdruck, die Einflußsphären des
Ozeans friedlich zu teilen. Die Vereinbarung mit England, welcher in nächster
Zukunft der Ausgangspunkt der ganzen russischen Politik zu werden bestimmt
ist, und insonderheit desjenigen Teiles, der die russisch-japanischen Interessen
berührt, bildet für uns eine Rückversicherung, die unsere Position in Asien
garantiert. Aus diesem Grunde hoben wir den Japanern bei Ausarbeitung
der letzten Vereinbarung freiwillig den zwischen Sungart und Kuantschensy ge¬
legenen Teil der ostsibirischen Bahn abgetreten und ihnen das Recht der
Schiffahrt auf dem Sungari eingeräumt. Durch Abtretung dieses Teiles der
Bahn haben wir ohne Frage diejenigen Transporte nach Dalny abgelenkt, die
bisher nach Wladiwostok gingen und haben auf diese Weise erheblich die
Chancen der japanischen südmandschurischen Bahn verbessert. Dadurch aber
haben wir Japan für die unschätzbaren Dienste belohnt, die es uns im gegen¬
wärtigen Kriege durch Zustellung von Kriegsmaterial erwiesen hat und gleich¬
falls durch den Export von Getreide für Europa auf seinen Dampfern aus
Wladiwostok und Import von Baumwolle, Maschinen u. a. aus Amerika.
Das Erscheinen von japanischen Waren auf unseren Märkten wird nur günstig
für den russischen Käufer fein. Die Freundschaft der Völker wird aber nicht
allein durch die runden Ziffern des Warenaustausches begründet. Wir haben
noch andere Beweise des tiefen Interesses seitens Japans für unser Land, und
alles dies im Zusammenhang mit der bevorstehenden Ankunft der Vertreter der


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[0336] Außenpolitisches aus Rußland deutschen Konkurrenten das Objekt der industriellen Ausbeutung seitens der Kapitalisten der Alliierten werden soll. Das russisch-japanische Bündnis findet jedenfalls in der russischen öffent¬ lichen Meinung bei weitem nicht diejenige enthusiastische Aufnahme, die es in Japan gefunden hat. Von allgemeineren Betrachtungen über das Bündnis ist beachtenswert ein Artikel der „Birsjewyje Wjedomosti", aus dem ich folgende Stellen zitieren möchte: „Viel Energie und Arbeit des Volkes wird nach dem Kriege darauf ver¬ wandt werden müssen, um das gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen, und gleichfalls muß eine innere Schöpfungsarbeit einsetzen, die dazu bestimmt ist, das Leben des Landes zu erneuern und die schlafenden produktiven Kräfte des¬ selben x.u erwecken. Wir brauchen deshalb im fernen Osten einen treuen Freund, der uns nicht verrät und nicht betrügt. Japan ist ein derartiger Freund. Gestützt auf seine Freundschaft können wir uns ruhig der uns notwendigen schöpferischen Arbeit in Europa und bei uns zu Hause widmen. Wir haben uns eine gemäßigte und loyale Politik Japans in China ge¬ sichert. Als bester Beweis hierfür dient die Rückgabe der von Japan eroberten Festung Tsingtau an China. Gleichzeitig haben die Anzeichen des japanischen Eindringens in das Innere des Festlandes aufgehört, uns zu beunruhigen. Der japanische Gedanke ist gegenwärtig auf den asiatischen Teil des Stillen Ozeans konzentriert. Zwischen den Vereinigten Staaten und Japan kommt immer mehr der beiderseitige Wunsch zum Ausdruck, die Einflußsphären des Ozeans friedlich zu teilen. Die Vereinbarung mit England, welcher in nächster Zukunft der Ausgangspunkt der ganzen russischen Politik zu werden bestimmt ist, und insonderheit desjenigen Teiles, der die russisch-japanischen Interessen berührt, bildet für uns eine Rückversicherung, die unsere Position in Asien garantiert. Aus diesem Grunde hoben wir den Japanern bei Ausarbeitung der letzten Vereinbarung freiwillig den zwischen Sungart und Kuantschensy ge¬ legenen Teil der ostsibirischen Bahn abgetreten und ihnen das Recht der Schiffahrt auf dem Sungari eingeräumt. Durch Abtretung dieses Teiles der Bahn haben wir ohne Frage diejenigen Transporte nach Dalny abgelenkt, die bisher nach Wladiwostok gingen und haben auf diese Weise erheblich die Chancen der japanischen südmandschurischen Bahn verbessert. Dadurch aber haben wir Japan für die unschätzbaren Dienste belohnt, die es uns im gegen¬ wärtigen Kriege durch Zustellung von Kriegsmaterial erwiesen hat und gleich¬ falls durch den Export von Getreide für Europa auf seinen Dampfern aus Wladiwostok und Import von Baumwolle, Maschinen u. a. aus Amerika. Das Erscheinen von japanischen Waren auf unseren Märkten wird nur günstig für den russischen Käufer fein. Die Freundschaft der Völker wird aber nicht allein durch die runden Ziffern des Warenaustausches begründet. Wir haben noch andere Beweise des tiefen Interesses seitens Japans für unser Land, und alles dies im Zusammenhang mit der bevorstehenden Ankunft der Vertreter der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/336>, abgerufen am 23.07.2024.